Nornickel-Tochter verweigert den Dialog

Wegen Umweltverschmutzung in der Arktis: Zuger Rohstofffirma erhält Besuch

Ein Udege, ein Dolgane und ein Sami in Zug: Die Indigenen Russlands stehen wegen dem Rohstoffboom in der Arktis unter Druck. (Bild: Patrick Hürlimann)

Der russische Rohstoffkonzern Nornickel ist für eine riesige Umweltkatastrophe im letzten Jahr verantwortlich. Der grösste Teil seiner Produkte wird über eine Zuger Tochterfirma verkauft. Indigene erhoffen sich von der Zuger Tochter eine Einflussnahme aufs Mutterhaus, zugunsten ihres Lebensraums.

«Willkommen in der Stadt Zug, wo Menschen aus 128 Ländern leben», steht auf Plakaten an den Einfallstrassen der Stadt. Am Mittwoch hat sich die ethnische Vielfalt in der laut Eigenwerbung «globalisierten Kleinstadt im Herzen der Schweiz» vorübergehend noch weiter erhöht.

Zu Besuch sind ein Sami, ein Dolgane und ein Udege, alles Indigene aus der Russischen Föderation. Grund der Visite ist nicht der schöne Sonnenuntergang über dem Lindenberg und nur indirekt das milde Steuerklima.

Rekordbusse wegen Umweltkatastrophe

Grund ist ein beabsichtigter Besuch bei der Rohwarenhandelsfirma Metal Trade Overseas SA im Metalli-Zentrum. Mit CEO Christophe Koenig sollte der Dialog gesucht werden. Die Firma verkauft für den russischen Konzern Nornickel alle in Russland und Finnland geförderten Rohstoffe – insbesondere Nickel, Kupfer und Palladium.

In den Schlagzeilen landete der Konzern wegen einer riesigen Umweltkatastrophe im vergangenen Jahr, als 21'000 Tonnen Dieselöl die Tundra und zwei Flüsse in Sibirien verschmutzten. Die darauf verhängte Rekordbusse von zwei Milliarden Franken bezahlte der Konzern umgehend (zentralplus berichtete).

Verschmutzung hat Tradition

Die Schweizer Nichtregierungsorganisation (NGO) «Gesellschaft für bedrohte Völker» kritisiert indes, Nornickel sei schon früher durch umweltbelastende Geschäftspraktiken aufgefallen. Durch wiederholte Umweltverschmutzungen werde der ökologisch sensible Lebensraum der indigenen Gemeinschaften in der Arktis schleichend vergiftet. Die Dieselkatastrophe gefährde ihren Lebensunterhalt unmittelbar: Ein Jahr nach der Katastrophe könnten viele der Leute, die von Subsistenzwirtschaft leben, ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht mehr gewährleisten.

Dialog mit einem Stuhl: Der Sessel von Christophe Koenig bleibt leer. (Bild: Patrick Hürlimann)

Die NGO hat die drei Indigenen für eine Woche in die Schweiz eingeladen. Hier wartet ein gedrängtes Programm auf sie, wie Kampagnenleiterin Tabea Willi erklärt. Lobbyarbeit bei Bundesstellen, Gespräche mit der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Russland, Termine bei UBS und CS, die beide an Nornickel beteiligt und wichtige Kreditgeber sind, bei der UNO in Genf und die Teilnahme an einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung.

Symbolischer Dialog mit leerem Stuhl

Das Gespräch mit Koenig freilich, das die NGO zu organisieren versuchte, kam nicht zustande. Metal Trade Overseas verwies auf die Konzernzentrale, erklärte sich für nicht zuständig. Was die drei Indigenen indes von ihrer Lokalvisite nicht abhielt. Auf dem Zuger Bundesplatz organisieren sie einen symbolischen Dialog, bei dem der Stuhl von Koenig leer bleibt.

«Wir hoffen, dass wir durch unseren Besuch in der Schweiz besser gehört werden und sich die Situation der Indigenen in Sibirien dadurch verbessert.»

