200 Plätze fallen bald weg

Flüchtlinge in Bunker? Unumgänglich, sagt Luzern

Im Notfall greift der Kanton Luzern auf unterirdische Orte zurück, an denen Flüchtlinge untergebracht werden können. Im Bild: Grüne-Kantonsrätin Laura Spring. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock/zvg)

Ende Juni muss die Asylunterkunft Marienburg in Wikon schliessen. Noch sind dort 161 Flüchtlinge untergebracht. Gemäss der Regierung ist es unumgänglich, auf unterirdische Unterkünfte zurückzugreifen.

Für nicht weniger als 161 ukrainische Flüchtlinge muss der Kanton Luzern schon bald eine neue Bleibe finden. Noch sind diese in der temporären Asylunterkunft in Wikon untergebracht. Der Mietvertrag läuft bald aus, Ende Juni muss die Unterkunft schliessen. 200 Plätze fallen weg.

Die besagte Unterkunft sorgte in den letzten Monaten für Schlagzeilen (zentralplus berichtete). So klagten ukrainische Flüchtlinge über Demütigung und darüber, dass sie mit Geldbussen psychisch unter Druck gesetzt würden, wie die «Luzerner Zeitung» damals berichtete. Eine Aufsichts- und Kontrollkommission konnte keine Mängel feststellen.

Im Juni fallen 200 Plätze weg, der Kanton «prüft Optionen»

Doch wohin mit den Flüchtlingen? Das scheint auch der Kanton noch nicht so genau zu wissen. Wie der Regierungsrat in einer Antwort auf eine Anfrage von SVP-Kantonsrat Andy Wandeler festhält, prüfe er «verschiedene Optionen». Jene, welche alle Phasen des «Erstintegrationsprozesses» abgeschlossen hätten, würde der Kanton in einer Kantonswohnung platzieren. Dazu gehören jene, die unter anderem erste Deutschkenntnisse oder Wohnkompetenzen erlernt haben – wie Reinigen, Hygiene oder den Umgang mit Haushaltsgeräten. Für andere suche man einen Platz in einem anderen kantonalen Zentrum.

SVP-Politiker Andy Wandeler stellte noch weitere Fragen. Ob dem Kanton Missbrauchsfälle bekannt seien und ob die Gefahr bestünde, dass Menschen anderer Nationalitäten ukrainische Pässe kaufen würden. Und nicht zuletzt, wie es mit dem «Arbeitspotential» der ukrainischen Flüchtlinge stünde und den Kosten.

Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Asylunterkunft Marienburg seien der Regierung keine bekannt. Ob ein Schutzstatus zu Recht oder Unrecht erteilt wurde, könne er nicht sagen. Da verweist er auf den Bund. Wie auch bei der Frage, ob ukrainische Pässe von anderen Nationalitäten erkauft worden seien.

Marienbug in Wikon. Im Institutsteil rechts wohnen die Schutzbedürftigen aus der Ukraine
Die Marienbug in Wikon. Im Institutsteil rechts wohnen die Schutzbedürftigen aus der Ukraine. (Bild: Markus Mathis)

In der Marienburg leben zum grössten Teil Kinder

Die Regierung nennt auch einige Zahlen. In der Marienburg sind zum grössten Teil Kinder. 94 an der Zahl, davon 42 Mädchen und 52 Buben. Weiter gibt es 15 Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren und 52 Erwachsene – davon 33 Frauen und 19 Männer.

Die Globalpauschale für Personen mit Schutzstatus S liegt bei 1478 Franken – so viel kriegt der Kanton pro aufgenommenen Flüchtling vom Bund. Gemäss Aussage der Regierung könne man damit die Kosten für Unterbringung, Betreuung, Unterstützung und obligatorische Krankenversicherung vollständig decken.

Zusätzliche Kosten würden beim Unterrichten der Kinder in der Zentrumsschule der temporären Unterkunft in Wikon anfallen. Im Durchschnitt seien dafür 130 Stellenprozente nötig – pro Monat würden Löhne mit Sozialleistungen von rund 13'000 Franken bezahlt. Bei den insgesamt 60 Kindern, die dort zur Schule gehen, sind das monatlich rund 300 Franken pro Kind.

