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Luzern sollte Potenzial aus Zuwanderung nutzen

Fachkräftemangel: Fakten statt diskriminierende Tendenzen

Nicht nur in der Pflege wird der Fachkräftemangel in Luzern weiter zunehmen. (Bild: Symbolbild: pexels)

Trotz Zuwanderung herrscht im Kanton Luzern ein Fachkräftemangel – weil angeblich die «Falschen» kommen. Die Luzerner Politikerin Karin Stadelmann (Die Mitte) ist hingegen der Meinung, dass man das wirtschaftliche Potenzial besser nutzen sollte, statt diskriminierende Tendenzen zu stärken.

Vergangenen Samstag wurde ich auf einem Podium gefragt, was ich politisch zum Thema «Zuwanderung und Fachkräftemangel» denke. Anlass zu dieser Frage ist die Diskussion «Es kommen die Falschen und es kommen zu viele.»

Meine Antwort: Es gilt, Fakten zu kommunizieren statt diskriminierende Tendenzen zu stärken. Ich sehe in der Zuwanderung und beim Fachkräftemangel eine der grössten politischen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Nicht nur wegen der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine, sondern generell aufgrund der demographischen Entwicklung. Wir haben schwierige Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, in der Bevölkerung und beim sozialen Zusammenhalt zu bewältigen.

Diese fordern alle Instanzen; von der Gemeinde beziehungsweise der Stadt über den Kanton Luzern bis hin zum Bund. Ein Blick auf das aktuelle Sorgenbarometer der CS (2022) zeigt: Die Zahl der Befragten, welche eine negative Entwicklung ihrer individuellen wirtschaftlichen Lage befürchten, war noch nie so hoch. Politisch gilt es, diese Sorge ernst zu nehmen. Doch wo und wie kann angesetzt werden?

Luzerner Gemeinden wachsen unterschiedlich schnell

Zuerst einmal muss diese «Spalt-Rhetorik» verschwinden. Dieses «Hin und her» zwischen Gemeinden und Kanton (Kontingente) sowie Kanton und Bund (Asylstatus) sorgt für Unmut. Es gibt gesetzliche Grundlagen, aber es gibt auch Fakten. Diese gilt es zu kommunizieren und das fehlt in der aktuellen Debatte.

Die Stadt Luzern ist in den letzten Jahrzehnten um rund 7 Prozent, Emmen um 40 Prozent, Sursee um 37 Prozent gewachsen. Das Wachstum ist nicht überall im Kanton gleich. Das bedeutet, die Strategie für eine Siedlungs- und Wirtschaftspolitik muss auf Gemeindestufe angegangen, aber zugleich vom Kanton unterstützt werden. Wir haben unseren Wohlstand in der Schweiz und im Kanton Luzern auch der Zuwanderung zu verdanken.

Bewilligungsverfahren für Erwerbstätigkeiten dauern zu lange

Keine Studie belegt eine Verdrängung der ansässigen Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt. Auch die aktuell geltenden Kontingente für ausländische Erwerbstätige werden nicht von allen Kantonen ausgeschöpft. Doch diese zu reduzieren, das kann nicht der richtige Weg in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Lage und den Nachwirkungen von Corona sein. Wir brauchen eine sozial- und wirtschaftsverträgliche Integrationsstrategie. Wir müssen das wirtschaftliche Potenzial von uns, den ausländischen Fachpersonen und damit der Zuwanderung für die Wirtschaft besser nutzen.

Aktuell arbeiten erst 15 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine. Firmen in und um Luzern melden, dass sie zwar den Inländervorrang begrüssen, aber es schlicht zu wenig Fachkräfte gibt und die administrativen Hürden für die Anstellung ausländischer Personen noch immer zu hoch sind.

Anstatt medial und hinter vorgehaltener Hand zu diskutieren, ob die Geflüchteten ein Auto besitzen, oder ob sie später eigentlich wieder zurückkehren, brauchen wir eine zügigere Prüfung der Bewilligungsverfahren für Erwerbstätigkeiten. Wir müssen die Sorgen der lokalen Bevölkerung bezüglich ihrer wirtschaftlichen Lage und der eigenen Kaufkraft ernst nehmen, zugleich eine klügere Integration von ausländischer Fachkompetenz anstreben.

Wirtschaftliche Herausforderungen, Zuwanderung und weiterer Handlungsbedarf

Bei all den wirtschaftlichen Herausforderungen und der Zuwanderung dürfen wir die demographische Entwicklung und die Bedürfnisse von uns Luzernerinnen nicht vergessen. Auch hier gibt es einen Fakt: Bis 2030 werden wir eine 30-Prozent-Zunahme an Menschen über 80 Jahren haben. Der Pflege- und Betreuungsbedarf wird steigen.

Diese Arbeit können wir nicht auch noch den Familien und Angehörigen und besonders den Frauen aufbürden. Denn, und das ist auch ein Fakt, Frauen leisten immer noch viel mehr Betreuungsarbeit. Sei es für Kinder, für Angehörige oder beruflich im Sozial- und Pflegebereich. Und das immer noch unter teils schwierigen Bedingungen im Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie und weniger Anerkennung. Anbei auch hier noch ein Fakt: Das wird nicht nur von uns, sondern auch von den ausländischen Fachpersonen kritisiert.

Die einleitend aufgeworfene Frage nach «Zuwanderung und Fachkräftemangel» rückt einen brisanten und spannungsreichen Handlungsbedarf ins Licht. Die wirkliche politische Diskussion darf nicht über die drohende Überbevölkerung und das «Zuviel» kreisen, sondern um Fakten und das Nutzen des wirtschaftlichen Potenzials für unseren Kanton Luzern.

Verwendete Quellen
  • Wachstum Bevölkerung: Bfs Bevölkerungswachstum der Schweizer Städte zwischen 1981 und 2021 (in Prozent) sowie die Einwohnerzahl am 31. Dezember 2021
  • Postulat P 793 / P 1054
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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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