Diskussion um Heim für Behinderte

PUK-Antrag an Budgetdebatte: Hostettler in Bedrängnis

Andreas Hostettler, Direktor des Innern des Kantons Zug, sah sich einer drohenden PUK konfrontiert.

Das Zuger Kantonsparlament will sich nur mit dem Budget befassen, am Ende droht eine parlamentarische Untersuchungskommission. Im Zentrum der Vorwürfe: Innendirektor Andreas Hostettler.

Er will es nicht tun. Das sagt er auch. Aber er stellt die Drohung in den Raum und dreht ab, nur um zwei Voten später ans Rednerpult zurückzukehren. Und dann zieht er es durch: «Ich beantrage die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission.»

Es war schon deutlich nach 12 Uhr an diesem Donnerstagmittag, als Jean Luc Mösch, Mitte-Kantonsrat aus Cham, ein Beben durch das Zuger Kantonsparlament jagte.

Freue dich der Gegenwart und mahne für die Zukunft

Dieses hatte sich versammelt, um das Budget für das kommende Jahr zu verabschieden. Was im Kanton Zug in der Regel darin besteht, sich der Gegenwart zu freuen und für die Zukunft vor Euphorie und Unvorsicht zu mahnen.

Genau danach hatte es auch am Donnerstag lange ausgesehen. Den ganzen Vormittag über zeichnete sich ab, dass der Rat den Budgetentwurf der Regierung (247,8 Millionen Franken Ertragsüberschuss, inklusive nachträglich 5,1 Millionen Franken beantragter Teuerungsausgleich für die Verwaltung, zentralplus berichtete) annehmen wird – mit wenig Theater und nach einigen Streichungen, weil die Regierung für den Geschmack des Parlaments zu grosszügig Stellen beantragt hatte.

Beitrag für Wohnheim gestrichen

Dann aber trat – noch vor Jean Luc Mösch, der zwar zum Äussersten greifen sollte, aber nur ihr Sekundant war – Rita Hofer (ALG/Hünenberg) vor den Rat. Hofer beantragte, zwei Millionen Franken ins Budget 2023 und 2,95 Millionen Franken in den Finanzplan 2024 aufzunehmen. Geld, das für den Umbau eines Hauses an der Adelheid-Page-Strasse in Cham eingesetzt werden sollte. Geld, das in früheren Jahren eingeplant war. Geld, das man im aktuellen Budget vergebens sucht.

Das Gebäude hatte der Verein Wohn- und Werkheim Schmetterling 2012 gekauft. Die Organisation, die sich für mehrfach behinderte Menschen einsetzt, wollte das 1906 erbaute Gebäude in ein Heim für alters- und behindertengerechtes Wohnen umbauen. Im Dezember 2018 hatte der Regierungsrat beschlossen, sich mit 4,95 Millionen Franken am Projekt zu beteiligen.

Hostettler soll Projekt blockiert haben

Nur: Aus der Idee wurde nie Realität. Stattdessen teilte der Verein vor ziemlich genau einem Jahr mit, es gäbe nun doch keine neuen Wohnplätze. Die «Zuger Zeitung» zitierte aus einer Medienmitteilung, derzufolge der Verein zuerst Erfahrungen mit einem neuen Gesetz sammeln wollte.

Wer aber Rita Hofer am Donnerstag zuhörte, musste auf den Gedanken kommen, der wahre Grund für das Ende des Projekts sitze im Saal und heisse Andreas Hostettler.

Hofer warf dem Zuger Innendirektor vor, das Vorhaben systematisch blockiert und es mit einer «aktiven Zermürbungstaktik» im Alleingang beerdigt zu haben.

«Das ist ein weiteres trauriges, ja tragisches Kapitel in der Beziehung zwischen Schmetterling und Kanton.»

