Luzerner über radikalste Form der Verhütung

Jung, kinderlos, sterilisiert

Kinderlos glücklich. (Bild: Adobe Stock)

«Ich hatte nie einen Kinderwunsch»: Das sagt eine 32-jährige Luzernerin. Sie und ihr Partner haben sich für eine Sterilisation entschieden. Drei Erfahrungsberichte von jungen Menschen – die sich haben unterbinden lassen oder mit dem Gedanken spielen.

Nicht jeder möchte Kinder. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für ein kinderfreies Leben. Für manche ist der Entscheid so definitiv, dass sie zur radikalsten Verhütungsmethode greifen: die Sterilisation. Zwei junge Menschen aus Luzern erzählen über ihre Beweggründe und die gemachten Erfahrungen.

Isabel (32): Erst wolle sie, dann ihr Partner sich sterilisieren lassen

«Ich hatte nie einen Kinderwunsch. Weder als Teenie noch Anfang 20. Da denkt man nicht an Kinder – ich zumindest nicht. Je älter ich wurde, desto mehr realisierte ich: Der Wunsch ist nicht da. Überhaupt nicht.

Als Freunde und Freundinnen um mich herum Kinder kriegten, löste das nichts in mir aus. Ich freue mich für sie, gehe gerne zu Besuch und ich mag auch die Kinder. Aber ich gehe immer wieder glücklich nach Hause und denke mir: Ich bin froh, ist dies nicht mein Leben.

Klar, es gab immer wieder Momente, in denen ich mich selbst hinterfragte – je nach Hormonstatus. Es gab Augenblicke, in denen ich dachte: Doch, eigentlich wäre es herzig, eigene Kinder zu haben. Nach fünf Minuten war dieses Gefühl jeweils wieder verflogen.

Wir merkten beide, dass wir zu zweit glücklich sind.

Mit meinem heutigen Mann kam ich zusammen, als ich 20 Jahre alt war. Hin und wieder war die Familienplanung am Rande ein Thema. Als ein Freund von ihm Kinder kriegte, meinte er beiläufig: ‹Vielleicht haben wir ja auch mal Kinder.› Ich sagte dann, dass ich das weniger sähe. Später sagte ich ihm offen, dass ich immer noch keinen Wunsch nach Kindern habe. Ich wollte wissen, wie es bei ihm aussieht. Auch er wollte keine. Wir merkten beide, dass wir zu zweit glücklich sind – mit unseren Pferden und unserem Hund. Und dass uns ja nichts fehlt. Wir beide sind Scheidungskinder – vielleicht spielt das auch noch ein bisschen mit.

Mittlerweile ist es ein bewusster Entscheid gegen Kinder. Ich müsste so viel aufgeben und mein Leben komplett umstrukturieren. Das klingt jetzt vielleicht egoistisch, aber ich möchte das einfach nicht. Ich könnte nicht mit voller Überzeugung Ja zu einem Kind sagen.

Mit 25 Jahren sprach ich meine Frauenärztin auf eine mögliche Sterilisation an. Ich vertrage hormonelle Verhütungsmethoden wie die Spirale nur schlecht. Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, Gewichtsabnahme – mein Hormonhaushalt war total durcheinander. Und je älter ich wurde, desto mehr merkte ich, wie unsicher die anderen Verhütungsmethoden sind. Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen, schwanger zu werden – und dann im schlimmsten Fall abtreiben zu müssen.

Meine Frauenärztin meinte, ich sei zu jung für eine Sterilisation. Da ich keine Kinder hätte, werde es wohl schwer, jemanden zu finden, der diesen Eingriff durchführe. Auch hat sie mich über alle möglichen Risiken aufgeklärt, was mich ein wenig einschüchterte.

Ich fühlte mich nicht ernst genommen. Ich kann für mich und meinen Körper selbst entscheiden. Schliesslich bin ich diejenige, die mit den Konsequenzen leben muss.

