Staub in Guatemala beeinflusst Schweizer Politik

Zuger Bergbaukonzern verliert vor höchstem Gericht

Quiché-Maya: Die Angehörigen der Ethnie siedeln mittlerweile auch um den Izabal-See. (Bild: Adobe Stock)

Die Konzernverantwortungsinitiative prangert in einer Kampagne über soziale Medien die Geschäfte von Firmen an, welche die Umwelt zerstören und Menschenrechte verletzen. Der Zuger Bergbaukonzern Solway serviert den Aktivisten nun eine Steilvorlage.

Seit 2017 steht vor allem Glencore am Pranger der Konzernverantwortungsinitiative (Kovi). Das umsatzstärkste Schweizer Unternehmen dient den Campaignern der Initiative als Vorzeigebeispiel dafür, was schiefläuft in der Wirtschaft.

Die Kovi will, dass Firmen den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt verbindlich in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen – was Glencore mit Sitz in der Gemeinde Baar nach Ansicht der Initianten nicht schafft.

Druck wegen Parlamentsdebatte

Doch wer sein politisches Anliegen fördern will, muss es immer wieder neu in Erinnerung rufen. Daher hat die Konzernverantwortungsinitiative, die bereits im Herbst 2016 eingereicht worden war, ihre Kampagne in den vergangenen Monaten ausgeweitet, als das Anliegen Thema im Ständerat und Nationalrat war.

«Auf dem Kieker haben wir Konzerne, welche Umweltstandards oder Menschenrechte verletzen.»

Tom Cassee, Konzernverantwortungsinitiative

Neben einem Freiburger Unternehmen hatte man sich eine Holzfirma aus Baar, die sich der nachhaltigen Forstwirtschaft verschrieben hat, als neuen Bösewicht ausgesucht.

Angesichts der Auswahl der Unternehmen drängt sich die Frage auf, ob hier nicht ein Klischee bedient wird, wonach internationale Unternehmen nur schon deshalb als böse gelten, weil sie im steuergünstigen Kanton Zug ansässig sind.

Malerische Basis Zug

«Auf dem Kieker haben wir lediglich Konzerne, welche Umweltstandards oder Menschenrechte verletzen», antwortet der Kovi-Campaigner Tom Cassee auf eine entsprechende Frage. Doch im Kanton Zug komme ihm ein weiteres Unternehmen in den Sinn, bei dem es sich lohnen würde, «genauer hinzuschauen». Und zwar bei der Solway Group – ein Firmenkonglomerat, das früher von Zypern aus operierte, mittlerweile aber hauptsächlich von der Stadt Zug aus. Die Büros befinden sich am Postplatz, wo einst auch der Bergbaukonzern Xstrata sein Hauptquartier hatte.

Nickelmine «Phönix» am Izabal-See in Guatemala. (Bild: zvg)

Was hat Cassees Misstrauen geweckt? Der Konzern, der auf der Website lange mit einem Winterbild der pittoresken Zuger Altstadt geworben hat, ist eine Konstruktion im Besitz von Leuten aus Russland und Israel mit Holding auf Malta. Ausserdem werden Domizile an Orten mit niedrigen Steuern oder schwacher Regulierung unterhalten.

Toter Demonstrant, unterdrückte Medien

Solway Group ist nach eigenen Angaben der grösste private Nickelproduzent und betreibt seit 2011 über eine Tochtergesellschaft unter anderem eine grosse Nickel-Mine in Guatemala, wo das Erz auch gleich zu Eisennickel verhüttet wird.

Dort gab es vor zwei Jahren eine Demonstration von Einheimischen gegen die Mine, die nach ihrer Überzeugung den nahen Izabal-See verschmutzte und eine Umweltkatastrophe auslöste.

Fischer blockierten den Zugang zur Mine. Sicherheitskräfte rückten an. Dann kam ein Mensch zu Tode, erschossen von Polizisten. Zwei Journalisten, die darüber berichteten, wurden juristisch verfolgt – einer wurde einen Monat lang eingesperrt, der andere tauchte unter. Was die internationale Presse auf den Plan rief. Ein Medienkonsortium namens «Green Blood» nahm sich der Sache an.

Protektion für Steuerzahler

Reporter reisten für Recherchen nach Zentralamerika. Diese zeigten, dass die Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung nicht vom Zuger Bergbauunternehmen ausging. Sondern vom guatemaltekischen Staat, der am Steueraufkommen interessiert ist, welches Solway generiert.

Chronische Ausschläge und Husten

Zudem wurde die Umweltkatastrophe auf dem See – eine wochenlange Rotverfärbung – möglicherweise nicht durch Abwässer der Mine ausgelöst, wie die Fischer vermuten, sondern von Bakterien und Algen; verursacht durch fehlende Abwasserreinigung. Dies sagt jedenfalls der guatemaltekische Umweltminister. Die Betreiberfirma sagt, die Verfärbung habe nichts mit der Mine zu tun, sie sei natürlichen Ursprungs.

Aktenkundig ist, dass die Umgebung des Sees immer intensiver genutzt wird – neuerdings auch durch Aquakulturen.

Aufgefallen ist Reportern aber auch, dass die Bewohner der Siedlung nahe der Mine oft Gesundheitsprobleme haben – laut dem britischen «Guardian» Husten, ernste Hautprobleme und Augenleiden. Auf den unbefestigten Pisten zur Mine donnern riesige Lastwagen, die Staub aufwirbeln.

Lange Vorgeschichte

Vor dem Hintergrund der Konzernverantwortungsinitiative ist zu fragen, ob tatsächlich der russisch-schweizerische Konzern aus Zug die Strassen zu asphaltieren oder die Müllentsorgung und Wasserreinigung zu organisieren hat und nicht etwa das guatemaltekische Gemeinwesen.

Bei den Einheimischen jedoch sitzt der Argwohn gegen die Mine tief. Das hat auch mit den früheren Betreibern zu tun. Einem kanadischen Konzern, dessen Sicherheitsleute mit Vergewaltigungen und Morden an den Einheimischen in Verbindung gebracht wurden.

Eisen in der Luft

Doch es bestehen weitere Vorwürfe. Zahlreiche Maya-Dörfer im Abbauperimeter der Mine melden Missernten und Wasserknappheit. Es wird über erzhaltigen Staub geklagt.

Gegenüber dem investigativen französischen Journalisten-Netzwerk «Fobidden Stories» äusserten Einheimische den Vorwurf, die Mine entferne des Nachts die Filter in den Schornsteinen, worauf schädlicher roter Rauch austrete. Was von Solway dementiert wird.

Abbaulizenz ausgesetzt

Jüngst haben die Vertreter der Mayas einen Erfolg errungen. Der Oberste Gerichtshof des Landes hatte geurteilt, dass 2006 das Bergbauministerium bei der Erweiterung der Abbaulizenz für die kanadischen Vorbesitzer die indigenen Gemeinschaften nicht wie vorgeschrieben angehört habe.

Solway appellierte gegen das Urteil, doch das guatemaltekische Verfassungsgericht schmetterte den Einspruch vor knapp zwei Wochen ab. Das bedeutet, dass die Lizenz zum Erzabbau vorübergehend ausgesetzt wird.

Solway will weiterarbeiten

Der Zuger Konzern schrieb in einer Stellungnahme für die guatemaltekische Tochter vor wenigen Tagen, dass man sich immer an alle Gesetze gehalten habe und auch das Urteil respektiere. Dass man aber im Interesse der 2'000 Angestellten und ihrer Familien alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen werde, um eine Einstellung des Minenbetriebs zu vermeiden.

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