So lässt sich Al-Berto zu seiner Musik inspirieren

Raus aus der IT-Welt, rein in die Wellen

Alberto Würsch reist jedes Jahr für mehrere Monate ans Meer zum Surfen. Daraus entsteht häufig Musik.

(Bild: zVg)

Der Wahl-Krienser Albert Würsch bricht jedes Jahr für mehrere Monate aus seinem Leben als Informatiker aus. Zu sehr locken ihn die Wellen, die geheimen Surfspots der Welt. Aus diesen Erlebnissen wiederum entsteht Musik. Gerade erst erschien das vierte Album von Al-Berto & The Fried Bikinis. Klingt heiter? Nicht nur.

Al-Berto & The Fried Bikinis. Klingt nach grosser Band, ist aber eigentlich «nur» Albert Würsch. Der Engelberger entdeckte auf seinen ausgedehnten Reisen Musik, die perfekt das von ihm erfahrene Lebensgefühl wiedergaben. Das Gefühl von Freiheit, von beeindruckenden Landschaften, von Weiten und der Nostalgie – Surfmusik.

«Die Surfmusik von heute hat nicht mehr zwingend viel gemein mit der originalen Surfmusik der Sechziger», erzählt Albert während eines Interviews bei einer Tasse Kaffee. «Natürlich ist die typische Spring-Reverb-Gitarre immer noch allgegenwärtig, aber für mich gehört all die Musik zum Surfsound, die mit dem Surfen in Verbindung gebracht wird.»

Wir schmunzeln beide ob dieser Aussage, aber wer die bisherigen Alben von Al-Berto and the Fried Bikinis kennt, versteht, was er meint. So verschieden die Songs auch klingen, so divers die Soundscapes, so steckt immer ein Quäntchen Fernweh und ein Hauch Entschleunigung drin. So auch beim neuen Album «Yallingup».

Zwischen Fernweh und Heimweh

Das vierte Album ist, wie schon die vorherigen, nach einem Surfspot benannt: Yallingup – eine kleine Aboriginal-Community südlich von Perth in Westaustralien. Die bereits veröffentlichte Singleauskopplung «Feet in the Sand» erweckt dann auch genau die Bilder, die man sich unter der Westküste Australiens vorstellt: lange Strände, blaues Meer, ein kühler Wind, der die Hitze erträglicher macht.

Vielleicht fährt man mit dem Auto der Küste entlang, mit runtergekurbelten Fenstern, einen Ellenbogen lässig raushängend – oder man sitzt im Zug nach Zürich, blickt auf die Berge am Horizont und träumt vom Meer.

Überhaupt klingt das Album als Ganzes wie der Soundtrack zu einem Roadtrip: Die gezupfte Gitarre, der unaufgeregte Gesang, die leichten Schlagzeug-Beats, Ohrwurm-Hooks und der Zwang, mit Kopf und Oberkörper leicht mitzuwippen. Das Album verlangt nach Ferienstimmung, da passt es, dass bereits der zweite Song den Titel «My Brain is on Vacation» trägt.

Auf der Suche nach der Welle

Für Würsch sind Surfmusik und Surfsport untrennbar. Als Halb-Guatemalteke wuchs er zum Teil in Südamerika auf, wobei er die Ferien mit seiner Familie meist am Meer verbrachte. «Mein Vater war leidenschaftlicher Boogie-Boarder, wenn auch nicht der Beste», erinnert sich Würsch. «Von klein auf hat er mich mitgenommen und mir so seine Leidenschaft mit auf den Weg gegeben.»

«Die besten Spots aber sind für mich die, an denen es keine Menschen gibt.»

Alberto Würsch, Surfer, Musiker, Informatiker

Das Surfen bestimmt noch heute sein Leben, obwohl Würsch mittlerweile in Kriens lebt. Mehrere Monate im Jahr verbringt er auf Reisen, auf der Suche nach den besten Wellen. «Surfspots gibt’s unzählige auf der Welt und gute Wellen haben sie alle», erzählt Würsch. «Die besten Spots aber sind für mich die, an denen es keine Menschen gibt. Ich meide die berühmten Orte. Ich mag es nicht, mit vierzig anderen um eine Welle zu kämpfen.»

Zum Surfen, verrät er, muss man aber nicht zwingend ins Ausland. «In Bremgarten zum Beispiel gibt es richtig gute Wellen auf der Reuss.»

Würsch zückt sein Handy und zeigt Videos vom vergangenen Wochenende. Darauf sind er und Freunde zu sehen, die auf einer beachtlichen Welle surfen. «Die Welle entstand, soweit ich weiss, durch Zufall, als vor einigen Jahren eine Fabrik abgerissen wurde.»

So geheim ist die Welle in Bremgarten mittlerweile nicht mehr. «Bei gutem Wetter muss man schon Geduld haben, bis man dran ist. Zudem haben auch die Kajakfahrer die Reuss für sich entdeckt.» Würsch zuckt mit den Schultern und lacht leise. «Aber das gehört dazu. Beim Surfen darf man’s nicht pressant haben.»

Ein klingendes Reisetagebuch

Pressant hat Al-Berto es auch nicht mit der Musik. Auf seinen Reisen lässt er sich inspirieren, mal am Meer, immer öfter auch in den Bergen. «Manchmal kommt eine Textzeile, manchmal eine Melodie auf der Gitarre, ohne dass ich sie suchen würde», erzählt Würsch. «Diese Ideen sammle ich dann, und wenn genügend viele vorhanden sind, beginnt die eigentliche Arbeit.»

Die Arbeit ist das Arrangieren dieser Ideen, das Formgeben, die meist mit der Aufnahme im Studio vollendet wird. Erst dann kommen die Fried Bikinis ins Spiel. Die Band, die Albert Würsch auf seine Konzerte begleitet, ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen von befreundeten Musikern. «Die Studioaufnahmen bilden unsere Ausgangslage, aber wir lassen uns für die Bühnenarrangements genügend Freiheiten, damit jeder von uns auf seine Kosten kommt.»

Licht und Schatten

So «laid-back» wie Al-Berto & The Fried Bikinis daherkommen, so tief gehen dann doch manche Tracks auf dem Album. Sie setzen sich mit den Schattenseiten dieses Lebensstils auseinander – die Selbstobsession, die einen überkommen kann, die Illusion der eigenen Freiheit und Abgründe, die sich in unseren Gedanken auftun können. Untermalt mit dem Surfsound, der sich durch die ganze Platte zieht, kommt beim Hören eine leichte Wehmut auf, die es nicht mit dem Fernweh zu verwechseln gilt.

«Das Nachhausekommen kann genauso schön sein wie das Verreisen. Und im Moment stimmt die Mischung.»

Albert Würsch

Jenes Fernweh, das Albert Würsch um die ganze Welt reisen lässt, so oft und so lange es die Umstände erlauben. «Ich habe echt Glück: Mein Arbeitgeber lässt es zu, dass ich so viel reise. Hilfreich ist dabei natürlich, dass die IT-Branche oft projektbasiert funktioniert», sagt Würsch, der als Informatiker in einem Zuger IT-Büro arbeitet.

Ganz auswandern, etwa in ein Surfparadies, steht derzeit nicht zur Debatte. «Das Nachhausekommen kann genau so schön sein wie das Verreisen. Und im Moment stimmt die Mischung.»

Würsch sitzt immer noch entspannt am Tisch, die Augen zum Schutz gegen die Mittagssonne leicht zusammengekniffen. «Ich geniesse es, solange ich kann. Solange ich Freude daran habe, diese Musik zu schreiben, und die Fried Bikinis, sie zu spielen, solange es Menschen gibt, die unsere Musik hören, solange es Wellen gibt, die brechen, solange mache ich weiter.»

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