Drei von fünf Sitzen sind noch offen

Das ist für den 2. Wahlgang in der Stadt Luzern zu erwarten

SP-Kandidatin Melanie Setz starten mit einer komfortablen Ausgangslage in den zweiten Wahlgang. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Auf Anhieb gewählt haben die Stadtluzerner nur Korintha Bärtsch (Grüne) und Beat Züsli (SP) in den Stadtrat. Für die restlichen drei Sitze muss die Stimmbevölkerung am 9. Juni erneut an die Urne. Das ist die Ausgangslage.

Den ersten Namen, den Stadtschreiberin Michèle Bucher als gewählten Stadtrat verkündet, ist wenig überraschend: Beat Züsli. Der bisherige SP-Stadtrat kann sein Amt als Stadtpräsident mit den meisten Stimmen (11'051) souverän verteidigen. Überraschender kam der zweite Name: Es ist nicht die Bisherige Franziska Bitzi (Mitte), sondern Grüne-Kandidatin Korintha Bärtsch (zentralplus berichtete).

Mehr Namen wurden nicht verkündet – lediglich Bärtsch und Züsli wurden im ersten Wahlgang gewählt. Das bedeutet: Drei der fünf Sitze sind noch offen. Und die Luzerner Stimmbevölkerung hat noch nicht ganz Ruhe vom Wahlmarathon der letzten 13 Monate. Bereits kurz nach den Wahlen haben Franziska Bitzi (Mitte), Marco Baumann (FDP) und Stefan Sägesser (GLP) angekündigt, auch am 9. Juni wieder anzutreten.

Die restlichen Kandidaten sind weniger sicher. Gerade auch die Strategie der SVP: Deren Kandidat Peter With liess sich weder im Wahlzentrum im Stadthaus blicken noch reagierte er auf Kontaktversuche. In einer späteren Medienmitteilung hielt die kantonale SVP fest, dass die verschiedenen Kandidaten für den 2. Wahlgang erst noch diskutiert und bestimmt werden müssen. Und der städtische Parteipräsident Dieter Haller verwies auf die Mitgliederversammlung vom Mittwoch.

Basierend auf den Resultaten vom Wahlsonntag leitet zentralplus drei wahrscheinliche Szenarien ab:

Szenario 1: Linke mit SP gegen Bürgerliche mit GLP

Ein sehr wahrscheinliches Szenario – das auch bereits Politologe David Fischer vor gut einem Jahr vorhersagte – ist eine Wiederholung der Wahl von vor vier Jahren (zentralplus berichtete). Die SP, Grünen und ihre Jungparteien setzen alles auf die Karte Melanie Setz (SP), um die sehnlichst erhoffte links-grüne Mehrheit in der städtischen Exekutive zu erhalten.

Ihre Chancen stehen gut: Im ersten Wahlgang hat Setz mit 10'030 Stimmen das viertbeste Resultat erzielt. Das absolute Mehr verpasste sie um knapp 500 Stimmen. Um mehr linke Wählerinnen zu mobilisieren, könnte sich ihre Strategie bei den Regierungsratswahlen wiederholen. Damals stellte sich Jungkandidatin Chiara Peyer (Junge Grüne) erneut zur Wahl, um ein rein linkes Ticket zu ermöglichen (zentralplus berichtete). Im Gespräch mit zentralplus schloss Juso-Kandidatin Zoé Stehlin einen Antritt im zweiten Wahlgang denn auch nicht aus.

Könnten im zweiten Wahlgang erneut gemeinsam kämpfen: Franziska Bitzi (Mitte) und Stefan Sägesser (GLP). (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Die Bürgerlichen hingegen würden sich hinter Marco Baumann (FDP), Franziska Bitzi (Mitte) und Stefan Sägesser (GLP) zusammenraufen. Damit würden sie verhindern, dass sich die bürgerlichen Stimmen auf zu viele Kandidaten verteilen. Während die Wahl von Baumann und der bisherigen Finanzdirektorin Bitzi sehr wahrscheinlich ist, ist der bisherige GLP-Sitz, den Sägesser für die nicht wieder angetretene Manuela Jost verteidigen möchte, sehr wackelig.

