Nationalratswahlen: Nur Pfister und Aeschi gesetzt

Wie heisst die erste Zuger Frau im Bundesparlament?

Drei mögliche Nationalrätinnen für den Kanton Zug: Vroni Straub (CSP, links); Karen Umbach (FDP); Manuela Weichelt Picard (ALG).

(Bild: zentralplus / AURA )

Auch wenn vielen Stimmbürgern das Geschlecht der gewählten Politiker vielleicht gar nicht so wichtig ist: Im Herbst könnte erstmals eine Frau den Kanton Zug in Bern vertreten. Denn Alternative und Freisinnige portieren derart viele und wählbare weibliche Kandidaten, dass die Premiere in den Bereich des Wahrscheinlichen rückt. Eine Auslegeordnung.

Es sei höchste Zeit, dass der Kanton Zug in Bern endlich von einer Frau vertreten werde, sagte die grünalternative alt Regierungsrätin Manuela Weichelt, als sie vor einiger Zeit ihre Kandidatur für die Nationalratswahlen im Herbst bekanntgab (zentralplus berichtete).

In der Tat war der Kanton seit Gründung der modernen Schweiz im Jahr 1848 noch nie durch eine Frau im Bundesparlament vertreten – und auch in der alten Eidgenossenschaft ist keine weibliche Gesandte an die Tagsatzungen überliefert. Seit 667 Jahren also, seitdem Zug zur Schweiz gehört, werden die zugerischen Interessen im Bund immer nur durch Männer wahrgenommen.

Geschichtsträchtige Wahl

Nun aber könnte eine historische Zeitenwende erfolgen. Obwohl noch vieles unklar ist an der Ausgangslage für den Wahlherbst, spricht sehr vieles dafür.

Nicht nur, weil die Alternativen – die Grünen (ALG) mit Manuela Weichelt, der christlichsozialen Städträtin Vroni Straub und Andreas Lustenberger, dem Präsidenten der alternativen Kantonalpartei, drei bekannte Kandidaten ins Rennen schicken. Sondern weil auch bei der politischen Konkurrenz, den Freisinnigen, die Weichen entsprechend gestellt wurden.

Drei Sitze für vier Blöcke

Doch analysieren wir zuerst die Lage. Im Ständerat ist keine Frauenvertretung in Sicht. Dort greift die SVP mit Finanzdirektor Heinz Tännler das Mandat der FDP an, welches alt Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel gerne verteidigen möchte. Daneben tritt auch der bisherige Ständeherr Peter Hegglin (CVP) zum Dreikampf um die beiden Zuger Sitze an (zentralplus berichtete).

Anders im Nationalrat: Im Kanton Zug gibt es mit der CVP, SVP, FDP und den vereinigten Linken aus SP und ALG vier politische Blöcke, die sich mit intakten Erfolgsaussichten um die drei Sitze zu balgen vermögen. 

Bonus für die Bisherigen

Unangreifbar aufgrund ihrer Wählerstärke scheint derzeit nur die CVP, bei welcher mit Gerhard Pfister zudem ein populärer Kandidat wieder antritt, der als Präsident der Schweizer Mutterpartei viel Medienpräsenz hat.

Ähnliches lässt sich für Thomas Aeschi sagen, der als SVP-Fraktionschef im Nationalrat ebenfalls häufig in Erscheinung tritt und daher von einem soliden Bisherigenbonus profitieren dürfte.

Kein eindeutiges Ergebnis

Bleibt also noch die Nachfolge von Bruno Pezzatti (FDP), der nach zwei Legislaturen in der Grossen Kammer nicht mehr antritt. Pezzatti gewann vor acht Jahren mit einem knappen Resultat den Sitz der Linken, und verteidigte ihn vor vier Jahren.

Das Ergebnis war auch 2015 nicht besonders deutlich – und die FDP, welche mit der CVP und den Grünliberalen eine Listenverbindung eingegangen war, konnte sich bei den Grünliberalen bedanken, dass der Angriff der Linken damals scheiterte.

Hoffen auf die CVP

Damals wie heute ist eine Listenverbindung wichtig für den Nationalratsitz der Freisinnigen. Man hoffe natürlich, dass sie wieder zustande komme, sagt Carina Brüngger, die Präsidentin der FDP-Kantonalpartei. Doch in trockenen Tüchern ist sie noch nicht.

«Wir warten mit der Festlegung der Listenplätze, bis wir alle sechs Kandidatinnen und Kandidaten nominiert haben»

Carina Brüngger, Präsidentin FDP

 

CVP-Präsidentin Laura Dittli schweigt auf Anfrage von zentralplus wie ein Grab und verweist auf die Nominationsversammlung der CVP im Juni, bei der solches zur Sprache käme.

Zu wenig grün für die GLP

Dennoch gibt es keine Gründe, warum sich die CVP einer solchen Verbindung widersetzen sollte. Anders jedoch sieht die Situation für die Grünliberalen aus: Co-Präsident Daniel Stadlin griff Pezzatti wegen seines unökologischen Abstimmungsverhaltens in Bern öffentlich an, und stellte eine künftige Unterstützung anderer politischer Kräfte per Listenverbindung in Zukunft zur Disposition.

Entschieden ist indes noch nichts, vielleicht kann sich die GLP ja mit den aktuellen freisinnigen Kandidaten besser anfreunden als mit dem Lobbyisten Pezzatti. 

Kleeb zieht sich zurück

Wie auch immer: die Zuger FDP fehlte in diesem Jahrtausend im Nationalrat nur während zwei Legislaturen – 2003 bis 2011 –, während die Zuger Linken bereits drei Legislaturen ohne eigenen Vertreter in der Volkskammer zubringen mussten – nämlich von 1999 bis 2003 und seit 2011.

Für die kommenden Nationalratswahlen hat die FDP nun fünf Leute nominiert. Auffällig: Der IT-Unternehmer und frühere Kantonalparteipräsident Andreas Kleeb, der von der FDP-Stadtpartei portiert worden war und einige Bekanntheit im Kanton mitgebracht hätte – und ausserdem auch im Organisationskomitee des publicityträchtigen ESAF sitzt – machte einen Rückzug. Er stehe aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung, sagt Carina Brüngger.

Wer, wenn nicht Umbach?

Wer Spitzenkandidat bei den Freisinigen wird, steht noch nicht fest. «Wir warten mit der Festlegung der Listenplätze, bis wir alle sechs Kandidatinnen und Kandidaten nominiert haben», sagt Brüngger.

Zur Wahl 2015 war die FDP mit zwei Listen angetreten – einer für den Ost- und einen für den Westteil des Kantons. Dass man wieder eine geografische Verteilung vornehme, sei nicht sicher, sagt die FDP-Präsidentin. Sicher aber ist, dass auf den beiden Listen mindestens zur Hälfte Frauen stehen.

Wahrscheinlich ist überdies, dass Spitzenkandidat wird, wer die grösste Bekanntheit hat – und das ist wohl Karen Umbach, die sowohl im Zuger Stadtparlament wie auch im Kantonsrat sitzt und dort neu die freisinnige Fraktion führt.

Von Wales über Zug nach Bern

Umbach steht sinnbildlich für die Internationalität von Zug. Geboren wurde die 58-Jährige zweifache Mutter in Cardiff (Wales). Studiert hat sie in den USA und nach Zug gekommen ist sie erst vor 20 Jahren, als ihr Mann, damals Manager bei Siemens, hier seine Arbeit aufnahm.

Sie hat sich in dieser Zeit aber schnell eingelebt und gilt als gut vernetzt. Seit 2003 ist sie Präsidentin der Kibiz-Kinderbetreuung Zug, sitzt im Vorstand von verschiedenen Organisationen wie etwa Benevol, dem Verein für Freiwilligenarbeit.

An sozialen Themen interessiert

Sie interessiert sich für soziale Themen, scheint also auch für eher Linke und Weltoffene wählbar. Auf der anderen Seite ist sie im politischen Alltag noch nicht durch Extratouren aufgefallen. Sie politisiert zuverlässig auf der wirtschaftsliberalen Generallinie der Partei – bürgerliche Wähler brauchen also keine Angst zu haben, eine verkappte Linke zu wählen.

Umbach ist eine ähnliche Politikerin wie Eliane Birchmeier, welche letztes Jahr für die Freisinnigen einen Sitz in der Zuger Stadtregierung hinzugewann: Sie steht rechts der politischen Mitte, kann aber mit einem sozialen Anstrich aufwarten.  

Dieses Profil sowie ihr Geschlecht sind günstig, um Stimmen bei Unentschiedenen zu sammeln. Wie Olivier Dolder, Politologe aus Luzern, sagt, politisierten Frauen oft eine Spur sozialer, auch etatistischer. Auf der anderen Seite sei die Geschlechterfrage vorab für ein linkes Publikum wichtig, während sich die bürgerlichen Wähler darum weniger kümmerten.

Linke muss zusammenspannen

Für die Linke indes ist für einen möglichen Wahlerfolg nicht nur wichtig, dass sie starke Kandidaten nominieren, wie es die ALG bereits getan hat. Wichtig ist, dass beide Parteien – ALG und SP – einander mit zugkräftigen Namen unterstützen. Von einiger Bedeutung für die kommende Wahl wird also sein, wen die SP kommende Woche ins Rennen schickt.

Klar ist: Wenn einer der beiden sich zurückhält, bleibt ein Sitz im Nationalrat ausser Reichweite. In Erinnerung bleibt diesbezüglich die Wahl 2011, als der alternative Nationalrat Josef Lang die Wiederwahl unter anderem deswegen nicht schaffte, weil die SP-Kandidaten zu wenig Stimmen sammelten, die ihm über die Listenverbindung zugute gekommen wären.

Viele Frauen auf vielen Listen

Und noch etwas anderes ist für die Wahl wichtig. Dies zeigte die Wahl 2015 zeigte, als die SP versuchte, die Scharte auszuwetzen und Hubert Schuler in den Nationalrat zu hieven: Es gilt mit mehreren Listen anzutreten, auf denen valable Kandidaten Stimmen in verschiedenen Nischen sammeln können, die dann wiederum einem Spitzenkandidaten zupass kommen. Die SP lancierte damals fünf Listen – für Junge, Frauen, Senioren und Migranten gabs ein Spezialangebot.

«Nicht nur Frauen sind im Nationalrat untervertreten; das Gleiche liesse sich für Junge sagen.»

Andreas Lustenberger, Präsident ALG

Daraus hat die ALG gelernt. Trat sie vor vier Jahren noch mit drei Listen an, sind es nun vier geworden. Neben der Hauptliste und jener der Jungen Grünen mit Luzian Franzini, Julia Küng und Michèle Willimann lanciert die Partei eine Kandidatenliste, die das urbane Publikum ansprechen will – mit den Kantonsräten Tabea Zimmermann Gibson und Stéphanie Vuichard aus Zug und Anastas Odermatt aus Steinhausen.

Kantonsrätin Rita Hofer aus Hünenberg soll das ländliche Publikum im Ennetsee ansprechen und Trix Gubser und Paul Iten die Wähler im Ägerital. Auch hier wirken wieder jede Menge weibliche Kandidaten mit.

«Alle Kräfte mobilisieren»

«Wir wollen alle Kräfte mobilisieren», sagt Parteipräsident Andreas Lustenberger, der so wie viele freisinnige Kandidaten schon voll im Wahlkampfmodus ist. Er gibt aber zu bedenken: «Nicht nur Frauen sind im Nationalrat untervertreten; das Gleiche liesse sich für Junge sagen.»

Auch bei der ALG steht die Reihenfolge auf der Hauptliste noch nicht fest, sagt Lustenberger. «Wir sind der Auffassung, dass es sich bei nur drei möglichen Nationalratsssitzen schon fast um eine Majorzwahl handelt.» Die Fokussierung auf eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten sei weniger wichtig. Auch Josef Lang sei damals vom dritten Listenplatz aus nach Bern gewählt worden.

Apropos: 2003 stand auf dem Ticket der Alternativen für die Nationalratswahl auch Manuela Weichelt. Und was sagte sie damals? Klar: Es sei Zeit, dass endlich mal eine Frau den Kanton Zug in Bern vertrete. Gut möglich, dass ihr Wunsch 15 Jahre später in Erfüllung geht.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung schrieben wir, dass Thomas Aeschi der erste Zuger SVP-Nationalrat war. Dies ist natürlich nicht korrekt. Ab 1999 vertrat der Chamer Marcel Scherer die Partei im Nationalrat, wurde im Oktober 2011 aber nicht mehr wiedergewählt.

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