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Luzerner war höchster Schweizer bei der Waffen-SS

Franz Riedweg – Ein Unbelehrbarer aus Luzern im Dienst der Nazis

Der Luzerner Franz Riedweg war Obersturmbannführer der SS. (Bild: swissinfo.ch)

In Luzern waren die sogenannten Fröntler aktiv, hier gab es eine Ortspartei der NSDAP und aus Luzern stammte der höchste Schweizer im Dienste der Waffen-SS: Franz Riedweg. Er machte in Deutschland Karriere und schaffte es bis zum Obersturmbannführer. Für seine Taten wurde er aber nie zur Rechenschaft gezogen – aus einem wenig ruhmreichen Grund.

Was bewegte den Sohn eines Luzerner Hoteliers und freisinnigen Grossstadtrats, im Dritten Reich als Anwerber für Schweizer Freiwillige für die Schutzstaffel SS, eine Kampftruppe Hitlers, tätig zu werden? Bevor er im Jahr 1938 nach Deutschland zog, war Franz Riedweg, geboren 1907 in Luzern, begeistert von der Schweizer Frontenbewegung und dem Antikommunismus.

Antikommunismus als Treiber

Schon als Jugendlicher entwickelte Riedweg eine germanophile, anti-kommunistische und pro-europäische Gesinnung. Gefördert wurde diese durch die Kontakte zum katholisch-konservativen Milieu im elterlichen Hotel. Er studierte Medizin in Bern, Rostock und Berlin und kam auch dort in Kontakt mit Gedankengut, das ihn so faszinierte.

Politisch aktiv wurde Riedweg zwischen 1933 und 1935 in der Nationalen Front. Er pflegte engen Kontakt zu Schweizer Politikern wie dem Bundesrat Jean-Marie Musy. Mit diesem zusammen gründete er 1936 die Schweizerische Nationale Aktion gegen Kommunismus und war an der Produktion des antikommunistischen Propagandafilms «Die rote Pest» beteiligt.

Zumindest bis 1938 hatten katholisch-konservative Politiker in der Schweiz kaum Berührungsängste mit dem Frontisten Riedweg. Wohl auch aufgrund seiner überzeugt antikommunistischen Gesinnung, die damals in der Schweiz weit verbreitet war.

Steiler Aufstieg in der SS

1938 zog Franz Riedweg nach Deutschland. Dort heiratete er Sibylle von Blomberg, die Tochter des Generalfeldmarschalls und Reichskriegsministers Werner von Blomberg, und trat in die Waffen-SS ein. Rasch stieg Riedweg zum Protegé Heinrich Himmlers auf, dessen SS 1925 von Hitler als persönliche «Leib- und Prügelgarde» gegründet worden war. Ausschlaggebend für Riedwegs Aufstieg innerhalb der SS war aber weniger seine Heirat mit der Tochter des einflussreichen Kriegsministers. Wichtiger waren seine politischen Kontakte in der Schweiz und in Deutschland.

Durch seine bürgerlich-intellektuelle Herkunft war Riedweg mit Kreisen der preussischen Aristokratie verbunden; mit diesen hatte er schon vor 1935 Beziehungen geknüpft. Das ermöglichte ihm, auch ausserhalb der SS enge Kontakte zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP und zur Wehrmacht aufzubauen.

Während des Zweiten Weltkriegs war Franz Riedweg auf verschiedenen Kriegsschauplätzen stationiert: Er nahm als Arzt am Polenfeldzug und am Westfeldzug teil, später wurde er auch an die Ostfront versetzt. Am besten dokumentiert ist seine Rolle bei der Gründung und Leitung der Germanischen Leitstelle in Berlin ab 1940. Diese sollte «europäische oder germanische» Freiwillige für die Waffen-SS rekrutieren.

Damit waren die Länder Skandinaviens gemeint, die Benelux Staaten oder auch die Schweiz. Die Leitstelle unter der Führung des Luzerners zählte Anfang 1942 130 Mitarbeiter. Riedweg war also kein kleines Rädchen in der zerstörerischen Maschine des Dritten Reichs, im Gegenteil.

Faktisch stand Riedweg als Obersturmbannführer innerhalb des SS-Machtgefüges nur zwei Stufen unter Heinrich Himmler und hatte direkten Zugang zu ihm. Beschnitten wurde seine Macht nur durch seinen direkten Vorgesetzten, den Obergruppenführer Gottlob Berger. Der Historiker Marco Wyss, der ein Buch über Franz Riedweg geschrieben hat, behauptet, dass Riedweg dank seiner Stellung in den höchsten Kreisen der SS sowie aufgrund von Berichten seiner Germanischen Leitstelle ziemlich sicher vom Holocaust wusste.

Ein Heim für Schweizer Freiwillige

Ab 1941 baute Riedweg das Panoramaheim in Stuttgart auf, das als Auffangstelle für die Schweizer Freiwilligen in der SS diente. Seit 1942 leitete der Schweizer Benno Schäppi das Heim. Dort wurden die Freiwilligen ideologisch indoktriniert und in einem Ausbildungslager im Elsass militärisch auf den Fronteinsatz vorbereitet.

Schätzungsweise knapp 1'000 Schweizer traten in die Waffen-SS ein. Einige waren Auslandschweizer, die im «Reich» lebten und sich mangels Arbeit, oder um einer Strafe für kleinere Vergehen zu entkommen, mehr oder weniger freiwillig für die Waffen-SS meldeten. Andere verliessen die Schweiz, weil sie entweder wie Franz Riedweg überzeugte Nationalsozialisten oder Frontisten waren oder weil sie von Abenteuerlust gepackt wurden.

Ein Grossteil der Schweizer Freiwilligen in der SS war jung und stammte aus ärmeren Verhältnissen, in welchen man mit den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen während des Krieges zu kämpfen hatte. Die SS als Elitetruppe imponierte den jungen Schweizer Männern. Eine Mehrheit dieser Freiwilligen, die zum Zeitpunkt, als Deutschland auf dem Höhepunkt der Macht stand, in die Waffen-SS eintrat, verliess die Schweiz also aus finanziellen Gründen und erhoffte sich wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg im Deutschen Reich. Riedweg, der aus einer bürgerlichen Familie stammte, bildete deshalb eher die Ausnahme als die Regel.

Nach dem Krieg wurden Rückkehrer vor ein Schweizer Militärstrafgericht gestellt und häufig zu Strafen zwischen 6 und 24 Monaten verurteilt, weil der Söldnerdienst seit 1927 verboten war. Erschwerend kam hinzu, wenn sie bereits in der Schweiz die Rekrutenschule absolviert hatten, bevor sie sich der SS anschlossen.

Eine Strafe, die er nie antrat

Gegen Ende des Kriegs sah auch Franz Riedweg ein, dass seine Vision eines «geeinigten Europas» unter deutscher Führung zum Scheitern verurteilt war. 1944 wurde er an die Ostfront zwangsversetzt, wo er hinter den Frontlinien als Arzt tätig war. Bei Kriegsende wurde er zwar von amerikanischen Soldaten verhaftet, kam aber durch Falschaussagen frei. Im Jahr darauf wurde er erneut festgenommen, diesmal von den Briten; gegen Bezahlung einer Busse liessen sie ihn aber wieder gehen.

Nach dem Krieg wurde Franz Riedweg 1947 in Luzern in Abwesenheit zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Strafe trat er jedoch nie an, da er in München blieb und dort bis zu seinem Tod 2005 als Arzt praktizierte. Auch nach dem Ende seiner Militärkarriere in der SS blieb Riedweg seiner Überzeugung treu und zeigte keinerlei Reue für seine direkte oder indirekte Mittäterschaft am Holocaust. In einem späten Interview wiederholte er seine Faszination für die «europäische Sondertruppe in der Waffen-SS» und gab sich als überzeugter Europäer, der gegen die Bedrohung des Kommunismus kämpfen wollte.

Straflos wegen Nähe zu Bundesrat und Luzerner Nationalrat?

Für seine Vergehen wurde Riedweg als unverbesserlicher Nazi also nie zur Rechenschaft gezogen, ein Auslieferungsgesuch hat die Schweiz nie gestellt. Mitunter wahrscheinlich wegen seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Schweizer Politikern und Militärs wie Ulrich Wille, Bundesrat Rudolf Minger und dem Luzerner Regierungs- und Nationalrat Heinrich Walther. Solche hohen Persönlichkeiten wollten verhindern, dass Riedweg sie bei einer Rückkehr in die Schweiz belasten und ihren Karrieren schaden könnte.

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