Eingeschüchtert vom guten Resultat von Melanie Setz (SP), würden sich die Bürgerlichen in diesem Szenario erneut hinter die GLP stellen, um einen zweiten linken Sitz zu verhindern. Dies würde bedingen, dass Peter With sich zurückzieht. Dafür spräche, dass Sägesser im ersten Wahlgang mehr Stimmen geholt hat als With. Zudem könnte sich die Allianz auf den Standpunkt stellen, dass der fünfte Sitz bis anhin den Grünliberalen «gehörte».

Szenario 2: Linke mit SP gegen «Chrüsimüsi» bei den Bürgerlichen

Szenario 1 bedingt, dass Peter With zähneknirschend das Handtuch wirft, damit eine bürgerliche Allianz den zweiten SP-Stadtratssitz verhindert. Doch: Die SVP hat bereits im ersten Wahlkampf für sich allein gekämpft (zentralplus berichtete). Denkbar wäre es also auch, dass Peter With wie vor acht Jahren alles auf den zweiten Wahlgang setzt und dabei die GLP-Kandidatur bekämpft (zentralplus berichtete). Dass With – bei einem allfälligen Scheitern in diesem Jahr – ein drittes Mal bei den Stadtratswahlen in vier Jahren antritt, ist unwahrscheinlich. Deshalb könnte er im 2. Wahlgang 2024 umso mehr alles auf diese Karte setzen.

Die Mitte, FDP und GLP würden derweil wie im ersten Wahlgang auf ihre Zentrumsallianz setzen. Auch wenn es im ersten Wahlgang nicht ganz gereicht hat, haben Franziska Bitzi (Mitte) und Marco Baumann (FDP) immerhin Platz drei und fünf belegt. Und mit GLP-Kandidat Stefan Sägesser haben sie das Argument der Konkordanz auf ihrer Seite, um die doch starke linke Kandidatin Melanie Setz (SP) zu bekämpfen.

Stehen Marco Baumann (FDP, rechts) und Stefan Sägesser (GLP, zweiter von links) am 9. Juni wieder Schulter an Schulter? (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Szenario 3: GLP wechselt die Seite und profitiert von linken Wählern

Weniger wahrscheinlich – aber trotzdem möglich – wäre, dass die GLP mit den linken Parteien paktiert. Während die Bürgerlichen mit Marco Baumann (FDP), Franziska Bitzi (Mitte) und Peter With (SVP) noch einige Kandidaten ins Trockene holen müssten, können sich die vereinten linken Kräfte auf Kandidatin Melanie Setz (SP) fokussieren.

Eine GLP-SP-Allianz gäbe es in jüngster Zeit nicht zum ersten Mal. Um die drohende Abwahl von Manuela Jost zu verhindern, schlossen die Grünliberalen mit den Sozialdemokraten 2016 einen geheimen Deal. Fährt Jost bei bestimmten Themen einen linken Kurs, erhält sie die Unterstützung der linken Parteien. Die Wahl gelang – auch wenn Jost dadurch Kritik einfuhr (zentralplus berichtete). Auch könnten die Linken bei der Unterstützung mit Kontinuität argumentieren: Zwar hat die SVP rein rechnerisch einen grösseren Stimmenanteil als die GLP, jedoch hatten die Grünliberalen den Sitz bisher inne. Und übernahmen dabei eine Vermittlerrolle zwischen den klar positionierten Flügeln in der städtischen Exekutive.

Welches dieser Szenarien – oder noch ein anderes – es letztlich wird, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Klar ist: es bleibt spannend.

Verwendete Quellen
  • Ergebnisse des 1. Wahlgangs in der Stadt Luzern
  • Augenschein vor Ort
  • Persönliche Gespräche mit Kandidaten vor Ort
  • Telefonat mit Dieter Haller, Präsident SVP Stadt Luzern
  • Medienmitteilung SVP Kanton Luzern
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