Kunstraub am Fumetto-Festival in Luzern

«Der Diebstahl hat den Wert des Bildes gesteigert»

Klaffende Lücke auf bordeauxrotem Hintergrund: Ist das Kunst oder wieso ist das Bild weg? (Bild: zvg)

Das Fumetto Comic Festival präsentiert seit letztem Samstag an 40 Standorten in der ganzen Stadt Luzern die Werke der internationalen Comic-Szene. In der Jazzkantine, einem der Ausstellungsorte, ist die Freude jedoch getrübt. Denn: Am Montag kam es dort zu einem Kunstraub. Die Künstlerin Zaide Kutay ist darüber nicht nur empört.

Im Untergeschoss der Jazzkantine schmücken die schwarzweissen Prints der beiden Künstlerinnen Zaide Kutay und Anna Caiata die bordeauxroten Wände. Am 1. April werden dort «The Birthday Girls» auftreten. Sie haben als allererste Schweizer Band bei BBC ein Live-Konzert gespielt und waren «Best Talent» bei SRF. Doch dieser Artikel dreht sich nicht um Indie-Rock. Wenn die fünf Zürcher die Bühne besteigen werden, ist die Ausstellung von Kutay und Caiata passé. Bis dahin bleiben ein paar wenige Tage, um die Geschichte eines mysteriösen Kunstraubs zu erzählen.

Anti-Drogen-Hit als Inspiration

Im Rahmen einer einmonatigen Kollaboration haben Zaide Kutay und Anna Caiata ihre Lieblingssongs im Comic-Style auf Papier gebracht. Eines der Lieder heisst «Willst du» und ist der Anti-Drogen-Hit des deutschen Rappers Alligatoah. Das Bild dazu hat Zaide Kutay gemalt. «Den Song haben wir im Vorkurs der Kunsthochschule oft gehört», sagt Kutay gegenüber zentralplus. Dort hat sie auch Anna Caiata kennengelernt. «Da schwingt schon etwas Nostalgie mit», sagt die Künstlerin. «Ich mag das Bild sehr.»

«Genervt haben mich vor allem die Leute, die meinten, wir seien selber Schuld, weil wir die Bilder da unten unbeaufsichtigt ausgestellt haben.»

Sylvan Müller, Jazzkantine

Das ging wohl auch der Person so, die sich das Kunstwerk am Montag unter den Nagel riss – und an der bordeauxroten Wand eine klaffende Lücke hinterliess. Kutay bedauert den Diebstahl. Immerhin: «Das Bild ist nicht besonders teuer. Vielleicht hätte ich es dieser Person gar geschenkt, wenn sie das unbedingt gewollt hätte», sagt sie.

Jazzkantine sucht Kunsträuber via Social Media

Weniger verständnisvoll zeigt sich Sylvan Müller von der Jazzkantine. Sein Facebook-Post mit der Bitte, das Bild doch zurückzubringen, wurde über hundertmal geteilt. Dementsprechend viele Reaktionen gelangten an den Mitinhaber des Lokals im Löwengraben.

«Ich würde der Person sagen, dass ich das Bild gemalt habe. Und es dann dort hängenlassen.»

Zaide Kutay, Künstlerin und Filmemacherin

«Der Diebstahl nervt mich wahnsinnig. Doch fast noch mehr haben mich die Leute genervt, die meinten, wir seien selber Schuld, weil wir die Bilder da unten unbeaufsichtigt ausgestellt haben», erklärt Müller seine schlechte Laune. «Müssen wir ernsthaft davon ausgehen, dass jederzeit alles geklaut werden kann?»

Der Facebook-Post sei ein halbherziger Versuch gewesen, das Bild zurückzubekommen. Doch Müller scheint nicht mehr damit zu rechnen. Er werde den Fall der Diebstahlversicherung melden und Kutay anstelle ihres Bildes Geld in die Hand drücken müssen.

Bild erzählt jetzt eine neue Geschichte

zentralplus möchte von Zaide Kutay wissen, was sie machen würde, wenn sie das Bild in einem fremden Wohnzimmer sähe. «Das fände ich witzig. Ich würde der Person sagen, dass ich dieses Bild gemalt habe. Und es dann dort hängenlassen.» Denn, so Kutay weiter: «Das ist nun mal die neue Geschichte, die dieses Bild jetzt erzählt.»

«Mir gefällt die Arbeit von Zaide Kutay und Anna Cataia sehr.»

Sylvan Müller, Jazzkantine

Auch die Lücke auf der bordeauxroten Wand in der Jazzkantine sei Teil dieser Geschichte. «Darum haben wir die Lücke offen gelassen», erklärt die Künstlerin, die nach Abschluss ihres Animationsstudiums an der Kunsthochschule in der Filmszene Fuss gefasst hat.

Dem Kunstraub kann sie durchaus auch Positives abgewinnen. «Ich fühlte mich fast ein bisschen geehrt», erzählt Kutay von ihrer Reaktion auf die Mitteilung, dass sie Opfer eines Kunstraubs geworden ist. Zudem sei das Interesse an ihren Werken durch den Facebook-Post und die Medienberichterstattung deutlich gestiegen. Und: «Das Bild hat durch den Diebstahl an Wert gewonnen.» Trotzdem: Der Dieb solle die Hommage an Alligatoahs Anti-Drogen-Hit zurückbringen.

Kopie kann legal gekauft werden

Auch ohne das Kunstwerk – oder eben mit der Kunst gewordenen Lücke – lohnt sich ein Besuch der Fumetto-Ausstellung in der Jazzkantine. Während im Untergeschoss die schwarzweissen Prints ausgestellt sind, hängen oben die farbigen Bilder von Zaide Kutay und Anna Caiata. «Auch die Fenster haben sie bemalt», erzählt Sylvan Müller. Er sei mehr als zufrieden mit den beiden Künstlerinnen, die das Fumetto der Jazzkantine zugeteilt haben. «Mir gefällt die Arbeit der beiden sehr», schwärmt er.

Einblicke in die Kunst erhältst du in der Bildergalerie:

Kunsträuber nutzt Anonymität der Post

Kurz vor Redaktionsschluss erreicht zentralplus die Nachricht, dass die Jazzkantine ein Paket erhalten hat. Per Post sei das Bild unbeschadet in die Jazzkantine geliefert worden. Die Erleichterung ist Sylvan Müller (auf dem Foto) anzusehen. Die Kollektion ist wieder komplett, das fehlende Lied wieder Teil der visualisierten Playlist Kutays und Caiatas.

Sylvan Müller von der Jazzkantine mit dem retournierten Bild der Künstlerin Zaide Kutay.

Doch ob die Jazzkantine und die Künstlerinnen das Bild wieder aufhängen werden oder nicht, wurde noch nicht entschieden. In beiden Fällen hat der Kunstraub Geschichte geschrieben. Eine Geschichte, die beim deutschen Rapper Alligatoah begann und nun im Löwengraben seine Fortsetzung findet.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Zaide Kutay, Künsterlin und Filmemacherin
  • Telefonat mit Sylvan Müller von der Jazzkantine
  • Website der Band The Birthday Girls
  • Artikel zu Alligatoahs Lied «Willst du» auf Wikipedia
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon