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Städtebaukritik

Entwicklung blockiert

Statt den Häusern eine Mauer vor die Fenster zu setzen, sollen die Bewohner wieder zurück an die Strasse bewegt werden. (Bild: Gerold Kunz)

Eine Lärmschutzmauer soll vor Lärm schützen und nicht anstehende Bauentwicklungen behindern. Die neue Lärmschutzwand an der Ortseinfahrt in Ebikon leistet beides.

Der Schauspieler und Autor Patrick Frey hatte Ende Januar im Luzerner Kleintheater über die beunruhigenden Seiten des Altwerden gesprochen. Er hatte dabei Gegenstände aufgezählt, die ihn überleben werden: der neue Tisch, das frisch bezogene Sofa, die neue Jacke, der Pullover. Damit hat er das Verhältnis zwischen Mensch und Gegenstand ausgelotet.

Seine Aufzählung hat mich an eine eigene Beobachtung erinnert. Vis-à-vis meines Hauses hat der Kanton Luzern eine Lärmschutzmauer errichten lassen, die alle Häuser überdauern wird, die von ihr geschützt werden. Wegen der unterschiedlichen Lebensdauer wird einer künftigen ortsbaulichen Entwicklung voreilig der Riegel geschoben. 

Die in Beton erstellte Wand ist solide und und im Erdreich gut verankert. Im Unterschied zu den Bauten, die sich hinter der Wand befinden: ein- bis dreigeschossige Häuser in Holz- und Massivbauweise, alle zwischen 60 und 100 Jahre alt. Ich vermute, dass diese in den kommenden Jahren durch Neubauten ersetzt werden. 

Die Häuser stammen aus einer Zeit, als das Quartier ein eigenes Leben hatte. In den Erdgeschossen waren Ladenlokale eingemietet, und die Hauptstrasse wurde von Fussgängern belebt. Heute nutzt die Strasse nur der Durchgangsverkehr, und das Quartier lebt in den Nebenstrassen. 

Eine Lärmschutzmauer soll vor Lärm schützen und nicht anstehende Bauentwicklungen behindern. Die neue Lärmschutzwand an der Ortseinfahrt in Ebikon leistet beides. Sie hat den heutigen Zustand für die kommenden Jahrzehnte zementiert. Auch wenn alle Häuser ersetzt sein werden, wird die Mauer und deren Öffnungen noch lange bestehen bleiben. Keine Planung wird hier eine Verbesserung herbeiführen können. Jeder Neubau bleibt hinter dieser Wand verborgen. Es gibt vermutlich kein simpleres Bauwerk, das einen Ewigkeitsanspruch erhebt, wie diese Mauer. 

Aktiver Lärmschutz heisst heute, die Strassen als Lebensraum zurückzugewinnen. Sitze ich im Terrassencafe des Hotel Schweizerhof in Luzern, stört mich der Strassenlärm nicht. Stehe ich an der Strasse vor meinem Haus, sehe ich nichts als Verkehr! Diese Wahrnehmung muss der „Lärmschutz“ korrigieren. Anstelle Mauern zu errichten, die jegliche städtebauliche Entwicklung hemmen, müssen Initiativen zur Belebung der Strassen ergriffen werden. 

Statt den Häusern eine Mauer vor die Fenster zu setzen, soll die Planung Anreize schaffen, um die Bewohner wieder zurück an die Strasse zu bewegen. Gelingt das, wird sich der Strassenraum beleben und der Faktor Lärm rückt in den Hintergrund. Gute Beispiele gibt es genug.

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