Rainer Suter, Kantonsrat SVP

Seine Direktion des Innern, namentlich das Amt für Denkmalpflege, habe den Verein mit immer neuen Auflagen für das Projekt drangsaliert – so lange, bis die Verantwortlichen keine Möglichkeit mehr sahen, als aufzugeben. «Ich frage mich», so Hofer, «wo hier der Rechtsstaat ist. Wie kann es sein, dass sich ein einziger Regierungsrat so um einen rechtskräftigen Beschluss der Gesamtregierung foutieren kann?»

«Keine Willkür»: Hostettler verteidigte sich

Rückendeckung bekam die Alternative von Jean Luc Mösch sowie von Rainer Suter (SVP, Cham), vor Jahren Vorstandsmitglied beim Verein Wohn-und Werkheim Schmetterling und ebenso empört wie Mösch und Hofer: «Die Streichung aus dem Budget ist nicht nachvollziehbar. Das ist ein weiteres trauriges, ja tragisches Kapitel in der Beziehung zwischen Schmetterling und Kanton.»

Als Innendirektor Andreas Hostettler (FDP) zur Verteidigung ansetzte, hing die Spannung im Raum wie die Fragezeichen über den Köpfen einiger Ratsmitglieder. Offenbar waren viele nicht sicher, was sie von der Kritik an Hostettlers Amtsführung halten sollten.

«Das ist keine Willkür. Das Haus ist einfach nicht geeignet, behindertengerecht umgebaut zu werden.»

Andreas Hostettler, Direktor des Innern

Dieser setzte alles daran, eine einfache Botschaft zu vermitteln: Er habe nichts gegen den Verein und er wolle niemandem etwas wegnehmen. «Am Ende des Tages geht es für uns alle um das Gleiche, um das Wohl der Schwächsten.»

Doch zusammengefasst sagte Hostettler, seine Direktion habe das Projekt nicht gutheissen können: «Ich kann nicht einfach zustimmen, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Das ist keine Willkür. Das Haus ist einfach nicht geeignet, behindertengerecht umgebaut zu werden.» Allerdings sei er mit dem Vorstand des Vereins im Austausch, demnächst würden die nächsten Gespräche stattfinden.

Mösch zog PUK-Antrag zurück, Rat lehnte Antrag Hofer ab

Die Antwort stellte nicht jeden zufrieden, am wenigsten Jean Luc Mösch, der seinen PUK-Antrag nach Hostettlers Vote stellte – und anderthalb Stunden später zurückzog. Augenscheinlich verkam das Beben während der Mittagspause zu einem leichten Rütteln. Mösch sagte, er habe über Mittag gute Gespräche geführt und glaube nun, mit einem Vorstoss mehr erreichen zu können.

Gleichzeitig lehnte das Parlament Rita Hofers Antrag mit 40 zu 31 ab. Damit nimmt der Kanton die 4,95 Millionen Franken nicht in Budget und Finanzplan auf – im Kern, weil es nach dem Rückzug des Vereins Schmetterling kein Projekt gibt, das jemand finanzieren könnte. Oder, wie Hostettler es sagte: «Wenn ein neues Projekt vorliegt, kann der Verein Schmetterling gerne wieder kommen, wir sind offen. Aber der Ball liegt dort.»

Rat strich Prozente bei Kommunikationsstelle und Datenschutz

Die Diskussion um das Wohnheim beschäftigte den Kantonsrat während eines grossen Teils der Budgetdebatte – diese wiederum dauerte fast den ganzen Tag und war geprägt von Verhandlungen um einzelne Stellen in den Direktionen. So bekommt die Fachstelle Kommunikation keine stellvertretende Kommunikationsleiterin und auch die Datenschutzstelle erhielt die 80 Stellenprozent nicht, die sie beantragt hatte. Dafür genehmigte der Rat diskussionslos die 5,1 Millionen Franken Teuerungsausgleich für die Verwaltung.

Und sonst? Lief an diesem Donnerstag viel nach dem Credo: Freue dich der Gegenwart und mahne für die Zukunft.

Verwendete Quellen
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