Pro und Contra mit zwei Verbänden

Darum fliegen Luzerner Mieter wegen Totalsanierung raus

Mario Stübi (links) präsidiert den Mieterverband, Damian Hunkeler den Hauseigentümerverband. (Bild: Emmanuel Ammon/Aura)

Eine Kündigung wegen Totalsanierung ist für Mieter eine Katastrophe. Im Pro und Contra bezieht der Luzerner Mieter- sowie der Hauseigentümerverband dazu Stellung.

Bis Ende Monat müssen alle Mieter am Bundesplatz 4 ihre Wohnungen verlassen (zentralplus berichtete). Mehr Zeit haben die 150 Mietparteien des Unfallversicherers Suva. Sie müssen erst in zwei bis drei Jahren gehen, wie sie im Februar erfahren haben (zentralplus berichtete). In beiden Fällen wird den Bewohnern wegen Totalsanierung gekündigt.

Was für Betroffene ein Schock ist, ist für viele Hauseigentümer unumgänglich. Denn Bauteile haben eine Lebensdauer, und nicht jede Sanierung gelingt bewohnt. Dass die Mieten nach solchen Sanierungen aber höher sind, sorgt bei vielen für Stirnrunzeln.

Sind wirklich alle Kündigungen wegen Totalsanierung nötig? Oder wollen manche Eigentümer nur teureren Wohnraum schaffen, um ihre Rendite zu erhöhen? Dazu haben Mario Stübi, Präsident des Luzerner Mieterverbands und SP-Grossstadtsrat, und Damian Hunkeler, Präsident des Hauseigentümerverbands und FDP-Kantonsrat, Stellung bezogen.

zentralplus: Wird zu vielen Luzerner Mietern wegen Totalsanierung gekündigt?

Mieterverband: Aus der Beratungserfahrung unseres Verbands muss ich sagen: wahrscheinlich ja. Trotzdem wehren sich nicht alle Betroffenen gegen eine Kündigung. Oder wenden sich zumindest mit Fragen an unseren Verband.

«Bei umfassenden Sanierungen können Mieter nicht in der Wohnung bleiben.»

Damian Hunkeler

Hauseigentümerverband: Diese Frage suggeriert, dass Hauseigentümer eine Totalsanierung nach Lust und Laune veranlassen. Das stimmt nicht. Tatsache ist, dass nach 25 bis 35 Jahren der Pinsel für die Instandhaltung nicht mehr reicht. Dann sind tiefgreifende Massnahmen nötig.

zentralplus: Zum Beispiel?

Hauseigentümerverband: Um auf eine klimaneutrale Heizung umzustellen, wie es der Stimmbürger fordert, muss man häufig Bodenheizungen einbauen. Auch rostende Leitungen und alte Bodenbeläge müssen raus. Oder es geht um Lärmschutz oder Statik. Bei so umfassenden Sanierungen können Mieter nicht in der Wohnung bleiben.

Eines der fünf Gebäude am Matthofring, das die Suva in zwei bis drei Jahren totalsaniert. (Bild: kok)

zentralplus: Sollte der Staat überprüfen, ob eine Totalsanierung wirklich nötig ist?

Mieterverband: Das würde zu weit gehen. Das Mietpreisniveau nach der Sanierung wäre aber eine behördliche Kontrolle wert. Nur schon stichprobenartig, wie bei der periodischen AHV-Arbeitgeberkontrolle. Eine solche Mietpreiskontrolle existierte bereits bis in die 1960er hinein und funktionierte gut.

«Keine Instanz setzt das Gesetz im Sinne der Mietenden von sich aus durch.»

Mario Stübi

Luxussanierungen wären dann unattraktiv, weil die Renditeaussichten nach dem Umbau nicht lukrativ genug sind. Eigentümer würden Sanierungen auf das Wesentliche reduzieren, und der Wohnraum würde nicht konstant teurer werden.

Hauseigentümerverband: Das ist definitiv nicht die Aufgabe des Staates. Die Hauseigentümerschaft kann entscheiden, wann und wie sie ihre Liegenschaft sanieren oder umbauen will. Im Weiteren ist die Festsetzung des Mietzinses nach einer Sanierung sehr stark gesetzlich reglementiert.

Eine Verschärfung, wie in Basel, führt zu einem Sanierungsstau, was den Mietern, den Unternehmungen und dem Klimaschutz schadet. Höhere Mietzinse nach einer Sanierung führen ausserdem nicht zu höheren Renditen. Denn Sanierungen sind teuer.

Information

Im Mai 2022 hat Basel-Stadt strengere Mieterschutzregeln eingeführt. Die Änderung geht zurück auf eine angenommene Initiative des Basler Mieterinnenverbands. Die Folge: Seit der Gesetzesänderung scheine der Wohnungsbau ins Stocken geraten zu sein, sagt die Regierung.

zentralplus: Ist der Mieterschutz zu schwach, ungerechtfertigte Kündigungen wegen Totalsanierung zu verhindern?

Mieterverband: Diese Frage muss politisch beantwortet werden. Ich finde es aber unfair, dass immer Mieter aktiv werden müssen, wenn die Kündigung inkorrekt oder ein Mietzins zu hoch ist. Keine Instanz setzt das Gesetz im Sinne der Mietenden von sich aus durch. Zum Vergleich: Die Höhe der Krankenkassenprämien ist staatlich kontrolliert.

Hauseigentümerverband: Der Mieterschutz in der Schweiz ist enorm gut ausgebaut. Allerdings kann der Mieterschutz Kündigungen auch provozieren. Wenn Mieter eine Klage erheben und sagen, der Eingriff sei nicht zumutbar, macht das bewohnte Sanierungen unmöglich.

zentralplus: Welche Verantwortung haben Hauseigentümer ihren Mietern gegenüber?

Mieterverband: Eine grosse Verantwortung. Sie ist heute aber nicht rechtlich verankert. Ausser natürlich, dass ein Haus nicht zusammenkrachen darf, wenn darin Menschen wohnen.

Hauseigentümerverband: Die Pflichten der Vermieterschaft gegenüber ihren Mietern sind im Gesetz sehr umfangreich und klar geregelt. Zudem bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die meisten Vermieter an einem guten Verhältnis zu ihren Mietern interessiert sind und der allergrösste Teil der Mietverhältnisse sehr einvernehmlich verläuft. 800 Schlichtungsfälle pro Jahr klingt zwar nach viel – es gibt allerdings 124’500 Mietwohnungen im Kanton Luzern.

zentralplus: Wie können sich Mieter schützen, eine Kündigung wegen Totalsanierung zu erhalten?

Mieterverband: Wer eine Wohnung mietet, muss die Sicherheit haben, solange dort zu leben, wie er oder sie möchte. Das Haus muss in dieser Zeit in Schuss gehalten werden – nicht mehr und nicht weniger.

Hauseigentümerverband: Mieter können eine Kündigung durch die Schlichtungsstelle kostenlos auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen lassen.

Vorgehen bei einer Kündigung wegen Totalsanierung

Der Luzerner Mieterverband rät folgendes Vorgehen: sicherstellen, dass die Kündigung korrekt erfolgt ist. Hier gibt es formelle Anforderungen, die eine Eigentümerschaft erfüllen muss (ein korrektes Formular, Fristen etc.). Falls etwas nicht stimmt, kann man die Kündigung bei der kantonalen Schlichtungsbehörde innert 30 Tagen gratis anfechten.

Ist die Kündigung rechtens, sollen sich Mietparteien im Haus gemeinsam organisieren und in Verhandlungen mit der Verwaltung oder den Eigentümern treten. Kann das Bauvorhaben etappiert werden? Welche Übergangslösungen sind möglich? Gibt es Unterstützung beim Umzug durch ein Zügelunternehmen? Solche Themen lassen sich oft noch aushandeln.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Mario Stübi, Präsident des Mieterverbands Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Damian Hunkeler, Präsident des Hauseigentümerverbands Luzern
  • zentralplus Medienarchiv
  • Kündigung wegen Totalsanierung: Infoblatt des Mieterverbands
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 16.03.2024, 13:24 Uhr

    Welche Verantwortung haben Hauseigentümer ihren Mietern gegenüber? Mieterverband Mario Stübi: „Eine grosse Verantwortung. Sie ist heute aber nicht rechtlich verankert. Ausser natürlich, dass ein Haus nicht zusammenkrachen darf, wenn darin Menschen wohnen.“ Diese Aussage, dass Rechte und Pflichten beider Parteien nicht rechtlich verankert seien, ist haarsträubend und disqualifiziert Mario Stübi: Er sollte bei Gelegenheit die Homepage von Mieter- und Hauseigentümerverband studieren.

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