Rodion Sulyandziga

Was sie dem CEO der Zuger Rohstofffirma gern gesagt hätten? «Dass der Erhalt der Umwelt oberste Priorität haben sollte», sagt Gennady Schtschukin, der Dogane. Er lebt auf der Halbinsel Taimyr nördlich von Norilsk, war von der Umweltkatastrophe unmittelbar betroffen. «Ausserdem solle Nornickel die Gegend in Zusammenarbeit mit den einheimischen Völkern entwickeln» findet Schtschukin. In einer Weise, die ihnen erlaube, ihre herkömmliche Lebensweise beizubehalten.

Marode Infrastruktur gehört verbessert

Was sie zur Rekordbusse für Nornickel sagen? «Das war gut», sagt Schtschukin. Doch eine einmalige Zahlung reiche nicht aus. Es müssten in Zukunft saubere Technologien eingesetzt und die Infrastruktur müsse modernisiert werden. Rodion Sulyandziga, der Udege, sagt: «Die Summe mutet hoch an, aber die Schäden waren immens und sind zum Teil unumkehrbar.»

Nach dem symbolischen Dialog bricht die Delegation zum Metalli-Zentrum auf, um bei Metal Trade Overseas eine übergrosse Postkarte mit den Anliegen abzugeben: dass die Zuger Tochtergesellschaft sich beim russischen Mutterkonzern dafür einsetzen möge, dass Indigenenrechte respektiert und die Umwelt geschützt werden.

Niemand zu Hause?

Das minutenlange Betätigen der Klingel hat keinen Effekt. Doch dann verlässt eine Frau den Trakt, in dem auch noch andere Büros und Wohnungen untergebracht sind. «Paschlí – auf geht’s», sagt Andrei Danilov, der von der Kola-Halbinsel kommt, wo Nornickel die Umwelt mit Schwefeldioxid und Schwermetallen belastet.

Die Delegation steigt das Treppenhaus empor und die drei Aktivisten nehmen direkt vor der Büroflucht von Metal Trade Overseas nochmals Aufstellung und läuten Sturm. Nichts geschieht. Liegt es daran, dass die Belegschaft noch in der Mittagspause ist? Oder daran, dass alle Beschäftigten im Homeoffice sind? Oder doch eher daran, dass ihnen die Delegation durchs Kameraauge gefährlich vorkommt?

Treffen mit Zuger Politikern

Weil niemand die Türe öffnet, drapieren die Aktivisten die mitgebrachten Kanister mit rot gefärbtem Wasser vor der Tür und stecken die Postkarte in den Rahmen. Just als Erinnerungsfotos geschossen werden, steckt doch noch ein Mitarbeiter seine Nase heraus – nur um sie erschrocken sofort wieder zurückzuziehen.

Also bleibt der NGO und den drei Indigenen aus Russland nur der Rückzug. Am Abend werden sie noch an einem Treffen mit Politikern der Alternativen–die Grünen in Zug erwartet. Bis dahin können sie sich die Stadt anschauen. «Sieht so aus, als ob dies hier ein guter Ort für Geschäfte sei», sagt Rodion Sulyandziga.

Klingeln bei Metal Trade Overseas SA in Zug. Die Türen der Nornickel-Tochter bleiben zu. (Bild: Patrick Hürlimann)

Keine Werbung fürs Unternehmen

Er spricht als einziger der drei Indigenen Englisch und war schon einige Male in Genf, da er bei einem UNO-Organ Mitglied ist: dem sogenannten Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker. «Wir hoffen, dass wir durch unseren Besuch in der Schweiz besser gehört werden und sich die Situation der Indigenen in Sibirien dadurch endlich verbessert», sagt er.

Kampagnenleiterin Tabea Willi ist derweil unzufrieden: «Die Verweigerung des Gesprächs durch die Tochterfirma von Nornickel widerspricht den Leitsätzen des Unternehmens und wirft kein gutes Licht auf ihren Umgang mit Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger», findet sie.

Ihre Forderung an die Zuger Handelsfirma ist, abgesehen von der Einflussnahme aufs Mutterhaus: «Metal Trade Overseas soll seinen Verpflichtungen aus den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und den UN-Richtlinien für Wirtschaft und Menschenrechten nachkommen.»

Affaire à suivre.

12 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon