Grüne und SP klagen

Luzerner Polizeigesetz wird ein Fall fürs Bundesgericht

Laura Spring (Grüne), Melanie Setz (SP) und Hans Stutz (Grüne) wollen das Polizeigesetz vom Bundesgericht überprüfen lassen. (Bild: Adobe Stock / zvg)

Das neue Luzerner Polizeigesetz ist mit den Grundrechten nicht vereinbar. Davon sind SP und Grüne überzeugt. Vor Bundesgericht versuchen sie jetzt zu verhindern, dass es in Kraft tritt.

Kann die Polizei dir künftig zusehen, wenn du im Stau sitzt und in der Nase bohrst? Der Luzerner Kantonsrat hat grünes Licht gegeben für eine automatisierte Fahrzeugüberwachung. Das System soll zum Einsatz kommen, wenn die Polizei nach Verbrechern fahndet, indem es die Autonummern automatisch erfasst und mit einer Datenbank abgleicht.

Möglich ist aber auch die optische Erfassung der Fahrzeuginsassen. Und das ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr heikel (zentralplus berichtete). Die Kantonsrätinnen Laura Spring (Grüne) und Melanie Setz (SP) sind überzeugt, dass der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte nicht legal ist. Sie haben deshalb zusammen mit Kantonsrat Hans Stutz (Grüne) und weiteren Mitgliedern der Grünen, Jungen Grünen, SP und Juso beim Bundesgericht eine Klage eingereicht, um dies gerichtlich überprüfen zu lassen.

Bundesgericht zerzauste Solothurner Polizeigesetz

Erst letzten Monat hat das Bundesgericht einen Entscheid veröffentlicht, der sich mit der automatisierten Fahrzeugfahndung im Kanton Solothurn beschäftigt. Es hält darin klar fest: «Die bildliche Erfassung der Fahrzeuginsassinnen und -insassen ist nicht zulässig» (zentralplus berichtete).

Je nach Kamera, Gerät und Software können die Fahrerinnen so erfasst werden, dass sie identifizierbar sind. Das Luzerner Polizeigesetz verletzt aus Sicht der drei Politikerinnen eine Reihe von Grundrechten.

«Jede Person hat das Recht, frei von staatlicher Überwachung zu bleiben», schreibt Anwalt Viktor Györffy, der die Kantonsräte im Verfahren vertritt, in der Klage. Aus seiner Sicht handelt es sich bei der automatisierten Fahrzeugfahndung um «ein System der Massenüberwachung». Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte braucht es im Gesetz klare Vorgaben, in welchen Fällen ein solches System zum Einsatz kommen darf. «Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Bestimmung klarerweise nicht. Sie erweist sich somit als verfassungs- und konventionswidrig», heisst es in der Beschwerde weiter.

Plötzlich unter Verdacht – und keiner weiss warum

Auch die Möglichkeit, neue Analysesysteme zur Verhinderung von Straftaten einzusetzen, wollen die SP-Politikerin und die beiden Grünen überprüfen lassen. Im Luzerner Polizeigesetz – dem der Kantonsrat im Oktober mit grosser Mehrheit zustimmte (zentralplus berichtete) – steht nämlich nicht, welches Analysesystem eingesetzt werden soll oder welche Möglichkeiten dieses beinhaltet.

Es könnten Algorithmen entwickelt werden, die mehr oder weniger selbstständig eruieren, welche Daten relevant sind, welche Zusammenhänge bestehen und welche Schlüsse gezogen werden sollen. Vereinfacht gesagt: Das System könnte voraussagen, dass eine bestimmte Person Delikte begehen wird, ohne dass nachvollzogen werden kann, wie die «Maschine» darauf kommt. Ein solches Szenario würde gegen die Unschuldsvermutung verstossen, die für die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land essenziell ist.

Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass das Bundesgericht Teile des Luzerner Polizeigesetzes aufhebt. Bereits 2017 wies es den Luzerner Regierungsrat in die Schranken. Dieser wollte, dass die Kosten eines Polizeieinsatzes bei gewaltsamen Demos gleichmässig auf die Teilnehmer überwälzt werden. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass dies gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstösst. Geklagt hatten auch damals unter anderem Vertreterinnen der Grünen und der SP.

SP und Grüne kämpfen auch auf politischer Ebene

In der Beschwerde ans Bundesgericht werden vorsorgliche Massnahmen beantragt: Sie sollen verhindern, dass das neue Polizeigesetz überhaupt in Kraft tritt – weil andernfalls bei einer Gutheissung der Beschwerde eine Rechtsunsicherheit besteht beziehungsweise die Polizei im Nachhinein unrechtmässig gehandelt haben könnte.

Parallel hat Melanie Setz (SP) in ihrer Funktion als Kantonsrätin zusammen mit ihren beiden Mitstreitern einen Vorstoss eingereicht. In diesem fordert sie die Regierung auf zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil des Bundesgerichts betreffend Solothurn auf das Luzerner Polizeigesetz hat.

Verwendete Quellen
  • Beschwerde an das Bundesgericht
  • Vorstoss betreffend die Auswirkungen des Bundesgerichtsentscheids auf das Polizeigesetz
  • Mailaustausch mit Laura Spring
  • Medienmitteilung des Bundesgerichts
  • Bundesgerichtsurteil 1C_39/2021  (Solothurn)
  • Bundesgerichtsurteil 1C_502/2015 (Kosten bei Demonstrationen)
  • §4quinquies im Luzerner Polizeigesetz
  • Botschaft zur Änderung des Polizeigesetzes
  • «Big Brother»: Urteil am EGMR gegen Grossbritannien
  • Massenüberwachung: Urteil des EGMR gegen Schweden
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