«Der Wohnungs- und Immobilienmarkt im Kanton Luzern ist angespannt, deshalb wird es zunehmend schwieriger, wegfallende Plätze zu ersetzen und zusätzlich neue Plätze zu schaffen.»

Der Luzerner Regierungsrat

Wandeler wollte weiter wissen, was den Flüchtlingen in den «Wohnfähigkeitskursen» genau beigebracht wird. Gemäss der Regierung würden einige ukrainische Flüchtlinge aus bescheidenen Wohnverhältnissen stammen. In diesen Kursen würden sie den korrekten Umgang mit Haushaltsgeräten lernen oder die üblichen Hygienestandards. Letztes Jahr seien insgesamt 128 solcher Kurse durchgeführt worden – die rund 70'400 Franken gekostet hätten.

Flüchtlinge in der Zivilschutzanlage – immer wieder Kritik

Grüne-Kantonsrätin Laura Spring hat ganz andere Sorgen. Nämlich, dass der Kanton Flüchtlinge in unterirdischen Notunterkünften unterbringt. Im Kanton sind zwei solche in Betrieb. Im März 2024 rief der Kanton die Asylnotlage aus – nicht zum ersten Mal (zentralplus berichtete). Diese erlaubt es unter anderem, dass Zivilschutzanlagen rascher zu Flüchtlingsunterkünften umgenutzt werden können.

Spring spricht von einem «schwerwiegenden Eingriff in die Würde und die Freiheit von asylsuchenden Menschen». Sie böten kaum Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten, das Leben unter dem Boden ohne frische Luft und Tageslicht könne sehr belastend sein, gerade für jene, welche traumatische Erfahrungen bei ihrer Flucht gemacht hätten. Umso mehr, wenn Flüchtlinge nicht wüssten, wie lange sie da bleiben, so Spring weiter. Mittels Anfrage wollte sie wissen, wie viele Menschen in den Zivilschutzanlagen in Dagmersellen und Schenkon leben – wie der Austausch zu der Bevölkerung sichergestellt werde und was der Kanton tue, damit Asylsuchende nicht in Bunkern untergebracht werden müssen.

Bunker? Nur im Notfall, aber «unumgänglich»

Die Regierung hält fest, dass Zivilschutzanlagen «nur im Notfall» als Flüchtlingsunterkünfte genutzt würden. Gleichzeitig räumt sie ein, dass sich die Lage verschärft hat. Im Kanton Luzern mussten rund 2400 neue Unterkunftsplätze für ukrainische Flüchtlinge und Asylsuchende aus anderen Ländern her. Die Lage wird sich auch nicht in absehbarer Zeit beruhigen.

Gemäss Prognosen des Bundes werden dem Kanton Luzern monatlich durchschnittlich 150 neue Personen für eine Unterkunft zugewiesen. Die Regierung schreibt: «Der Wohnungs- und Immobilienmarkt im Kanton Luzern ist angespannt, deshalb wird es zunehmend schwieriger, wegfallende Plätze zu ersetzen und zusätzlich neue Plätze zu schaffen.»

Deswegen sei es «aktuell und in den kommenden Monaten», «unumgänglich, einen Teil der notwendigen Plätze in unterirdischen Unterkünften bereitzustellen». Dies, um die vom Bund zugewiesenen Flüchtlinge unterbringen zu können.

Wie die Regierung ausführt, sollten Flüchtlinge «auf die kürzestmögliche Dauer» unterirdisch leben. Dies zu planen und die Flüchtlinge dementsprechend über die Dauer zu informieren, sei jedoch nicht möglich. Dies, weil das Staatssekretariat für Migration (SEM) Flüchtlinge und Asylsuchende mit nur einem Arbeitstag Vorlauf dem Kanton zuweise. Zumal das Schaffen neuer Plätze von vielem abhängig sei – wie der Verfügbarkeit und einer Baubewilligung.

Meistens werden alleinstehende Männer in Bunkern untergebracht

Im Kanton Luzern sind derzeit zwei Zivilschutzanlagen in Betrieb. In jener in Dagmersellen wohnen laut Angaben der Regierung derzeit 50 Personen – alles alleinstehende Männer aus der Türkei, Afghanistan und der Ukraine. In jener in Schenkon leben 16 Personen. Dort würden auch alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern untergebracht. Dies, weil es in Schenkon oberirdische Räume des angrenzenden Begegnungszentrums gebe, welche Flüchtlinge tagsüber nutzen könnten.

«Eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen ist unsere Aufgabe.»

Laura Spring, Luzerner Grünen-Kantonsrätin

Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen sei «laufend und mit Hochdruck» dran, neue Unterbringungsplätze zu suchen. Auch seien alle Luzerner Gemeinden schriftlich aufgefordert worden, potenziellen Wohnraum für Flüchtlinge und Asylsuchende zu melden. Einige Gemeinden hätten dies bereits gemacht.

In den vergangenen Monaten kommunizierte der Kanton bereits über zwei neue Unterkünfte. Ab April sollen im Haus Diamant bis zu 100 Personen während zweieinhalb Jahren unterkommen (zentralplus berichtete). In Triengen ist ein neues Asylzentrum geplant, in einer Wohncontainersiedlung sollen bis zu 80 Asylsuchende Platz kriegen (zentralplus berichtete).

Grünen-Kantonsrätin: «Regierung nimmt Situation ernst»

Grünen-Kantonsrätin Laura Spring ist mit den Antworten so weit zufrieden. Sie zeige, dass die Regierung die Situation ernst nehme und Alternativen organisiere. «Wir Grünen begrüssen es, dass die Regierung auch anerkennt, dass die unterirdische Unterbringung problematisch ist und daher auch kurzfristig Massnahmen ergreift, um die Situation zu verbessern», so Spring auf Anfrage. Es sei aber von allen noch mehr Engagement nötig, um unterirdische Unterkünfte künftig komplett zu verhindern.

Es brauche eine langfristige Planung, da die Anzahl der Asylsuchenden fluktuiere. Und weil die geopolitische Lage gerade in der Ukraine, in Afghanistan und in der Türkei angespannt bleibe. «Das können wir nicht so direkt beeinflussen, eine menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen, ist hingegen unsere Aufgabe.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 23.04.2024, 14:44 Uhr

    Im WK zB hatten wir manchmal 2 Wochen lang keine sanitären Einrichtungen. Ein Bach ein Bergsee war unserer Waschraum, Dusche der Regen!
    Trinkwasser? Das schönste war einmal nach dem Wochenende, mit Car angekommen, vom vom Tenu B in den Kämpfer zu steigen und dann 40 % Steigung 2 Std mit Sack und Pack zu einem Bergsee zu steigen! Dann im Hagel und finster, je ein Zweier-Zelt aufzustellen. Da übten wir eine Woche lang und kamen stinkend nach Hause! Drotz diesen Unannehmlichkeiten habe ich diese Erlebnisse genossen.

    Die Politiker, die finden die Asylanten brauchen ein 3 Stern Hotel, haben sicher noch keinen Militärdienst gemacht. Aber bitte verwöhnt die Asylanten, dass es noch mehr herumspricht, dass Europa ein Paradies ist. Putin wird noch helfen. Solche Politiker sind einfach Realitätsfremd und sollten eine Überlebungswoche absolvieren! Wenn Schweizer Soldaten in der Kaserne oder Bunker leben müssen, dann ist das selbstverständlich.

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    • Profilfoto von Christoph
      Christoph, 24.04.2024, 07:14 Uhr

      Lieber Hegard, die Ausgangslage für Militärdienst leistende Schweizer und bspw. ukrainische Flüchtlinge ist fundamental verschieden und beeinflusst entscheidend, welche Folgen der Bunkeraufenthalt hat. Militärdienst kann einen mit Stolz erfüllen, kann Zusammenhalt fördern, ist zeitlich begrenzt und findet parallel zu intakten Lebensverhältnissen statt. Für Flüchtlinge ist der Bunker immer mit Scham und noch grösserer Randständigkeit verbunden, verstärkt Probleme des Zusammenlebens, wird als zeitlich unbegrenzt empfunden und der Bunkeraufenthalt findet im Rahmen von traumatischen Lebenserfahrungen statt. Der Bunker ist Abschreckung und das Gegenteil von Integration. Das ist natürlich politisch so gewollt, wenn man sich die Stossrichtung der SVP anfragen vor Augen führt. Der Bunker wird katastrophale Folgen haben gerade für die Kinder, die dort über kurz oder lang landen werden, wenn die Regierung nicht den Kurs ändert.

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