Kanton Luzern plant an Bevölkerung vorbei

Hochdorf: Die beste Umfahrung ist keine Umfahrung

Hochdorf soll nun doch keine neue Umfahrungsstrasse erhalten. Das missfällt Gemeinderätin Gaby Oberson.

Um Hochdorf vom Verkehr zu entlasten, soll eine Umfahrungsstrasse her. Der Kanton hat verschiedenste Varianten geprüft – und kommt aus Sicht der Gemeinde zu einem ernüchternden Schluss.

Umfahrungsstrassen liegen im Trend. Ob in Cham und Hünenberg, in Beromünster, oder gar überdeckt wie in Unterägeri. An vielen Orten in der Region erliegen die kantonalen Verkehrsplanerinnen der Versuchung, die Ortszentren mit Umfahrungsstrassen vom Durchgangsverkehr zu befreien.

Kanton Luzern will keine Umfahrung in Hochdorf

Sehr überraschend ist darum das Ergebnis eines Variantenstudiums für eine Umfahrung der Gemeinde Hochdorf. Denn der Kanton Luzern kommt nach Prüfung von sechs Varianten zum Schluss: Die beste Umfahrung ist keine Umfahrung. Als beste Variante hat sich nämlich die Lösung «Null Plus» herauskristallisiert. Diese sieht keine neue Umfahrung vor, sondern Massnahmen zur Verkehrsberuhigung im bestehenden Strassennetz.

Lichtsignalanlagen an den Ortseingängen lassen in den Spitzenstunden nur so viel Autoverkehr ins Zentrum, sodass der Verkehr weiterhin gut fliesst. Die Busse können die Ampeln auf separaten Busspuren passieren. Die Ortsdurchfahrt wird zwischen der Hohenrainstrasse und der Schlossergasse umgestaltet und aufgewertet. Hier soll künftig Tempo 30 gelten.

Mit diesen Massnahmen soll die Verkehrsbelastung im Zentrum abnehmen. (Bild: Kanton Luzern)

Auch für Velofahrerinnen wird sich mit dieser Variante einiges verändern. Es gibt neue Velostreifen im südlichen Teil des Dorfzentrums. Bei der Kirche werden die Velos dann abseits der Hauptstrasse über die Rosental- und die Bellevuestrasse geführt. Zudem will diese Variante vermeiden, dass Autofahrer künftig über Urswil ausweichen. Darum wird die Geschwindigkeit auf der Urswilstrasse ausserorts auf 60 und innerorts auf 30 Stundenkilometer reduziert.

Paradigmenwechsel beim Kanton Luzern

Bislang war der Kanton Luzern bei der Einführung von verkehrsberuhigenden Massnahmen wie Tempo 30 auf Kantonsstrassen eher zurückhaltend. Steht Hochdorf nun als Symbol für einen Paradigmenwechsel bei der Verkehrsplanung?

«Wir widersetzen uns nicht dem Volkswillen der Hochdorfer. Sondern wir haben dem Willen entsprochen und eine Umfahrung geprüft.»

Pius Suter, Projektleiter Dienststelle Verkehr und Infrastruktur

Pius Suter, zuständiger Projektleiter bei der kantonalen Dienststelle für Verkehr und Infrastruktur (Vif), verneint diese Frage bestimmt: «Man kann hier nicht von einem Paradigmenwechsel sprechen. Sondern die richtige Lösung hängt immer vom spezifischen Ort ab.» Gerade das Beispiel Beromünster zeige, dass manchmal auch eine neue Umfahrung die beste Lösung sei.

Der Kanton habe die sechs Varianten anhand eines standardisierten Verfahrens geprüft. Und nach Abwägen sämtlicher Vor- und Nachteile habe sich die Variante «Null Plus» als die beste herausgestellt. «Das Resultat des Variantenstudiums hat gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, mit Tempo 30, der Dosierung des Verkehrs und weiteren Massnahmen, den Verkehr verträglich zu machen.»

Diese sechs Varianten hat der Kanton Luzern geprüft. (Bild: Kanton Luzern)

Der Bericht des Kantons zeigt, dass die geprüften Umfahrungsstrassen zwar eine grössere Verkehrsqualität als die Variante «Null Plus» mit sich bringen. Die Reisezeiten für den Durchgangsverkehr würden verkürzt, das Zentrum deutlich vom Verkehr entlastet. Allerdings haben diese Varianten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Kulturland geht verloren und Naherholungsgebiete wären negativ betroffen. Zudem sind die Umfahrungen deutlich teurer als die Variante «Null Plus». Diese Variante weist bei der letztlichen Kosten-Wirksamkeits-Analyse deshalb das mit Abstand beste Verhältnis auf.

