Luzerner Stadtparteien legen ihre Budgets offen

Mark Balsiger: «Die Kommunalparteien sind arm wie Kirchenmäuse»

Wer steckt wie viel Geld in den Wahlkampf?

Die Parteien der Stadt Luzern legen freiwillig – aber nicht ohne Druck – ihre Budgets offen. Am Donnerstag diskutiert der Stadtrat einen Vorstoss zum Thema. Wir haben bei einem erfahrenen Kampagnenleiter nachgefragt – und ein paar überraschende Antworten erhalten.

Transparenz in der Politikfinanzierung ist ein Dauerthema. In der Stadt Luzern verlangt eine überparteiliche Motion von SP, Grünen und Grünliberalen, dass die Stadt Luzern eine gesetzliche Grundlage für eine transparente Politfinanzierung schafft. Beim Stadtrat rennen die Parteien damit offene Türen ein. Der Vorstoss wird diesen Donnerstag im Kantonsratssaal diskutiert (zentralplus berichtete).

In den vergangenen Tagen haben nun alle grossen Parteien in der Stadt Luzern ihre Wahlkampfbudgets offengelegt – SP, FDP und SVP allerdings erst auf Nachfrage der «Luzerner Zeitung». Aus den gerundeten Zahlen ergibt sich folgende Rangliste:

  1. SP: 108’000 Franken
  2. FDP: 97’000 Franken
  3. CVP: 82’000 Franken
  4. SVP: 70’000 Franken
  5. GLP: 65’000 Franken
  6. Grüne: 63’400 Franken
  7. Junge Grüne: 28’100 Franken
  8. Juso: 19’500 Franken
  9. Junge CVP: 9’000 Franken
  10. Junge FDP: 6’080 Franken

Es gibt keine Veranlassung, an diesen Zahlen zu zweifeln.

Wir haben Politikberater Mark Balsiger um eine Einschätzung dieser freiwilligen Offenlegung der Parteien gebeten. Der Buchautor hat selbst verschiedene Politkampagnen begleitet – und erklärt, wie weit das Geld reicht.

Politikberater Mark Balsiger. (Bild: zvg)

zentralplus: Mark Balsiger, überrascht sie der Vorgang, dass alle Parteien nun ihre Budgets offengelegt haben?

Mark Balsiger: Nein, der Druck wirkt. Auf nationaler Ebene ist er seit 2013 spürbar durch Organisationen wie Transparency International Schweiz oder Lobbywatch. Die Schweiz wurde wegen der fehlenden Transparenz schon mehrfach von der Antikorruptionsbehörde GRECO gerügt. Dazu kommt die Volksinitiative, die mehr Transparenz fordert. Das Thema ist jetzt im Luzerner Stadtparlament angekommen, die Motion dazu sorgt für Aufmerksamkeit.

zentraplus: Wie schätzen Sie die bekanntgegebenen Beträge ein, sind das realistische Zahlen?

Balsiger: Es gibt keine Veranlassung, an diesen Zahlen zu zweifeln. Wer eine Ahnung hat von Wahlwerbung, kann sie überprüfen. Wer schwindelt, würde auffliegen. Problematisch ist, dass die meisten Leute keine Ahnung haben, was der Wahlkampf kostet. Ein Beispiel: Wenn eine Partei ihren Prospekt in den rund 40’000 Haushaltungen der Stadt Luzern verteilen lassen will, kostet sie das rund 22’000 Franken. Die Kosten für die Grafikerin und den Druck sind noch nicht dabei.

zentralplus: Die Stadtparteien legen ihre Budgets offen – ist damit nun Transparenz geschaffen?

Balsiger: Anhand dieser Zahlen lässt sich erkennen, dass Kommunalparteien arm sind wie Kirchenmäuse. Dasselbe gilt übrigens auch auf kantonaler und nationaler Ebene. Der Diskurs, wie er in der Schweiz seit Jahren geführt wird, ist einseitig. Mit kräftiger Unterstützung der Medien wird suggeriert, es seien enorme Summen im Spiel. Das trifft weder auf Wahlen noch auf Abstimmungen zu. Anders sieht es im Lobbying aus.

Statt die Parteien und Kandidierenden unter Generalverdacht zu stellen, sollte man ihr Gratis-Engagement zumindest zur Kenntnis nehmen. Besser noch: es würdigen.

zentralplus: Davon abgesehen, ob die Budgets der Parteien nun gross oder klein sind: Müssten nicht auch Grossspender ausgewiesen werden, damit die Zahlen Aussagekraft erhalten?

Balsiger: Nochmals – der Diskurs ist einseitig. Es gibt einen anderen Aspekt, der zu kurz kommt: In jeder Partei werden zahllose Stunden Fronarbeit geleistet – Workshops, grafische Arbeiten, Webdesign, Plakate aushängen, wochenlang Flyer verteilen. All das für den Wahlkampf. Statt die Parteien und Kandidierenden unter Generalverdacht zu stellen, sollte man ihr Gratis-Engagement zumindest zur Kenntnis nehmen. Besser noch: es würdigen.  

zentraplus: Ein Versuch noch. Ganz konkret: Wo soll die Schwelle festgelegt werden, ab der einzelne Spenden offengelegt werden?

Balsiger: Die Transparenz-Initiative, über die wir auf nationaler Ebene bald abstimmen können, verlangt, dass Spenden über 10’000 Franken offen deklariert werden. Das ist ein moderater Vorschlag. Auf kommunaler Ebene müsste die Schwelle tiefer angesetzt werden.

Die Budgetlimiten sind immer schnell erreicht.

zentralplus: Es gibt auch Spender, die gerne anonym bleiben möchten – werden diese durch die Offenlegung abgeschreckt?

Balsiger: Es entspricht nicht der Schweizer Kultur, über Geld oder Löhne zu sprechen. Diese Tradition wird nun zumindest im Bereich der Parteienfinanzierung aufgeweicht. Wenn Spenden schon in der Höhe von 500 oder 1’000 Franken offen deklariert werden müssen, stört das einige der Donatorinnen und Donatoren. Ihre Zuwendungen würden in Zukunft ausbleiben, Parteien hätten noch weniger Geld zur Verfügung.

zentralplus: Wie investieren die Parteien eigentlich ihr Kampagnenbudget?

Balsiger: Die klassischen Werbemittel machen noch immer den Hauptteil aus, also Aussenwerbung, Flyer, Inserate und Standaktionen mit Give-aways. Andere investieren mehr im Netz, also Bannerwerbung und dergleichen. Die Budgetlimiten sind immer schnell erreicht.

zentralplus: Inwiefern stärkt das Transparenzbegehren, das aktuell in der Stadt Luzern diskutiert wird, wirklich die Demokratie?

Balsiger: Transparenz ist zunächst ein Schlagwort. Ich selber bin ambivalent: Transparenzregeln finde ich sympathisch. Aber das Risiko ist gross, dass der Berg eine Maus gebiert. Die lange Debatte, die wir führen werden, kann auch negative Folgen haben. Dies wenn die Leute die abstrakten Zahlen und Limiten nicht einordnen können. Was zur Debatte gehört, ist die staatliche Parteienfinanzierung. Der Kanton Genf kennt eine solche bereits und fährt gut damit.

Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Werner Schnieper
    Werner Schnieper, 12.03.2020, 18:55 Uhr

    Wieviel Geld politische Parteien in Abstimmungen und Wahlkämpfe investieren und worüber sie der Öffentlichkeit nun Einblick geben wollen, das ist nur «die halbe Wahrheit». Das zeigt sich gerade jetzt beim Wahlkampf um den Luzerner Stadtrat und ums Stadtpräsidium, wo einem der eine Kandidat an fast jeder Plakatwand und in allen VBL-Bussen begegnet. Nicht offengelegt wird, wieviel die vielen Komitees von ihren Mitgliedern erhalten und für Plakate und/oder Inserate ausgeben. Interessant zu wissen wäre auch, wieviel die einzelnen Kandidierenden ihren Wahlkampf kosten lassen.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon