Stadtrat muss ran

Zuger Stadttunnel wird aus Dornröschenschlaf geholt

Die städtische SVP-Fraktion, an vorderster Front Gregor Bruhin, verlangt, dass der Stadttunnel eine neue Chance erhält. (Bild: zvg)

Der Zuger Stadttunnel wird wieder ausgegraben. Der Grosse Gemeinderat von Zug beschloss, das Thema, sechs Jahre nach der gescheiterten Abstimmung, wieder in Angriff zu nehmen. Selbst wenn nicht alle im Rat begeistert sind von der Idee.

«Ein Stadttunnel löst die Verkehrsprobleme langfristig», sagt die Mitte-Gemeinderätin Manuela Leemann. I wo, findet Michèle Willimann von den Alternative-die Grünen: «Der würde einzig das Problem verlagern.» Aber Moment mal. Zuger Stadttunnel? Hä? Wer der GGR-Debatte am späten Dienstagabend folgte, wähnte sich um Jahre zurückkatapultiert. Doch, alles real, alles im Jetzt. Der Stadttunnel wurde gerade von der SVP wiederbelebt. Doch dazu später.

Bleiben wir tatsächlich kurz in der Vergangenheit, um uns der schieren Unendlichkeit des Themas noch einmal gewahr zu werden.

Die Erkenntnis, dass die Verkehrsführung durch die Stadt Zug ungenügend ist, feiert nämlich bald ihr 100-Jahr-Jubiläum. Bereits 1928 stellten der damalige Regierungs- und der Stadtrat fest, dass «für den grossen Verkehr in der Stadt Zug neue Verbindungen gesucht werden müssten». Dies entnimmt man einem Bulletin von 1994, welches der Politik und den Quartieren Informationen über die geplanten Umfahrungen Zug-Baar (UZB) lieferten. Bereits da waren mehrere Tunnels in und um die Stadt Zug geplant.

Als es noch keine Powerpoint-Präsentation gab, mussten sich Stadttunnelplaner anders helfen. (Bild: zvg UZB-Bulletin)

Vom klaren Gegner zum Stadttunnel-Afficionado

Damals hoffte man noch optimistisch darauf, das umfangreiche Tiefbauvorhaben bis Ende der 90er-Jahre zu starten. Zu dieser Zeit berechneter Kostenpunkt: circa 600 Millionen Franken. Doch es sollte anders kommen. Insbesondere aufgrund des Widerstands der politischen Linken, die dem Projekt argwöhnisch entgegenblickte (zentralplus berichtete).

«Diese wurde für mich immer wichtiger, auch wenn das bedeutete, dass wir dafür eine Zusatzachse durch den Berg bauen müssen.»

Dolfi Müller, ehemaliger Zuger Stapi

Unter den Gegnern befand sich auch der spätere SP-Stadtpräsident Dolfi Müller, welcher einige Jahre darauf eine ideologische Kehrtwende einlegen sollte. Gemeinsam mit Heinz Tännler weibelte er in den 2010er-Jahren an vorderster Front für das 890 Millionen Franken teure Projekt Stadttunnel, das 2015 krachend unterging. Dolfi Müller erzählt heute: «Im Prinzip war das eine Saulus-Paulus-Entwicklung. In den 90ern fanden wir Linken, dass jede Strasse zu viel sei. Erst später kam das Thema der Aufenthaltsqualität in den Städten auf.»

Er sagt weiter: «Diese wurde für mich immer wichtiger, auch wenn das bedeutete, dass wir dafür eine Zusatzachse durch den Berg bauen müssen.» Die Abstimmungsvorlage kam jedoch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Kanton Zug sass finanziell in der Tinte und begann zu dieser Zeit an allen Ecken und Enden zu sparen. In solchen Zeiten einem Projekt zuzustimmen, das beinahe eine Milliarde Franken kostet, löste bei einer Mehrheit Kopfschütteln aus. Mit 63 Prozent Nein-Stimmen wurde der Stadttunnel 1.0 in die ewigen Jagdgründe spediert. Oder jedenfalls in einen sechsjährigen Dornröschenschlaf.

Die SVP will’s noch einmal wissen

Im Frühjahr 2021 brachte die SVP-Fraktion das Thema wieder auf. In einer Motion verlangt die Partei vom Stadtrat, dass «die Möglichkeiten für die Umsetzung eines Stadttunnels 2.0 zu prüfen» seien. Denn: Die Mobilitätsproblematik habe sich in den letzten sechs Jahren verschärft und werde es auch weiterhin tun. Ausserdem stehe es um die Kantonsfinanzen mittlerweile wieder gut. Die anstehende Orts- und Zonenplanrevision sei eine gute Gelegenheit, «die Option eines Stadttunnels 2.0 auf den Weg zu bringen». Die Fraktion fand mit ihrem Anliegen Gehör beim Stadtrat.

Knappe Flächenressourcen stünden den wachsenden Freiraumbedürfnissen, steigenden Anforderungen an ein leistungsfähiges Verkehrssystem und dem Bestreben der Stadt nach hoher Lebensqualität gegenüber, so der Stadtrat in seiner Antwort. «Aus Sicht des Stadtrats könnte diesbezüglich ein einfacher Zentrumstunnel einen wichtigen Beitrag leisten, indem er allfällige zusätzlich notwendige Kapazitäten schaffen kann respektive einer zusätzlichen oberirdischen Verkehrsentlastung des Zentrums dient.»

Wiederholt sich nun die Geschichte?

Am Dienstagabend also erfolgte die Wiederbelebung der einst totgesagten Tunneldiskussion. Voller Zuversicht eröffnete SVP-Gemeinderat Gregor Bruhin die Debatte: «Ohne einen Tunnel wird es für die Stadt Zug unmöglich bleiben, die Zielharmonie aller Verkehrsteilnehmer zu erreichen. Die Finanzierung ist gesichert. Der Kanton, wie auch die Stadt verfügen über genügend Mittel.» Ganz ähnlich sieht es die FDP, welche ebenfalls einen Vorstoss eingereicht hatte, der ins selbe Horn stösst.

«Vielleicht gehört, verdammt nochmals, dieser Stadttunnel erneut aufs Tapet.»

Urs Bertschi, SP-Gemeinderat

Die Linke sieht die Sache etwas anders. Die SP warnt vor der Symbolik, die ein Stadttunnel mit sich bringen würde: Damit würde ein Zeichen gesetzt, dass es völlig ok sei, wenn man täglich allein mit dem Auto umherfährt.* Fraktionskollegin Michèle Willimann von der ALG ist gar überzeugt, «dass ein Tunnel an der Urne keine Chance hätte» und dass es stattdessen ein Umdenken im Mobilitätsverhalten brauche.

Von der Mitte erhält der SVP-Vorstoss grossmehrheitlichen Zuspruch, Manuela Leemann fordert jedoch vom Stadtrat, dass auch kurzfristige Lösungen gesucht werden. «Denn bis ein solches Projekt ausgereift ist, braucht es sicher zehn Jahre. Ausserdem kann es dann immer noch an der Urne scheitern.»

Und SP-Rat Urs Bertschi erklärt schulterzuckend und seelenruhig: «Vielleicht gehört, verdammt nochmals, dieser Stadttunnel erneut aufs Tapet. Einfach, um zu sehen, dass er gar nicht mehr möglich ist.» Dem widerspricht die zuständige Stadträtin Eliane Birchmeier. «Wir sind im regen Austausch mit dem Kanton. Rechtlich sollte ein Tunnel möglich sein. Und es ist auch noch nicht alles verbaut.»

Ein klarer Auftrag an die Exekutive

Die Reanimation gelingt. Mit 23 zu 9 Stimmen beschliesst der Rat die Erheblicherklärung. Damit muss eine Umsetzung eines Stadttunnel 2.0 nun genau geprüft werden.

Der ehemalige Stadtpräsident Dolfi Müller ist zwar mittlerweile weit weg von der Thematik. Er sitze jedoch «mit viel Wohlwollen auf dem Sperrsitz», wie er es formuliert. Dass das Thema Stadttunnel nun erneut aufflammt, freut ihn durchaus. Ganz abgesehen davon, wie ein konkretes Projekt aussehen wird, glaubt Müller, dass ein neu aufgegleistes Projekt zu diesem Zeitpunkt gute Karten habe. «Nicht nur, weil es finanziell nun deutlich besser um den Kanton Zug steht als noch vor einigen Jahren. Sondern auch, weil sich die Bevölkerung der Klimawende heute bewusster ist. Die Argumentation der Aufenthaltsqualität dürfte heute mehr Gewicht haben als früher.»

*Dieses Zitat wurde in einer ersten Version des Textes fälschlicherweise Martin Iten (CSP) zugeschrieben.

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