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Architekturkritik

Sichtbar anders

In der Altstadt von Luzern wurde am nordseitigen Reussufer herumgebaut. Der Stadtkulisse ist dabei kein merkbarer Schaden zugefügt worden. Die Frage sei dennoch erlaubt: Ist diese Architektur das Modell für den Altstadtumbau der Zukunft.

Für 4,5 Millionen soll die Dachwohnung den Besitzer gewechselt haben und auf die Bewilligung der Balkonanbauten hätten die Architekten sehr lange gewartet. Solche und ähnliche Kommentare sind zu hören, wer im Gespräch auf den Umbau des Hauses Brandgässli 6 in der Luzerner Altstadt zu reden kommt. Die Eingriffe sind auf den ersten Blick zwar kaum zu erkennen. Der Bau bot schon vor der Umgestaltung wenig Spektakel. Nun scheint er mit nur Balkonen ergänzt worden zu sein. Worin also liegt das Problem? 

Das Brandgässli hatte seinen Namen und seine Konturen wegen eines Stadtteilbrands erhalten. 1833 sind zwischen Kornmarkt und Reuss elf Häuser nieder gebrannt, nur die Gewölbe an der Reuss sind stehen geblieben. Den Bauschutt hatte man zur Bildung der ersten Quaiaufschüttung beim heutigen Hotel Schwanen verwendet. Für den Wiederaufbau an der Reuss legten namhafte Architekten ihrer Zeit die Pläne vor. Damals wurden die Bauten um ein Geschoss aufgestockt. Innerhalb des Reussufers stellt die Zeile seither ein Ruhepol dar. 1834 wurde zugunsten einer guten Gesamterscheinung entschieden, was bei den zahlreichen späteren Tourismusumbauten, die im Wettstreit untereinander mit unterschiedlichen Gebäudehöhen und Ziergiebeln punkten wollten, vermisst werden kann. 

Zu verstehen ist, dass nun gerade hier, wo Architekturqualität vorhanden ist, eine Abwägung erfolgen musste, was das zulässige Mass an Erneuerung sein kann. Die Balkone sind von den Architekten als feingliedrige, leicht wirkenden Konstruktionen vor die Gebäude gesetzt worden. Doch an der Reussfront sind sie fremd. Es liegt es an den Nutzern uns zu beweisen, dass sie sich der prominenten Lage bewusst sind und ihre Balkone weder mit Bastmatten noch mit grellen Plastikmöbeln ausstatten. 

Hatte der Stadtteilbrand von 1833 noch den Auftakt in ein neues Zeitalter ausgelöst, steht der hier präsentiert Umbau hoffentlich nicht am Anfang einer Entwicklung, die aus der Reussfront eine Wohnresidenz werden lässt, die sich von einem Wohnquartier nicht unterscheiden lässt.

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