Wegen Sanierung

Nächste Kündigungen in Steinhausen: 18 Parteien müssen raus

Die Bewohner des Hauses an der Zugerstrasse 5 in Steinhausen müssen ihre Wohnungen in einem Jahr verlassen. (Bild: wia)

Kürzlich wurde bekannt, dass die Bewohner der Zugerstrasse 2 und 4 in Steinhausen ihre Wohnungen verlassen müssen. Dasselbe Schicksal blüht nun den Einwohnern auf der gegenüberliegenden Strassenseite.

Peter Huber* ist ratlos. Genau wie alle anderen Bewohner des Hauses an der Zugerstrasse 5 in Steinhausen. In knapp einem Jahr müssen die 18 Parteien aus ihren Wohnungen ausziehen. Grund: Das Gebäude, das aus den 1960er-Jahren stammt, wird umfangreich saniert. Das gleiche Schicksal ereilt auch die Zugerstrasse 2 und 4 auf der anderen Strassenseite (zentralplus berichtete). Dort sind 23 Mietparteien betroffen.

Peter Huber heisst anders. «Doch wenn ich meinen richtigen Namen nenne, habe ich keine Chance, je wieder eine Wohnung zu bekommen», ist sich der Steinhauser sicher. Entsprechend traue sich kaum jemand im Haus, sich öffentlich kritisch zu äussern. Die Stimmung an der Zugerstrasse 5 sei miserabel.

Dass Sanierungsarbeiten gemacht werden müssen, ist für Huber absolut nachvollziehbar. «Die privaten Eigentümer, welche das Haus bis im vergangenen Sommer besassen, haben nur das Nötigste gemacht. Aber immerhin konnte man mit Anliegen an sie herantreten und wurde gehört.» Neuerdings gehört das Gebäude gemäss Grundbucheintrag der Fundamenta Group Investment Foundation.

Reine Profitgier?

Für Huber ist klar: «Der Immobilienfirma, der das Haus seit einem Jahr gehört, geht es allein um den Profit.» Er sagt das nicht wütend, sondern sehr sachlich. Huber hat täglich von Berufs wegen mit dem Thema zu tun. Er scheint zu wissen, wovon er spricht. «Es wäre durchaus möglich, diesen Umbau zu tätigen, ohne den Bewohnern zu kündigen», ist sich Huber sicher.

Dies, indem man die Leute etwa für die Zeit der Sanierung in weiteren Liegenschaften des Gebäudeeigentümers unterbringen würde. Oder aber indem die Bewohnerinnen während der Bauzeit nur in einem Teil der Wohnung leben, derweil die übrigen Räume saniert würden. «Bloss: An solchen Lösungen sind Immobilienfirmen nicht interessiert», meint Huber. «Denn wenn die bisherigen Mieter drin bleiben, darf der Mietpreis nicht übermässig erhöht werden.»

Zahlen der ETH geben zu denken

Er erklärt weiter: «Gemäss einer repräsentativen Umfrage der ETH Zürich zum aktuellen Wohnungsnotstand in Zürich wurde festgestellt, dass nur 6,1 Prozent der bisherigen Mieter es sich leisten können, später in den renovierten Wohnungen zu leben.» Und weiter: «Die Mieter von Wohnungen nach Renovationen haben ein monatlich 3600 Franken höheres Haushaltseinkommen als ihre Vormieter.» Huber glaubt, dass dieser Umstand der Gemeinde ganz gelegen komme, da dadurch auch die Steuereinnahmen steigen würden.

Darauf angesprochen, dass sich die ETH-Studie auf den Kanton Zürich bezieht, sagt Huber: «Die Situation in Zug ist durchaus vergleichbar mit jener in Zürich. Wenn nicht sogar etwas prekärer.»

Huber sorgt sich nicht primär um sich selbst: «Meine Frau und ich stehen finanziell auf soliden Beinen. Wir finden wieder eine Wohnung im Kanton, da bin ich sicher. Auch wenn es äusserst bedauerlich wäre, unseren Familiengarten aufgeben zu müssen, falls wir nicht mehr in der Gemeinde wohnen können. Ich habe zudem überhaupt keine Lust, woanders von vorn anzufangen.»

«Es ist meiner Nachbarin anzumerken, dass sie ihren Lebenswillen seit der Kündigung mehr und mehr verliert.»