«Von mir ist eine riesige Last abgefallen.»

Ich hab das Ganze dann ein wenig auf die Seite geschoben, aber auch mit meinem Partner darüber gesprochen. Eines Abends kam er nach Hause und erzählte, dass sich einer seiner Arbeitskollegen sterilisieren liess.

Dadurch wurde alles viel greifbarer. Er fragte mich, was ich davon hielte, wenn er sich sterilisieren liesse. Denn er wollte nicht, dass ich wieder Hormone zu mir nehmen muss.

Schliesslich meldete er sich bei einem Urologen. Ziemlich schnell war alles beschlossene Sache, bei ihm war es so viel einfacher als bei mir. Zudem ist der Eingriff selbst bei Männern wesentlich leichter und auch risikoärmer als bei Frauen durchzuführen. Innert drei Monaten – von der Erstkontaktaufnahme bis zum Eingriff – war alles erledigt, mein Mann sterilisiert.

Von mir ist eine riesige Last abgefallen. Wir müssen uns keine Gedanken mehr über die Verhütung machen.

Ob wir den Entscheid irgendwann bereuen? Man kann nie sagen, was in fünf, sechs Jahren sein wird. Allgemein treffe ich aber Entscheidungen und gehe meinen Weg. Ich habe noch nie gedacht: Ach, hätte ich mich damals doch anders entschieden. Ich denke, das wird beim Kinderwunsch und bei der Sterilisation meines Mannes auch so sein.

Spannend waren aber die Reaktionen des Umfelds. Als wir heirateten, fragten uns manche – die wussten, dass wir keine Kinder wollen – erstaunt, warum wir denn überhaupt heiraten wollen. Andere, die nicht wussten, dass wir keinen Kinderwunsch haben, fragten, wann denn die Kinder kämen.

Ich kann mit diesen Aussagen und Fragen locker umgehen. Aber vermutlich kann das nicht jeder. Wenn ein Paar schon lange versucht, erfolglos schwanger zu werden, oder Fehlgeburten hinter sich hat, können solche Fragen einen sehr treffen.»

Stefan*: Zweimal zum Arzt, zweimal nach Hause geschickt

«Ich weiss eigentlich schon längst: Ich möchte keine Kinder. Immer wieder werde ich gefragt: Warum? Ich weiss es selbst nicht. Vielleicht, weil mir meine Eltern vorgelebt haben, es sei mühsam, Kinder zu haben.

«Warum muss man sich gegenüber einem hypothetischen Kind verantworten?»

Viele trauen sich nicht zu sagen, dass sie einfach keinen Kinderwunsch haben. Auch Männer müssen sich rechtfertigen, und werden schief angeschaut. Wie so viele habe auch ich mir Argumente bereitgelegt, weil ich mich genötigt fühlte, das ‹Warum› zu beantworten. Dass sie eine finanzielle Belastung sind, man als Eltern unglaublich viel Verantwortung übernehmen muss und Unabhängigkeit verliert und so weiter und so fort.

Warum muss man sich gegenüber einem hypothetischen Kind verantworten? Heute habe ich diese Argumente längst vergessen. Ich habe schlicht und einfach keinen Wunsch nach eigenen Kindern. Die meisten akzeptieren dies, können meine Entscheidung aber nicht ganz nachvollziehen.

Anfang 20 ging ich das erste Mal zu einem Arzt und sagte ihm, dass ich eine Sterilisation möchte. Er meinte, dass ich noch zu jung sei und nicht wisse, was ich möchte. Mit etwa 26 Jahren ging ich erneut zu einer Ärztin. Auch sie meinte, dass dies in ein paar Jahren anders aussehen würde.

Ein Teil in mir dachte bei beiden Arztbesuchen: Lasst mich doch. Es ist mein Leben. Ein anderer Teil in mir fühlte sich verunsichert. Vielleicht wusste ich ja wirklich nicht, was ich möchte.

