Studentenhaus in Hergiswil vor Fertigstellung

Ein Haus gegen die faulen Ausreden der Studenten

Cornelius und Amanda Jaeger-Herzog auf der Dachterrasse des «Universe 9».

(Bild: ida)

Günstiges Wohnen für Jung und Alt: Im Studentenhaus «Universe 9» in Hergiswil NW treffen verschiedene WGs unter einem Dach aufeinander – auch ein Café, ein Yogaraum und eine Velowerkstatt stehen den knapp 100 Bewohnern ab Februar zur Verfügung. Die Realisierung eines Jugendtraumes?

«Ich glaube, meine Motivation für die Durchführung dieses Projekts ist es, gemeinsam mit dir etwas auf die Beine zu stellen. Gemeinsam mit dir den Alltag zu teilen», sagt Amanda Jaeger-Herzog und schaut ihrem Mann in die Augen. Cornelius Jaeger-Herzog nimmt entschieden ihre Hand und überhäuft diese mit Küssen.

Ende September gab das Unternehmerpaar aus Kastanienbaum bekannt, ein neues Studentenhaus in Hergiswil eröffnen zu wollen. Seit Anfang November befindet sich das Heim in Umbau – Mitte Februar sollen die Zimmer bezugsbereit sein (zentralplus berichtete).

«Für mich ist es ein Traumhaus, wie ich es mir als junger Mann, der in die Welt hinausgeht und starten möchte, vorgestellt hätte. Es ist die Verwirklichung eines Jugendtraumes», erklärt Cornelius Jaeger-Herzog. «Naja, Traumverwirklichung klingt vielleicht ein wenig pathetisch», fährt er fort. Für ihn sei das Studentenhaus das Umsetzen eines Wohnhauses, das den faulen Ausreden den Garaus machen will. Stets werden Entschuldigungen formuliert, weshalb man nach einem strengen Arbeits- oder Schultag nicht mehr ins Fitness fahren könne oder morgens nicht aus dem Bett käme. Diese inneren Kämpfe kenne er: «Im ‹Universe 9› ist jedoch alles unter einem Dach.»

Das Studentenhaus «Universe 9» beherbergt neben Wohnzimmern unter anderem einen Tanz- und Bewegungsraum, eine Velowerkstatt, einen Laden, ein Café und ein Nähatelier (zentralplus berichtete). Also eine Art Mini-Universum, das sich die beiden aufgebaut haben. Über vier Stockwerke erstrecken sich verschiedene Wohngemeinschaften – die kleinste eine Sechser-, die grösste eine 13er-WG. «Venus» und «Mars» lauten etwa die Namen der WGs. Rund 40 Prozent der Zimmer sind bereits gebucht.

Die Verwirklichung eines Jugendtraumes – zu affektiert?

Amanda Jaeger-Herzog hat traditionelle chinesische Medizin studiert und leitet eine eigene Praxis. Cornelius Jaeger-Herzog hat sein Studium in Informatik und Anthropologie abgeschlossen. Eigentlich nicht typische Studiengänge für Unternehmer, könnte manch einer denken.

Cornelius Jaeger-Herzog hat jedoch bereits einige Erfahrungen als Unternehmer gesammelt. Das Studentenhaus sei das vierte Unternehmen, jedoch das erste, das er gemeinsam mit seiner Frau führt. «Vielleicht sind wir ja Unternehmer von Natur aus», meint Amanda Jaeger-Herzog lachend.

«Unser Wesen, unsere Art, zu leben, beeinflussen das Projekt enorm.»

Amanda Jaeger-Herzog

Das Paar hat sich mit diversen Projekten auseinandergesetzt – nicht nur im Immobilien-, sondern auch im medizinisch-therapeutischen Bereich. Bis die Chance mit dem Gebäude am Obermattweg 9 in Hergiswil aufgetaucht sei: «Wir wussten einfach, dass es das Richtige ist», so Amanda Jaeger-Herzog. «Je länger, je mehr zeigt sicht, dass Hergiswil der perfekte Ort für die Umsetzung unseres Projekts ist.» Zum einen sei es die Lage: gut an den Verkehr angebunden, doch auch an die Natur, den See und die Berge. Mit dem Velo oder dem Zug ist man nur wenige Minuten von diversen Bildungsstätten entfernt.