Gemeinde Hochdorf hatte andere Pläne

Dass der Kanton vom Bau einer neuen Umfahrungsstrasse absieht, ist bemerkenswert genug. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis aber darum, weil es nicht dem Wunsch der Hochdorfer entspricht. In einer Befragung im Jahr 2015 haben sich 85 Prozent für eine Entlastung des Zentrums und 70 Prozent für eine entsprechende Umfahrung ausgesprochen (zentralplus berichtete). Dass der Kanton nun eine andere Variante bevorzugt, ist für den Gemeinderat darum ernüchternd.

«Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass die Variante 'Null Plus' nicht die gewünschte Entlastung bringt.»

Gaby Oberson, Gemeinderätin Hochdorf

«Der Gemeinderat hat sich erhofft, dass eine Umfahrungsvariante besser abschneiden würde», sagt Gemeinderätin Gaby Oberson, die in Hochdorf für das Verkehrsressort zuständig ist. Der Gemeinderat sei überzeugt, dass eine Umfahrung nach wie vor den grössten Mehrwert für Hochdorf bringen würde.

Zwar anerkennt Oberson die Ergebnisse des Variantenstudiums und kann die dort verwendeten Kriterien nachvollziehen. Doch sie bleibt dabei: «Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass die Variante ‹Null Plus› nicht die gewünschte Entlastung bringt. Der Verkehr im Zentrum wird nicht reduziert und auch die Zahl der Lastwagen, die durchs Dorf fahren, bleibt gleich.» Und mit Verweis auf das deutliche Resultat der Umfrage im Jahr 2015 zugunsten einer Umfahrung sagt Oberson: «Der Gemeinderat fühlt sich in der Verantwortung, sich für diesen Wunsch einzusetzen.»

Der Entscheid ist noch nicht definitiv

Tatsächlich stellt sich angesichts dieses deutlichen Zuspruchs die Frage, ob der Kanton womöglich am Willen der Hochdorfer Bevölkerung vorbeiplant? Diesen Vorwurf will Pius Suter vom Vif jedoch nicht gelten lassen. Er könne die Ernüchterung in der Gemeinde zwar nachvollziehen, weil sich die Hochdorferinnen schon seit Jahren für eine Umfahrung einsetzen.

Er findet aber auch: «Wir widersetzen uns nicht dem Volkswillen der Hochdorfer. Sondern wir haben dem Willen entsprochen und eine Umfahrung geprüft. Auch wenn eine Umfahrung nun nur die zweitbeste Variante ist.»

Zudem beschwichtigt Suter und verweist auf das weitere Vorgehen. Denn bisher hat der Kanton erst geprüft, welches die beste Lösung für Hochdorf ist. Die zwei besten Varianten, die Variante «Null Plus» und eine Umfahrung, die im Süden der Gemeinde als Tunnel verlaufen würde, werden nun in einem grösseren Raum geprüft. Dort stellt der Kanton fest, wie sich die Varianten auf den Verkehr in den umliegenden Gemeinden und im Seetal auswirkt.

Beschlossen ist also noch nichts. «Es ist ein Vorentscheid, aber noch kein abschliessender Entscheid», sagt Pius Suter. Im Herbst 2023 sollen die Resultate dieser letzten Studie und somit das Siegerprojekt vorliegen. Im Anschluss wird der Regierungsrat Stellung zum Projekt nehmen. Bis eine der Varianten letztlich umgesetzt ist, dauert es darum noch mehrere Jahre.

Verwendete Quellen
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Doris Vonwyl
    Doris Vonwyl, 05.11.2022, 15:17 Uhr

    Super, dass der Kanton Luzern die Zeichen der Zeit erkennt. Ein Umdenken in Sachen Mobilität ist erwünscht. Umfahrungsstrassen sind unschön. Verkehr reduzieren ist angesagt.

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  • Profilfoto von Matthias Vogt
    Matthias Vogt, 28.10.2022, 22:55 Uhr

    Neue Strassen zu bauen und damit die Landschaft und die Natur noch mehr zu zerstören, kann ja wohl auch keine Lösung sein. Vielleicht auch mal selbst aufs Auto verzichten und den ÖV nutzen. Ist gar nicht so schwer.

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  • Profilfoto von Eschenbacher
    Eschenbacher, 28.10.2022, 17:34 Uhr

    Immer mehr Menschen leben in diesem Land. Ob wir wollen oder nicht. Auch Abstimmungsresultate dazu werden ignoriert. Was aber garantiert nicht abnehmen wird im Seetal, ist der Verkehr. Jetzt wollen unsere super Verkehrsplaner keine Umfahrnug in Emmen, Eschenbach und Hochdorf. Für diese Lösung haben sie 30 Jahre gebraucht? In der Zwischenzeit werden mögliche Varianten mit Häusern zugepflastert, bis gar nichts mehr geht. Wer täglich im Stau steht hier, weiß von was er redet.

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