Günstige Wohnungen statt Bürofläche auf Luzerner «Filetstück»
Wie weiter auf dem EWL-Areal? Der Stadtrat stellt sich nun hinter den Vorschlag, auf der Parzelle gemeinnützige Wohnungen zu erstellen. Denn die Stadt schafft es kaum, die Ziele der Wohnrauminitiative zu erfüllen. Doch günstige Wohnungen an zentraler Lage? Das sorgt bei der FDP für Kopfschütteln.
Das EWL-Areal an der Industriestrasse in Luzern liegt heute zu einem grossen Teil brach. Das soll sich ändern. Die zentral gelegene Parzelle wird in den nächsten Jahren verdichtet. EWL plant eine Überbauung, die einerseits rund 160 Wohnungen sowie zusätzliche Büroflächen umfasst, aber auch Räume für den eigenen Hauptsitz und die Teile der städtischen Verwaltung, die bereits jetzt vor Ort ansässig sind.
Alle sind sich einig, dass das Areal besser genutzt werden soll. Wie, ist aber umstritten. Während die FDP auf dem «Filetstück» mehr Platz für Unternehmen verlangt, fordern die Linken gemeinnützige Wohnungen (zentralplus berichtete).
Alternative Wohnformen ein Thema
Diesen Donnerstagnachmittag hat nun der Stadtrat dem Parlament seine Haltung dargelegt. Und diese stiess bei den Bürgerlichen auf wenig Freude. Denn die Stadt stellt sich gegen die FDP-Forderung nach mehr Bürofläche, ist hingegen offen gegenüber gemeinnützigen Wohnungen – zumindest teilweise.
Zwar liegt noch kein konkretes Projekt für das EWL-Areal vor, doch die Planungen laufen gemäss dem Luzerner Stadtrat auf Hochtouren. Geplant sind 160 Wohnungen, zusätzliche Büroflächen sowie neue Räume für EWL und Teile der Verwaltung, unter anderem das Tiefbauamt sowie das Geoinformationszentrum. Planungsrechtlich wären sechs Etagen plus ein Attikageschoss möglich, ein Gebäude mit 21 Metern Höhe.
Auf dem Areal soll ein Dienstleistungs- und Sicherheitszentrum entstehen, in dem auch die Feuerwehr und die Zivilschutzorganisation (ZSO) Pilatus angesiedelt werden. Im Falle eines Brandes oder einer Katastrophe könnten damit wesentliche Synergien genutzt werden, argumentiert der Stadtrat. Heute sind Feuerwache und ZSO am Standort Kleinmatt vis-à-vis vom Neubad untergebracht. Gemäss Stadtrat bekunden auch die Einsatzleitzentrale der Polizei sowie die Rettungsdienste Interesse an einer Zusammenführung der Dienste an der Industriestrasse.
Denn zurzeit hinkt man den Zielen in diesem Bereich mächtig hinterher. Bis 2037 muss die Stadt den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen nämlich auf 16 Prozent erhöhen, das verlangt eine 2012 angenommene Initiative (zentralplus berichtete). Der Stadtrat räumt ein, dass es schwierig werde, das Zwischenziel von 600 neuen gemeinnützigen Wohnungen bis Ende 2020 zu erreichen. Deshalb sei «jede zusätzliche gemeinnützige Wohnung hilfreich».
Obwohl das EWL-Areal bisher nicht explizit dafür vorgesehen war, will der Stadtrat nun prüfen, ob ein «substanzieller Anteil» nicht renditeorientierter Wohnungen auf dem EWL-Areal gebaut werden könne. Dass alle Wohnungen günstig werden müssen, ist ihm jedoch zu extrem. Denn auch alternative Wohnformen wie beispielsweise ein Pilotprojekt für Generationenwohnen könnten für den Stadtrat ein Thema werden. Eine strikte Vorgabe für ausschliesslich gemeinnützige Wohnungen könnte diese Ideen einschränken.
Komplexes Projekt
Allerdings ist noch offen, ob gemeinnützige Wohnungen überhaupt möglich sind. Denn gebaut wird nicht einfach ein Wohnhaus, sondern eine Überbauung für ganz unterschiedliche Bedürfnisse (siehe Box).
Eigentlich wollte die EWL für den gesamten Neubau einen Investor suchen. Ein Modell, das der Stadtrat inzwischen ablehnt. Doch die Alternative ist noch unklar, weil die Ausgangslage komplexer ist als üblich. Würde ein Teil von Wohnbaugenossenschaften realisiert, wäre das für einen Investor unattraktiv, glaubt der Stadtrat. Umgekehrt ist es für gemeinnützige Wohnbauträger schwierig, einen Neubau zu übernehmen, der nebst Wohnungen andere Nutzungen zulassen muss.
Gemäss dem Stadtrat ist EWL bereit zu Gesprächen über das Finanzierungs- und Eigentümermodell. Vorschläge, welche gemeinnützigen Wohnbau de facto ausschliessen, kommen für den Stadtrat nicht infrage. Klarheit über das Projekt wird es im Sommer geben: Dann will der Stadtrat dem Parlament einen Bericht dazu vorlegen.
«An bester und damit teurer Lage günstige Wohnungen zu bauen: Das ist widersprüchlich.»
Fabian Reinhard, FDP-Grossstadtrat
Die Forderung, die städtische Verwaltung mit dem Tiefbauamt, dem Geoinformationszentrum und dem Umweltschutz vom EWL-Areal nach Littau zu transferieren, fiel beim Stadtrat hingegen durch. Die FDP wollte damit an der Industriestrasse Platz schaffen für Firmen. Doch für den Stadtrat ist klar, dass die Feuerwehr ins Zentrum gehört und ihre Nähe zu EWL und dem Tiefbauamt Sinn macht. Zudem äusserte Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) seine Zweifel, was die Ansiedlung von Firmen betrifft. «Noch attraktiver als im Steghof wäre das Rösslimatt-Areal. Aber dieses Beispiel zeigt, dass es nicht so einfach ist, Mieter zu finden.»
Unzufriedene FDP
Erwartungsgemäss sorgte diese Haltung bei FDP-Grossstadtrat Fabian Reinhard für Kopfschütteln. «An bester und damit teurer Lage sollen günstige Wohnungen entstehen: Das ist widersprüchlich.» Ebenso infrage stellte er, warum an bester Lage Büros der Stadtverwaltung untergebracht werden müssen. Er verwies auf ein vergleichbares Areal in Zürich, die Europaallee, wo Google eingezogen und bereits rund 2000 Arbeitsplätze geschaffen habe.
«Luzern mit der Zürcher Europaallee zu vergleichen, grenzt an Selbstüberschätzung.»
Jules Gut, GLP-Fraktionschef
Der Vergleich mit Zürich war nicht nur GLP-Fraktionschef Jules Gut zu hoch gegriffen. «Wenn man die Stadt Luzern mit der Zürcher Europaallee vergleicht, grenzt das beinahe an Selbstüberschätzung.» Er würdigte, dass der Stadtrat die Zeichen der Zeit erkannt habe, indem er gemeinnützige Wohnungen in Betracht zieht. Daniel Furrer (SP) wies daraufhin, dass die Stadt am Ende vielleicht sogar froh sei, wenn eine Wohnbaugenossenschaft den Neubau übernehme, da es offenbar schwierig sei, für dieses komplexe Projekt einen Investor zu finden. «Es gibt keinen vernünftigen Grund, auf dem EWL-Areal einem renditeorientierten Investor einen Gewinn zu ermöglichen», doppelte Christian Hochstrasser (Grüne) nach.
Die SVP hingegen unterstützte die Forderung der Liberalen, während die CVP nicht geschlossen auftrat – und lieber nicht zu viel mitreden wollte. Thomas Schärli (CVP) monierte, dass hier ein Grundstück «verpolitisiert» werde. Es gehe nicht an, dass man der EWL als Eigentümerin einen «Knebel zwischen die Beine legt und damit ein zügiges Vorwärtsmachen erschwert».
Für ein regelrechtes Ping-Pong sorgte Korintha Bärtsch (Grüne). Sie kritisierte die fehlende Wertschätzung der FDP gegenüber dem städtischen Personal, wenn sie verlange, dass dieses ja in der Peripherie in Littau arbeiten könne. Das wiederum provozierte Marcel Lingg (SVP), der sich über die negative Assoziation mit dem fusionierten Stadtteil aufregte. «Man darf nach Littau arbeiten gehen, das ist kein Müssen.» Auch Rieska Dommann (FDP) kritisierte Bärtschs Äusserung als «despektierlich». Alles nur ein Missverständnis, entgegnete Bärtsch daraufhin: Es gehe ihr nicht um Littau, sondern um die Behauptung, dass städtische Angestellte nicht an attraktiver Lage tätig sein dürften.
Am Resultat änderte der Exkurs indes nichts mehr: Die Mehrheit des Parlaments stimmte dem Vorgehen des Stadtrates zu. Das Postulat von SP, Grünen und GLP wurde klar überwiesen, die Motion der FDP abgelehnt.