«Unser Wesen, unsere Art, zu leben, beeinflussen das Projekt enorm», sagt sie weiter. Es sei ihr wichtig, jungen Menschen nicht nur günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Der Austausch von Menschlichkeit vor Ort wäre zentral. «Genau», stimmt ihr Mann ihr zu. «Ein Zimmer zum Leben alleine reicht nicht. Das ist noch kein Leben. Man ist zwar versorgt, aber das Leben ist fern.»


 

«Universe 9» – das knallrote Studentenhaus am Obermattweg 9 in Hergiswil.

«Universe 9» – das knallrote Studentenhaus am Obermattweg 9 in Hergiswil.

(Bild: ida)

Der Charme des Hauses

Schlendert man durch die Stockwerke, trifft man auf gutgelaunte Bauarbeiter. Es wird gesungen und gelacht: «Von Ländlermusik bis hin zu Vollgas-Techno und mazedonischer Volksmusik hört man hier alles», erzählt Amanda Jaeger-Herzog. Und Cornelius Jaeger-Herzog erzählt eine Anekdote. Die Plattenleger habe man beauftragt, Platten zu kaufen. Egal, welche Farbe, Form oder Dicke. Die Plattenleger haben die Freiheit erhalten, die Badezimmer so kunstvoll und bunt zu gestalten, wie es ihnen gefällt. Gesagt, getan: «Bei jedem Badezimmer werden sie nun etwas mutiger und kreativer», so Cornelius Jaeger-Herzog.

«Universe 9» – das etwas andere Studentenhaus

Das Studentenhaus Am Obermattweg 9 in Hergiswil bietet Platz für insgesamt 95 Personen. Die Räumlichkeiten erstrecken sich über vier Stockwerke. Die Zimmergrösse liegt zwischen 12 und 22 Quadratmetern. Einzelzimmer können ab 400 Franken bezogen werden, Zweibettzimmer für 375 Franken pro Person. Im «Universe 9» stehen den Bewohnern auch ein Bewegungsraum mit Tanz-, Yoga- und Kampfsportkursen oder eine eigene Velowerkstatt zur Verfügung. Am 3. März findet die Eröffnung statt.

Das «Universe 9» ist momentan zwar noch von einer einzig grossen Baustelle umgeben. Doch die kreative Ader der beiden Betreiber zeigt sich. An den Decken sind rot- und gelbfarbene Leitungen angebracht. Wände sind teils klassisch weiss gestrichen, teils wurden knallorange Wände so belassen, um auch die Geschichte des Hauses zu beschreiben. Andere Wände sind gar nicht bemalt. Zimmer bieten eine Berg- und Seesicht, gewähren einen Blick in das Grüne des Waldes oder in das Dorfleben von Hergiswil. Trotz Baustellenlärm, Staub und Dreck: Die Lebenskraft, die das «Universe 9» bereits jetzt schon ausstrahlt, ist deutlich zu spüren.

Auch Spiritualität findet im neuen Studentenhaus seinen Platz

Doch weshalb brauchen Studenten einen Tanzraum? «In der Bewegung kann man sich auflösen. Man kommt vom gedankengetriebenen, intellektualisierten Körper weg und emotionale Geschichten kommen hervor», so Cornelius Jaeger-Herzog, der mit seiner Frau tanzt und Aikido betreibt. Gerade als Student, wenn man konstant intellektuell beschäftigt sei, staue sich oftmals viel an. Die Spiritualität der beiden ist stark wahrnehmbar. Bewusst habe man sich gegen ein Fitnesscenter entschieden, denn es gehe nicht um Leistungsdruck, exzessives Auspowern und darum, möglichst viele Gewichte zu heben.

Blick mit Berg- und Seesicht.

Blick mit Berg- und Seesicht.

(Bild: zvg)

Ein Hippiehaus?

Wird das ein Hippiehaus, in dem alle alles miteinander machen? «Wir ermutigen das Zusammenleben», so Cornelius Jager-Herzog. «Dennoch ist Privatsphäre genauso wichtig.» Jeder Mensch brauche Rückzugsmöglichkeiten und einen Ort für sich, um zur Ruhe zu kommen. Dies sei essenziell, meint er. Durch gemeinsame Aktivitäten wolle man das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Die Toleranz und den Respekt zum Gegenüber fördern.

«Das Universum hört nicht bei den Mauern des Gebäudes auf.»

Cornelius Jaeger-Herzog

Zimmer des Studentenhauses werden nicht nur an Studenten vermietet, sondern auch an Lehrlinge, wenig Verdienende und Pensionäre: «Wir wollen keine Menschen abkapseln, es sollen auch Nachbarn vorbeikommen», so Cornelius Jaeger-Herzog. «Das Universum hört nicht bei den Mauern des Gebäudes auf.» Angebote des Studentenhauses wie der Tanz- und Bewegungsraum oder auch das «Lädeli» sollen für Auswärtige zugänglich sein.

«Wir stellen Raum für das Ausleben der eigenen Kreativität zur Verfügung.»

Cornelius Jaeger-Herzog

Mit ihrem Haus wollen sie auch Hergiswil auffrischen – die Gemeinde ist bekannt als wohlhabende und tendenziell älter werdende Gemeinde. Dies stelle einen starken Kontrast zum Grossteil der jungen Bewohner dar. «Wir hoffen, dass auch Nachbarn und Menschen aus Hergiswil ihren Kaffee hier geniessen werden», so Cornelius Jaeger-Herzog.

Das Paar selbst wohnt in einem Haus, das es sich mit drei Familien teilt. «Es ist nicht so, dass wir jemandem etwas zur Verfügung stellen und dies selbst nicht leben», sagt Amanda Jaeger-Herzog.

Das Café des Studentenwohnhauses: Hier soll generationenübergreifend an einer Tasse Espresso genippt werden.

Das Café des Studentenwohnhauses: Hier soll generationenübergreifend an einer Tasse Espresso genippt werden.

(Bild: ida)

«Wir müssen uns keine goldene Nase daran verdienen»

Auf die Frage, wie Preise für Einzelzimmer ab 400 Franken möglich seien, reagiert Cornelius Jaeger-Herzog nur mit einem Lachen: «Wir haben eine andere Renditevorstellung. Diese ist weit entfernt vom Marktüblichen», erklärt er. Der wirtschaftliche Gewinn sei zwar schon vorhanden, jedoch nicht vordergründig. Auch andere Investoren, die ähnliche Projekte realisieren möchten, wolle man unterstützen. Das Projekt soll zeigen, dass Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werde, jedoch die Renditenmaximierung nicht im Fokus stehe. «Das sind für uns getrennte Sachen», schlussfolgert Cornelius Jaeger-Herzog.

Platz für kreative Köpfe: Die Wände dürfen und sollen auch bemalt werden.

Platz für kreative Köpfe: Die Wände dürfen und sollen auch bemalt werden.

(Bild: ida)

Raum für Kreativität – Spuren hinterlassen

Das Konzept und die Ausführung des Studentenhauses seien bewusst noch nicht in Stein gemeisselt. «Wir stellen Raum für das Ausleben der eigenen Kreativität zur Verfügung», sagt Cornelius Jaeger-Herzog. «Universe 9» stelle eine Plattform dar, in der sich Menschen mit dem Haus identifizieren können, meint auch Amanda Jaeger-Herzog.

«Man darf Kunst und sein eigenes Herz einbringen. Den eigenen Fussabdruck hinterlassen.»

Amanda Jaeger-Herzog

«Ziel ist es, den Künstler in jedem selbst zu wecken», fährt sie fort. Kreativität gehe verloren, wenn man alles bis ins kleinste Detail planen würde, erzählt sie weiter. Die Bewohner dürfen ihre Zimmer so gestalten, dass sie sich zu Hause fühlen. Wände dürfen bemalt werden: «Man darf Kunst und sein eigenes Herz einbringen. Den eigenen Fussabdruck hinterlassen», fährt sie fort.

Motto im «Universe 9»: «Have Faith of your Path. Follow your Intuition»

Motto im «Universe 9»: «Have Faith of your Path. Follow your Intuition»

(Bild: ida)

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