Politikforscherin zu den Luzerner Wahlen

Erfolge von Grünen und Grünliberalen sind themenabhängig

Die GLP-Co- Präsidentin Riccarda Schaller darf einem weiteren Sitzzuwachs ihrer Partei entgegenblicken. Sofern ihre Themen in den nächsten Wochen bei den Wählerinnen weit oben stehen. (Bild: ewi)

Die Zürcher und die Baselbieter Regierungs- und Parlamentswahlen setzen einen leichten Rechtstrend. Grüne und Grünliberale brauchen für die Luzerner Wahlen eine Themenkonjunktur, die ihrer Agenda dient, wie eine Politikforscherin einschätzt.

Die Umfrageergebnisse der grossen Zürcher Medienhäuser «NZZ» und «Tagesanzeiger» vor dem letzten Zürcher Wahlsonntag gingen von leichten Verlusten der SP und der Grünen sowie Gewinnen der GLP, Mitte und FDP aus. Damit schien auch der Trend klar für die nationalen Wahlen im Herbst.

Nun ist die grüne Welle doch etwas zum Erliegen gekommen. Die SP hat im Zürcher Kantonsrat (total 180 Sitze) neu einen Sitz dazugewonnen (aktuell: 36 Sitze), während die Grünen drei Sitze verloren haben (2019: + 9 Sitze, aktuell 19 Sitze). Besser als die Grünen hat die GLP abgeschnitten, doch ist ihr Aufwärtstrend mit einem Plus von einem Sitz im Vergleich zu den letzten Wahlen 2019 (+ 9 Sitze, aktuell 24 Sitze) etwas gebrochen. Die SVP hat den Abwärtstrend mit einem dazugewonnenen Sitz stoppen können (2019: -9 Sitze, aktuell 46 Sitze) und die Mitte hat neu drei Sitze dazugewonnen.

Zeichen der Stabilität aus Zürich

Sarah Bütikofer, Politikforscherin, Herausgeberin von «DeFacto» und Projektpartnerin des Forschungsinstituts Sotomo, ordnet das Wahlergebnis mit einer gewissen Zurückhaltung ein: «Die Wahlen in Zürich haben nun vor allem Stabilität gebracht und können als normale Wahl in die Geschichte eingehen», sagt sie. «Keine der etablierten Parteien hat mehr als 1-2 Prozentpunkte an Wähleranteil gewonnen respektive verloren. Das ist eine ganz andere Situation als vor vier Jahren, als die GLP und die Grünen im Kantonsrat je neun Sitze gewannen und die SVP 9 beziehungsweise die BDP 5 verlor.» 

«Die Parteien, die mit einer prominenten engagierten Person für den Regierungsrat ihren Wahlkampf betreiben, profitieren doppelt, können damit also auch verstärkt für den Kantonsrat mobilisieren.»

Sarah Bütikofer

Während Zürich wiederholt den Trend setzte für die im Herbst des gleichen Jahres folgenden National- und Ständeratswahlen, verhält es sich etwas anders mit dem Kanton Basel-Land. Da verlieren SP (neu noch 20 Sitze) und Grüne (neu noch 12 Sitze) je zwei Sitze im 90-köpfigen Landrat. Der Zugewinn der GLP von 3 auf neu total 6 Sitze respektive einen aktuellen Wähleranteil von 8,4 Prozent liegt nur leicht über dem nationalen Wähleranteil der Grünliberalen von 7,8 Prozent gemäss Wahlergebnis 2019.

Vakanzen im Regierungsrat haben Einfluss auf Verteilung im Kantonsrat

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Luzerner Kantonsratswahlen? Das hänge stark von den vorherrschenden Themen ab. Die Politologin Sarah Bütikofer sagt grundsätzlich: «Für kantonale Wahlen gilt: Nationale und kantonale Themen halten sich bezüglich Einfluss in etwa die Waage.

«Die GLP kann nur dann weiter zulegen, wenn ihre Themen im Wahlkampf auch stark debattiert werden.»

Sarah Bütikofer

Im Gegensatz zum Kanton Zürich, wo alle bisherigen Regierungsrätinnen wieder angetreten und bestätigt worden sind, ergibt sich im Kanton Luzern mit drei Vakanzen bei fünf Sitzen eine ganz andere Ausgangslage (zentralplus berichtete). Bezogen auf Zürich, wo Nationalrätin Priska Seiler Graf mit ihrer zwar letztlich nicht durchschlagend erfolgreichen Kandidatur zusätzliche SP-Wähler mobilisiert hat, meint Sarah Bütikofer: «Die Parteien, die mit einer prominenten engagierten Person für den Regierungsrat ihren Wahlkampf betreiben, profitieren doppelt, können damit also auch verstärkt für den Kantonsrat mobilisieren.»

Themenkonjunktur bei Grünen und Grünliberalen entscheidend

Für die linken und grünen Parteien erachtet sie die aktuelle Stimmungslage als wesentlich. So sagt sie: «Die GLP kann nur dann weiter zulegen, wenn ihre Themen im Wahlkampf auch stark debattiert werden. Zudem ist die GLP bekannt für strategische Listenverbindungen, was ihr in der Vergangenheit schon mehrere Mandate eingebracht hat.»

Bei den Grünen ortet Sarah Bütikofer ein Abflauen der beiden wichtigen Themen Klima und Frauenvertretung, die dieser Partei 2019 viele Stimmen gebracht haben: «Schon ein Halten der damaligen Gewinne wäre für die Grünen ein Erfolg.» Bei der SP, die auf eine längere und erfolgreiche Parteigeschichte zurückblicken könne, zeige sich immer wieder, dass sie bei ihrer Stammwählerschaft gut zu mobilisieren wisse. So, indem sie diese persönlich anschreibt und auch anruft. Der SP attestiert sie eine gewisse Widerstandsfähigkeit und eine geringere Themenabhängigkeit als bei Grünen und Grünliberalen.

Grosse Verschiebungen im Luzerner Kantonsrat wenig wahrscheinlich

Sebastian Dissler, Parteisekretär der SP Kanton Luzern, freut sich über die jüngste Entwicklung in Zürich: «Das Resultat mit einem Sitzgewinn wider die Umfrageprognose ist motivierend für unsere Leute», sagt er. «Einmal mehr zeigt sich: Umfragen sind mit Vorsicht zu geniessen.»

«Wir wollen unverändert mit unseren Inhalten – wie beispielsweise dem Einsatz für zahlbare Wohnungen – überzeugen.»

Sebastian Dissler, Parteisekretär SP Kanton Luzern

Dissler spricht damit an, wie heikel es ist, Umfrageergebnisse, die im Toleranzbereich der statistischen Unschärfe ausscheren, zu einem Trend aufzubauschen. Während die grossen Zürcher Medienhäuser «Tagesanzeiger» und «NZZ» solche unabhängigen Umfragen im mehreren Wellen finanzieren, hat sich dies in Luzern nicht etabliert. Was Sebastian Dissler nicht bedauert. Eine Kursänderung nehme seine Partei im Wahlkampf nicht vor: «Wir wollen unverändert mit unseren Inhalten – wie beispielsweise dem Einsatz für zahlbare Wohnungen – überzeugen.»

Die Grünen bleiben optimistisch

Raoul Niederberger, Wahlkampfleiter der Grünen, findet, die Zürcher und die Luzerner Wahlen seien nicht eins zu eins vergleichbar. «Mit minus 1,5 Prozent in Zürich und noch immer 19 Sitzen und minus 3 Prozent in Basel mit noch 12 Sitzen haben wir zwar etwas verloren. Angesichts der grossen Sitzgewinne von 2019 ist das aber nicht sehr viel.»

Und er verweist auf die Grünen-Regierungsräte Isaac Reber (BL) und Martin Neukom (ZH), die deutlich bestätigt worden sind. Niederberger ist überzeugt: «Mit einem engagierten Wahlkampf können wir unseren Wähleranteil und unsere 15 Sitze im Luzerner Kantonsrat halten.»

Riccarda Schaller, Co-Präsidentin GLP des Kantons Luzern, findet, dass das Zürcher Wahlergebnis «erstaunlich stabil» ausgefallen ist. Aus Sicht der GLP sei positiv, dass die Partei sogar nach den grossen Sitzgewinnen 2019 nochmals einen Sitz gewonnen habe.

Den Erfolg im Kanton Basel-Land findet sie sehr erfreulich und erklärt ihn folgendermassen: «Die drei Sitzgewinne sind auf einen Nachholbedarf zurückzuführen, den wir in Basel-Land noch hatten.»

Prognose für die Wahlen in Luzern sei wegen Themen schwer

Obwohl der Aufwärtstrend der GLP etwas abflacht, erwartet sie, dass die GLP auch in Luzern weiter zulegen kann. Allerdings findet sie es schwierig, Prognosen zu stellen. «In den Themen Klima, Energieversorgung und Europa, haben wir als GLP eine klare Position mit einem Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir bei den Wählern zulegen können.» Diese Themen würden allerdings von anderen überlagert, so etwa der Unterbringung und Integration von Geflüchteten.

Wie die SP und die Grünen will auch die GLP in den kommenden Wochen vor allem mobilisieren. Riccarda Schaller ist überzeugt: «Ich sehe da bei uns noch sehr grosse Potenziale. Ich bin sicher, dass wir auf diesem Weg noch am stärksten zulegen können.»

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Sarah Bütikofer
  • Telefon mit Sebastian Dissler
  • Telefon mit Raoul Niederberger
  • Telefon mit Riccarda Schaller
  • Umfragen «Tagesanzeiger» und «NZZ» im Vorfeld der Zürcher RR und Parlamentswahlen 2023
  • Nach-Berichterstattung Zürich und Baselbiet
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3 Kommentare
  • Profilfoto von tore
    tore, 14.02.2023, 11:06 Uhr

    Falsches Foto? Müsste nicht ein Bild von Sarah Bütikofer gezeigt werden?

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 13.02.2023, 21:06 Uhr

    Eine Partei-Vizepräsidentin wird als „Politikforscherin“ befragt und analysiert auf der Basis von vom Proporzglück und -pech abhängigen Sitzgewinnen und -verlusten statt von Prozentzahlen. Wie seriös ist denn das?

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 14.02.2023, 07:20 Uhr

      Ich musste auch schmunzeln.

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