Peter Huber*, betroffener Bewohner

Vielmehr jedoch sorgt sich der Steinhauser um andere Bewohner des Hauses. «Einige Leute leben bereits seit 45 Jahren darin.» Huber erzählt: «Meine Nachbarin hat allein drei Kinder in Steinhausen grossgezogen. Die ältere Dame wird nie wieder eine Wohnung finden, die für sie zahlbar ist. Es ist ihr anzumerken, dass sie ihren Lebenswillen seit der Kündigung mehr und mehr verliert.»

Was passiert mit der Feuerwehr, wenn die Feuerwehrleute wegziehen?

Viele der heutigen Bewohner seien im Dorfleben engagiert. «Ich bin überzeugt, dass sich Steinhausen in wenigen Jahren gänzlich verändert haben wird. Wenn nur noch Yuppies hier leben, verkommt das soziale Leben.» Ausserdem sei zu bedenken: «In den Häusern an der Zugerstrasse 2, 4 und 5 wohnen einige freiwillige Feuerwehrleute. Wenn sie aus der Gemeinde wegziehen müssen, hat die Feuerwehr ein echtes Problem.»

Für Huber ist klar: «Die Menschen, die in Blöcken wie unserem leben, haben Steinhausen in den vergangenen Jahrzehnten zu dem gemacht, was es heute ist. Haben sich engagiert, Steuern bezahlt und ihren Beitrag geleistet. Nun lässt man sie fallen. Das ist unmenschlich.»

Liegenschaftsbesitzerin hält Kündigungen für unausweichlich

Die Fundamenta Group mit Sitz in Zug betreut rund 3000 Wohnungen in der Schweiz. Gemäss ihr ist eine umfangreiche Sanierung der Liegenschaft Zugerstrasse 5 in Steinhausen unumgänglich. Man habe vermehrt Wasserschäden festgestellt, ausserdem sei die Haustechnik in die Jahre gekommen, heisst es auf Anfrage. Weiter gebe es Nachhaltigkeitsziele, welche nur mit umfassenden energetischen Sanierungen erreichbar seien. Ausserdem wolle man die Wohnungen marktkonform gestalten.

Auch die bestehende Bausubstanz entspreche unter anderem nicht mehr den heutigen Normen bezüglich Sicherheitsanforderungen, teilt das Unternehmen weiter mit. Zudem gebe es Nachhaltigkeitsziele, welche nur mit umfassenden energetischen Sanierungen erreichbar seien.

«Die zuvor beschriebenen Sanierungsarbeiten führen zu erheblichen Lärm- und Schmutzemissionen, was ein Wohnen während der geplanten Bauzeit von rund zwölf Monaten verunmöglicht.»

Statement der Fundamenta Group

Erfahrungsgemäss sei es sehr schwierig, diese geplanten baulichen Veränderungen im bewohnten Zustand vorzunehmen, heisst es seitens der Fundamenta Group weiter: «Die zuvor beschriebenen Sanierungsarbeiten führen zu erheblichen Lärm- und Schmutzemissionen sowie zu regelmässigen und längeren Versorgungsunterbrüchen, was ein Wohnen während der geplanten Bauzeit von rund zwölf Monaten verunmöglicht.»

Die Bewohner seien indes rund anderthalbJahre vor der Sanierung über die geplanten Umbauten informiert worden, was ihnen die Suche einer Anschlussmöglichkeit erleichtern solle, so das Unternehmen weiter.

Gemeinde sieht keinen Grund zur Panik

Auf die aktuellen Begebenheiten und die Aussagen von Peter Huber angesprochen, schreibt der zuständige Steinhauser Mitte-Gemeinderat Markus Amhof: «Totalsanierungen mit Rückbau bis auf die Grundsubstanz sind in der Regel mit einer Kündigung sämtlicher Mietwohnungen verbunden. Insbesondere wenn die Liegenschaft über einen einzigen Trakt verfügt.»

Die Gemeinde sei bestrebt, dass innerhalb von Steinhausen bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist. Bereits zwei gemeindeeigene Grundstücke seien an Wohnbaugenossenschaften für den Bau von preisgünstigen Wohnungen nach Wohnraumförderungsgesetz (WFG) im Baurecht abgegeben worden. «Beim Bebauungsplan Crypto-Areal müssen ebenfalls 15 % der Wohnungen preisgünstig sein. Auch in künftigen Bebauungsplänen wird die Gemeinde entsprechende Auflagen machen», so Amhof.

«Eine sozial gut durchmischte Steinhauser Bevölkerung ist dem Gemeinderat wichtig und ist aus seiner Sicht auch vorhanden.»

