Der Rundgang durch die «niedere» Stadt

Die Luzerner Baselstrasse beherbergt verborgene Bauschätze

Der kantonale Denkmalschützer Mathias Steinmann führt durch das Baselstrasse-Quartier und erklärt die Stadtgeschichte.

(Bild: giw)

Wer durch die bunte und zuweilen laute Baselstrasse schreitet, denkt kaum an wertvolle Architektur und Stadtgeschichte in der Umgebung. In der Realität trieft das Quartier von Geschichte, wie ein Rundgang durch das Gebiet zeigt. Die Historie kann dabei in den Augen des modernen Stadtbewohners durchaus unangenehm sein.

Die Stadt Luzern ist voller Gebäude mit Sonderstatus: Rund 17 Prozent aller Häuser werden in der Leuchtenstadt als schützenswert oder erhaltenswert eingeschätzt. Das zeigt das kantonale Bauinventar, das in der Stadt im Dezember 2017 in Kraft getreten ist.

«Das Bauinventar ist eine wichtige Grundlage, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und die architektonischen Schätze zu erhalten», schreibt die Stadt und bietet derzeit Quartierrundgänge an, bei denen sich Interessierte ein Bild machen können über den reichhaltigen Fundus.

Dabei zeigt sich: Nicht nur in der Altstadt oder entlang der Museggmauer kommen Liebhaber von Architektur und Geschichte auf ihre Kosten. Auch an der Baselstrasse und im Senti-Gebiet gibt es einige Bijoux zu entdecken. Gegen 40 Personen nahmen unter der Schirmherrschaft der sehr warmen Juni-Sonnenstrahlen an der Führung teil.

Anhand von Karten und einzelnen Bauobjekten skizzierte Mathias Steinmann, Leiter Bauinventar beim Kanton Luzern, die Geschichte des Quartiers nach, das sowohl im Mittelalter als auch noch heute nicht die feine Stadtgesellschaft beherbergte.

Das Schulhaus St. Karli, das im Jahr 1908 gebaut wurde.

Das Schulhaus St. Karli, das im Jahr 1908 gebaut wurde.

(Bild: giw)

Eine Stadt im Wachstumsschub

«Erst ab 1850 entstanden die Baselstrasse und die Sentimatt in ihrer heutigen Form», erklärte Steinmann gleich zu Beginn. In kurzer Zeit explodierte die Stadtbevölkerung damals förmlich, es war eine Zeit des Aufbruchs und der Tourismusboom stellte sich ein. Waren es Mitte des 19. Jahrhunderts rund 7’000 Einwohner auf dem Stadtgebiet, so wuchs die Bevölkerung bis 1900 auf über 30’000. 

Um Platz für die vielen Zuwanderer, etwa aus Italien oder vom Land, zu schaffen, mussten neue Wohngebiete erschlossen werden. Denn Alt- und Kleinstadt platzen damals aus allen Nähten. Ein Beispiel für die Stadtentwicklung ist dabei auch das Gebiet St. Karli auf der anderen Reussseite.

Einfache Mietshäuser schaffen Wohnraum

Das war bis 1850 ein Landsitz mit einer Reihe von Bauerngütern im Umfeld. Nach und nach wurden daraus Wohnhäuser – unter anderem baute man dort 1908 das Schulhaus im Heimatstil. Die Architektur erinnert mit seinen verspielten Dachformen an die historischen Bauernhäuser in der Luzerner Landschaft und kam damals in der Jahrhundertwende in Mode. Auch auf Druck des Heimatschutzes.

Dem gesamten Gebiet entlang wurden während der Landflucht einfache Mietshäuser im Heimat- und klassizistischen Baustil hochgezogen. In der Regel von grossen Generalunternehmen, die Bauherrschaft und die Architektur vereinten. Ein Beispiel ist die Häuserzeile entlang der Dammstrasse. Gleiches geschah auch in anderen Quartieren wie später beispielsweise in der Neustadt.

Diese Häuser an der Dammstrasse aus der Zeit der Jahrhundertwende stehen als Beispiel für den funktionalen Baustil während der Wachstumsphase der Stadt.

Diese Häuser an der Dammstrasse aus der Zeit der Jahrhundertwende stehen als Beispiel für den funktionalen Baustil während der Wachstumsphase der Stadt.

(Bild: giw)

Aus Gefängnis wird Grossüberbauung

Das Gebiet um das ehemalige Sentispital – dort, wo heute unter anderem der Sentitreff untergebracht ist – war über Jahrhunderte reserviert für die unangenehmen Aspekte der Gesellschaft. Im Spital selbst wurden Aussätzige behandelt, auf der anderen Strassenseite befand sich die Strafanstalt.

Heute zeugt die Grossüberbauung Sentihof aus den 50er-Jahren von dieser Vergangenheit, unter anderem mit einem der ersten Hochhäuser Luzerns. Und wenig überraschend beherbergte der Kasernenplatz an der Stelle des heutigen Naturmuseums die alte militärische Infrastruktur der Stadt.

Das ehemalige Sentispital für Aussätzige, gleich im Anschluss folgte das Sentitor mit dem dritten und letzten Wehrring der Stadt Luzern.

Das ehemalige Sentispital für Aussätzige, gleich im Anschluss folgte das Sentitor mit dem dritten und letzten Wehrring der Stadt Luzern.

(Bild: giw)

Auch eine Schlachterei befand sich in unmittelbarer Umgebung. Und ausserhalb der dritten Ringmauer der Stadtbefestigung, gleich nach dem damaligen Sentitor, befanden sich der Richtplatz und das Wohnhaus des Henkers. Die Gebäude stehen heute nicht mehr.

Ein weiterer wichtiger Zeitzeuge ist die ehemalige Buchdruckerei Keller aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, gleich gegenüber dem Altstadt-Parkhaus. Dort wurde unter anderem das «Luzerner Tagblatt» gedruckt.

Die Buchdruckerei Keller an der Baselstrasse, hier wurde unter anderem das «Luzerner Tagblatt» produziert.

Die Buchdruckerei Keller an der Baselstrasse, hier wurde unter anderem das «Luzerner Tagblatt» produziert.

(Bild: giw)

Wie das Schulhaus St. Karli ist es im Heimatstil gebaut – dabei waren die oberen Stockwerke für Wohnungen reserviert, während unten die Druckerei untergebracht war. Diese Aufteilung ist auch von aussen klar durch den Stilbruch erkennbar.

Die Verbindung von Wohnen und Arbeiten ist also ein altes Konzept – Gleiches gilt unter anderem für den Bernerhof. Das schützenswerte rote Gebäude im Historismus-Stil steht prominent am Kreuzstutz-Kreisel und war unten auch von Geschäften gesäumt und oben diente es als Unterkunft.

Tourismus hilft Denkmalschutz

Dass heute noch so viele repräsentative Gebäude in Luzern stehen, das verdanke man auch dem Tourismus. «Die Luzerner erkannten das touristische Kapital der historischen Bauten – deshalb wurden auch kleine Teile der Museggmauer und ihrer Türme stehen gelassen», sagt Steinmann. Das erklärt auch, weshalb Luzern im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden im Kanton einen deutlich höheren Anteil an schützens- und erhaltenswerten Gebäuden hat.

Doch das Bauinventar des Kantons umfasst nicht ausschliesslich herrschaftliche Liegenschaften und moosgesäumte Gemäuer. Auch scheinbar banale Infrastruktur wie die Trafostation kurz vor dem Kreuzstutz-Kreisel steht unter Schutz. «Es steht für die technologische Entwicklung der Stadt und steht deshalb ebenfalls im Denkmalverzeichnis», sagt Steinmann.

Das Trafohaus an der Baselstrasse ist auch Teil des kantonalen Bauinventars.

Das Trafohaus an der Baselstrasse ist auch Teil des kantonalen Bauinventars.

(Bild: giw)

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