Game oder Leben? Wenn es keine Trennung mehr gibt …
Der neue deutsch-schweizerische Kinofilm «Der Polder» lässt Realität und Fiktion verschwimmen. Und das Game, von welchem der Film handelt, existiert tatsächlich. Mit dabei ist der Luzerner Schauspieler Philippe Graber. Er entdeckt in der Thematik alltägliche Phänomene.
Schaut man sich den Trailer von «Der Polder» an, kann man sich ganz schön gruseln. Doch die trashige Ästhetik und die Thematik ziehen auch Nicht-Gamer in ihren Bann: Menschen vereinsamen vor ihren Computern und Smartphones und lassen mächtige Konzerne und digitale Player in ihre Leben eindringen. Was sind die Folgen? Wo die Gefahren?
Der Fantasy-Film schickt seine Zuschauer in eine Welt aus digitalen Nebenwelten und treibt die Verwischung von Realität und Game-Welt bis zum Äussersten. Bereits wurde er mit dem «Méliès d’Argentin Trieste» als bester europäischer Science-Fiction-Film ausgezeichnet.
Eine paranoide Welt greift um sich
Der Film ist die Fortsetzung des Alternate-Reality-Games «Der Polder», das 2013 für Aufsehen gesorgt hatte, da es, mit Theater vermischt, in drei Städten der Schweiz tausende Spieler anlockte. Hinter dem Game und dem Film steckt die Theatergruppe «400asa» von Samuel Schwarz und Julian M. Grünthal. Seit 2009 arbeiten sie an diesem Transmediaprojekt, worin Game-, Film- und Theaterwelt ineinandergreifen.
Die Geschichte: Ein Spieleentwickler stirbt kurz vor der Fertigstellung eines neuen Gadgets, welches das ultimative Spielerlebnis bietet. Seine japanische Witwe findet heraus, dass bei der Testreihe des Spiels in China Furchtbares geschehen ist. Sie gerät bei ihren Recherchen immer tiefer in die paranoide Welt aus Hexen, Terroristen und Magie, in das Geheimnis des Games, verliert zunehmend den Bezug zur Realität und vernachlässigt dabei auch ihren Sohn. Dieser hat sich inzwischen in das Game eingeloggt – und verschwindet in der digitalen Parallelwelt.
Transhumanismus mehr als ein Schlagwort
Im Film mit dabei ist der Luzerner Schauspieler Philippe Graber. Der 41-Jährige lebt die meiste Zeit in Hamburg, ist jedoch für die Premiere des Films gerade in der Schweiz.
Graber spielt in «Der Polder» gleich zwei Rollen: Fritz Stauffacher und Soeren Madsen. Und er ist Teil des dazugehörenden App-Suchspiels im realen Raum.
Die Thematik ist für Graber gar nicht so abwegig. «Was ist die Realität, was ist Fiktion? Ich denke, diese Frage beschäftigt viele. Natürlich denken wir, dass wir den Unterschied kennen, doch Firmen und auch Regierungen sind schon lange davon abgerückt, nur irgendwelche Werbungen und Botschaften zu plakatieren. Sie betreiben ganz aktiv Storytelling.»
«Viele von uns sitzen täglich Stunden vor dem Computer. Im Zug und Tram schaut jeder Zweite ins Smartphone.» Transhumanismus sei mehr als nur ein Schlagwort. Genau diese Fragen seien sehr aktuell und würden im Film mit einem Augenzwinkern gestellt, so Graber.
Dauernde Anspannung ist gefragt
Mit den Regisseuren Samuel Schwarz und Julian Grünthal hat er schon einige Theaterarbeiten und auch den Film «Mary & Johnny» gemacht. Dabei geht es meistens um grosse Stoffe, die dann in unseren heutigen Kontext gestellt werden. «Dazu gehört auch die Vermischung von Theater, Film und Game. Bei ‹Polder› wird das nun auf die Spitze getrieben.»
Die grösste Herausforderung für Graber sei gewesen, seine beiden Rollen voneinander abzuheben. Die Maske habe ihm dabei am meisten geholfen. «Wenn ich an einem Tag beide Rollen gedreht habe, sass ich immer zwei Stunden in der Maske. Ausserdem war es wichtig, einen hohen inneren Stressfaktor aufzubauen, denn die Figuren stehen dauernd vor schweren Herausforderungen.» Es brauche eine starke und andauernde Anspannung. «Die Figur weiss auch nicht mehr mit Bestimmtheit, ob sie überhaupt existiert oder vielleicht nur die Fantasie eines anderen ist. Das kann ganz schön ungemütlich werden», amüsiert sich Graber.
Vom Polder zum Flitzer
Rund acht Wochen wurde gedreht – in Zürich und im Studio in Ludwigsburg. Auch die Regisseure spielen mit. Und am ersten September-Wochenende läuft der Film in den Kinos an.
Auch neben der Produktion läuft es für Philippe Graber gerade nicht schlecht. Demnächst kommt «Ostfriesisch für Anfänger» in die Kinos, in welchem er an der Seite von Dieter Hallervorden spielt. Dann spielt er in «Papa Moll» und anschliessend an der Seite von Beat Schlatter den Flitzer im Film «Flitzer». Auf der Bühne ist er im Dezember am Konzerttheater Bern in «Amerika» von Kafka als Hauptrolle Karl Rossmann zu sehen.