Markus Amhof, Bauchef Gemeinde Steinhausen

Bezüglich der Veränderungen im Dorfleben erklärt er: «Eine sozial gut durchmischte Steinhauser Bevölkerung ist dem Gemeinderat wichtig und ist aus seiner Sicht auch vorhanden. Dies zeigt das aktive Vereinsleben innerhalb der Gemeinde.» Und mit den preisgünstigen Wohnungen nach WFG unternehme die Gemeinde auch aktiv Massnahmen, dass dies weiterhin so bleiben könne.

*Name der Redaktion bekannt

Verwendete Quellen
  • Resultate der ETH-Umfrage: Erkenntnisse zum aktuellen Wohnungsnotstand: Bautätigkeit, Verdrängung und Akzeptanz
  • Persönliches Gespräch mit Peter Huber
  • Mündlicher Austausch mit Fundamenta Group
  • Kontakt mit der zuständigen Immobilienverwaltung
  • Schriftliche Anfrage an die Gemeinde Steinhausen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


7 Kommentare
  • Profilfoto von Zobel
    Zobel, 17.04.2023, 17:03 Uhr

    Hauptsache den Eigentümern geht’s gut. Die Mieter bekomnen keine Unterstützung und wenn, dann müssen sie kräftig für die Hilfe zahlen. Es war bei jedenfalls so. Es ist zum Heulen.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Rea List
      Rea List, 22.04.2023, 14:06 Uhr

      Und damit vielleicht auch Ihnen und den meisten normalen Büezern in der CH! Ihre Pensionskasse (sofern vorhanden) investiert vermutlich auch in kollektive Anlagegefässe. Hauptsache das Feindbild der bösen Bonzen säuberlich gepflegt, oder?;-)

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Hans
    Hans, 17.04.2023, 14:34 Uhr

    Wer in 50 jährigen und älteren Wohnungen in Miete ist, muss unweigerlich mit einer Kündigung rechnen.Leider ist das so und die Probleme die auf die gekündigten Mieter zukommen sind riesengross.wo führt das hin

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Maschla
    Maschla, 16.04.2023, 18:49 Uhr

    Ja klar ist die Gemeinde für teurere Wohnungen, wie bereits erwähnt wird es mehr Steuerkraft geben, als auch weniger Sozialleistungsbezug wie auch EL.
    Solche Nettikeiten nimmt man als Gemeinde gerne an.
    Es ist zwar sinnvoll auch dieses Haus den aktuellen Unweltfaktoren anzupassen, finde jedoch, die Eigentümer Brwirtschafter sollten diesbezüglich weniger öffentliche Gelder dafür bekommen da sie ein Renditeobijekt betreiben.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
  • Profilfoto von E. Lio
    E. Lio, 16.04.2023, 15:00 Uhr

    Dieser Gemeinderat hat mit seinen Aussagen nicht verstanden, um was es geht: Es sind alle Bevölkerungsschichten betroffen, auch jene wie der erwähnte Bewohner, der sich durchaus eine Wohnung in einem anderen Preissegment leisten kann. Es fehlt an der Einsicht, letztlich aber auch an der eigenen Erfahrung. Wer selbst als Eigentümer ein Haus bewohnt, kann kaum die Erfahrungen der Mietenden teilen und lässt sich auch nicht auf dieses Thema ein. Dabei brennt es unter den Nägeln. Der Kanton Zug hat mit 0,33 % den geringsten Wohnungsleerstand der Schweiz – Wacht endlich auf; es braucht keine lapidaren Aussagen!

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Tinu
    Tinu, 16.04.2023, 12:18 Uhr

    Wäre es der gemeinde wichtig, würde man zb auf dem crypto areal 50% günstigen wohnraum schaffen, so aber geht es klar um Gewinnmaximierung, der schlechte Steuerzahler soll weg

    👍1Gefällt mir👏2Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
    • Profilfoto von kritischer_Zuger
      kritischer_Zuger, 20.04.2023, 08:19 Uhr

      Korrekt !!! 50% mindestens
      – denn der Kernpunkt des hier gemachten Statments : ‹ Ausserdem wolle man die Wohnungen marktkonform gestalten…› wird natürlich ausser Acht gelassen.
      Denn was heisst das im normalen Deutsch?
      Nichts anderes, als dass eine ‹LuxusSanierung› vorgenommen wird – ich bezweifele, dass sich die bisherigen Mieter diese Wohnungen anschliessend noch leisten können.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon