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Historische Versammlung im Restaurant «Lädeli»

Wie Luzerner Polizisten bei den Kommunisten versagten

Im «Lädeli» ab der Baselstrasse sprach ein deutscher Kommunist bei einer Versammlung am 31. Juli 1924 – dies liess die Schweizer Bundesanwaltschaft aufhorchen. (Bild: Stadtarchiv Luzern: F2a/BASELSTRASSE 0.08.01. Foto: Erni, Josef)

Die kommunistische Bewegung Luzerns ist nicht gross. Dennoch wird sie von Regierung und Polizei als gefährlich wahrgenommen und stellte 1923 gar einen Stadtrat. Trotzdem werden Kommunisten von der Staatsgewalt überwacht – und ihr Stadtrat Walker wohl als Marionette der Regierung genutzt.

Am 31. Juli 1924 machen sich die beiden Luzerner Polizisten Auchli und Bucher für einen Einsatz bereit. An diesem Abend findet im «Lädeli», einem Restaurant auf der Baselstrasse, eine Veranstaltung statt. Den Gerüchten zufolge spricht ein deutscher Reichstagsabgeordneter vor. Seine politische Gesinnung lässt die Schweizer Bundesanwaltschaft aufhorchen. Denn der Sprecher ist Kommunist.

Auchli und Bucher sollen sich unerkannt in die Versammlung einschleusen und die Identität des Sprechers feststellen.

Den Hinweis auf das konspirative Treffen erhalten sie direkt aus Bern. Am Nachmittag dieses Tages hatte die Bundesanwaltschaft die Luzerner Polizei per Eiltelegramm auf das Treffen aufmerksam gemacht. Sie fordern die Polizei auf, festzustellen, ob der Sprecher illegal eingereist ist und ihn in diesem Falle sofort auszuweisen.

Versammlung im «Lädeli»

Um dies tun zu können, muss die Identität des Sprechers verifiziert werden. Zu diesem Zweck werden Auchli und Bucher eingesetzt. So begeben sich die beiden abends ins «Lädeli». Unter den 300 Teilnehmern bleiben sie unerkannt. Zunächst sieht es so aus, als ob ihr Einsatz halbwegs erfolgreich ist. Denn sie meinen die Identität des Sprechers herausgefunden zu haben. Sie schaffen es zwar nicht, die Ausweispapiere des Mannes zu kontrollieren, denken aber seinen Namen entdeckt zu haben.

Im Rapport schreiben sie dem Sprecher die Namen Bodemann oder Bodenmann zu. Wie in Folge allerdings bekannt wird, liegen Auchli und Bucher falsch.

Der Kommunist Thomas Wendelin

Ein Luzerner Polizist namens Kreienbühl bringt wenige Tage später Licht in die Angelegenheit. Er kann zeigen, dass Auchli und Bucher dem Redner einen falschen Namen zugewiesen haben. Bodemann ist nämlich nicht der Name des Redners, sondern der eines Genossen aus Zürich. Die wahre Identität des Redners kann Kreienbühl ebenfalls aufdecken.

Der Name des Referenten ist Thomas Wendelin.

Die Bundesanwaltschaft liegt in ihrem Verdacht richtig. Gegen Wendelin liegt ein deutscher Haftbefehl vor. Von der Münchner Staatsanwaltschaft wird er aufgrund von «Aufreizung zum Klassenkampf» gesucht. Auch eine Haftstrafe ist für Wendelin bereits ausgesprochen. So wird er in Abwesenheit zu «einem Jahr, 178 Tagen, 2 Stunden und 55 Min. Gefängnis» verurteilt. Der Polizei zu entkommen, scheint eine Stärke Wendelins gewesen zu sein. Auch in Zürich kann er sich einer Verhaftung entziehen. Erst als er am 5. August in Feuerthalen wieder nach Deutschland einreisen will, endet seine Flucht. Er wird verhaftet und nach Zürich überführt.

Fragwürdige Polizeiarbeit

Die Rede Wendelins im «Lädeli» ist leider kaum überliefert. Dies liegt wohl auch an der Arbeit der beiden Polizisten Auchli und Bucher. Sie berichten, dass die Rede die üblichen kommunistischen Themen aufgriff. Der Krieg und der Kapitalismus werden angeprangert, ebenso wie die Bürgerparteien und die Sozialdemokratie.

Den Einsatz der beiden Polizisten kann man wohl als mangelhaft abtun. Sie schaffen es nicht, den Namen des Redners ausfindig zu machen, können seine Papiere nicht kontrollieren und scheitern sogar bei der Protokollführung.

Die Luzerner Kommunisten

Das Publikum des «Lädelis» am Abend des 31. Juli besteht zu einem Grossteil aus Arbeitern aus der Luzerner Agglomeration. Sie stellen einen Teil der kleinen, kommunistischen Bewegung Luzerns da. Trotz ihrer eher geringen Grösse erreichen die Luzerner Kommunistinnen einen gewissen Grad an Organisation, was sich auch an der Abhaltung von gewissen Demonstrationen zeigt.

Demonstrationsaufruf «ans arbeitende Volk»

Am 10. Mai 1923 wird in Lausanne ein sowjetischer Diplomat ermordet. Schnell wird die Ermordung auf eine faschistische Terrortat zurückgeführt. Aus Solidarität mit ihren roten Genossen entscheidet sich der Luzerner Ableger, ein Zeichen zu setzen.

Auch die Luzerner Kommunistinnen erfahren von dem Fall und organisieren aus Protest eine Demonstration. Am 15. Mai versammeln sie sich auf dem Pilatusplatz. Die Anzahl der Teilnehmer variiert je nach Berichterstattung. So berichtet das Luzerner Tagblatt von «zwei bis drei Dutzend Kommunisten». Die Luzerner Polizei spricht dagegen von bis zu 150 Teilnehmerinnen. Die Demonstrantinnen halten daraufhin ein paar Reden und laufen singend durch Luzern.

Das FDP-nahe «Tagblatt» zieht daraufhin folgendes Fazit: «Der gestrige Abend hat deutlich gezeigt, dass Luzern für kommunistische Ideen absolut nicht zu haben ist.»

Kommunistische Vertreter in der Regierung

Trotz der offensichtlichen Abneigung gegen sozialistische Elemente jeder Art können die Luzerner Kommunistinnen in den 1920er-Jahren einen grossen Erfolg vermerken.

Im Juni 1923 zieht nämlich erstmals ein Kommunist in den Stadtrat ein. Die Wahl Walkers zum Stadtrat ist jedoch kontrovers. Während die Liberalen das Restmandat Walkers für sich zurückfordern, entscheidet sich die katholisch-konservative Regierung, dass das Restmandat Walker zusteht.

Hartnäckige Gerüchte kreisen, welche die Berufung Walkers durch die katholisch-konservativen als Provokation gegenüber den Liberalen interpretieren. Ganz wird dies nie aufgeklärt. Einige Indizien weisen jedoch darauf hin, dass Walker als Marionette der bestehenden Regierung in den Stadtrat einzieht. In der Gemeindeberichterstattung der freien Presse wird er kaum aufgeführt. Und wenn er doch einmal erwähnt wird, dann in anekdotischer Weise.

Eine weitere Amtszeit wird Walker nicht antreten. 1927 wird er klar abgewählt. Die Frage stellt sich, ob Walker von der katholisch-konservativen Regierung gezielt als Provokation den Liberalen gegenüber instrumentalisiert wurde oder ob er sein Mandat doch rechtmässig erlangt hat.

Verwendete Quellen
  • Bucher, Gallati et al. (2005): Rote Gespenster-Geschichten
  • Huber, Max (1989): Geschichte der politischen Presse im Kanton Luzern 1914-1945. Rex-Verlag.
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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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