«Bei uns war es effektiv der Trennungsgrund, dass ich keine Kinder haben will.»

Ich habe meinen Wunsch nach einer Sterilisation aufgeschoben. Auch meiner Ex-Freundin zuliebe, weil sie meinte, dass es ein zu definitiver Entschluss sei.

Bei uns war es effektiv der Trennungsgrund, dass ich keine Kinder haben will. Ich war von Beginn an ehrlich zu ihr, auch nach einigen Monaten Beziehung sagte ich ihr, dass ich keine Kinder möchte. Bei ihr ist es anders. Sie ist ein absoluter Familienmensch.

Ein Teil von mir hoffte, dass sie sich vielleicht doch noch gegen Kinder entscheidet. Und ein Teil von ihr hoffte, dass ich vielleicht doch eines Tages Kinder möchte. Doch so kam es nicht.

Monatelang reflektierte ich meine Haltung. Sie war etwas über 30 Jahre alt, als ich ihr sagte, dass ich nach wie vor keinen Kinderwunsch habe. Und dass sie für sich alleine entscheiden muss, was sie möchte. Ich wollte ihr die Chance geben, dass wenn sie nach wie vor unbedingt Kinder möchte, jemand Neues kennenlernen kann, mit dem sie etwas aufbauen und eine Familie gründen kann. Alles andere wäre unfair gewesen.

Es ist nicht einfach, zu merken, dass die Beziehung ein Ablaufdatum hat. Es ist nicht einfach, sich von jemandem zu trennen, obwohl man das gar nicht möchte.

Seit unserer Trennung spiele ich wieder öfters mit dem Gedanken, mich sterilisieren zu lassen. Ob ich Angst habe, eine Partnerin zu finden, die auch keinen Kinderwunsch hegt? Vielleicht ein bisschen.»

Mike (29): Nach zwei Kindern ist die Familienplanung abgeschlossen

«Ich habe mich sterilisieren lassen, im Sommer 2023. Ich habe bereits zwei Kinder. Meine Familienplanung ist damit abgeschlossen, da ich auch später nicht mehr Kinder möchte. Ein weiterer Grund ist, dass meine Partnerin und ich nun beim Sex komplett auf Verhütungsmittel wie Kondome oder hormonelle Methoden verzichten können.

Der Eingriff ging relativ schnell. Als ich in der Praxis angerufen habe, war für mich schon klar, was ich wollte. Darum war kein Beratungsgespräch nötig. Zwei Wochen später bekam ich einen Termin.

«Bis auf ein dumpfes Ziehen habe ich eigentlich nichts gespürt.»

Als der Tag kam, war ich recht nervös. Nach dem Ausfüllen eines kurzen Fragebogens konnte ich in den Behandlungsraum gehen. Dort bekam ich als Erstes eine Betäubungsspritze in den Hodensack. Das war auch das, was mir am meisten Schmerzen bereitet hat. Der Eingriff an sich ging nur eine Stunde. Links und rechts vom Hoden gabs einen kleinen Schnitt, durch diese ist der Arzt rein und hat die beiden Samenleiter durchtrennt. Bis auf ein dumpfes Ziehen habe ich eigentlich nichts gespürt.

Nach der Operation bekam ich einen Verband um den Hoden, dann durfte ich bereits nach Hause. Schmerzen hatte ich keine mehr. Nach etwa zwei Wochen gab es einen Kontrolltermin, es war alles so weit verheilt, wie es musste. Nach drei Monaten musste ich eine Samenprobe abgeben, damit der Arzt sicherstellen konnte, dass auch keine Spermien mehr in der Samenflüssigkeit nachweisbar sind und die Unfruchtbarkeit damit gegeben ist.»

*Stefan heisst eigentlich anders.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Isabel
  • Persönliches Gespräch mit Stefan*
  • Schriftlicher Austausch mit Mike
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