Luzern auf dem Abstellgleis

Halbstundentakt Luzern–Bern kommt noch später als befürchtet

Pendlerinnen müssen noch Jahre auf den Halbstundentakt zwischen Bern und Luzern warten. (Bild: SBB CFF FFS)

Von Luzern fährt nur ein Direktzug pro Stunde nach Bern. Nun verzögert sich die Einführung des Halbstundentakts erneut um mehrere Jahre.

Für Luzerner Pendlerinnen war es ein Meilenstein. Im Dezember 2004 fuhren erstmals Züge über die neu gebaute Strecke zwischen Zofingen und Bern. Seither gelangt man komfortabel in genau einer Stunde von Luzern nach Bern – ohne umzusteigen.

Die Sache hat aber einen entscheidenden Haken: Der Interregio fährt nur einmal pro Stunde. Nach Basel und Zürich – den beiden anderen grossen Deutschschweizer Zentren – gibt es pro Stunde zwei Züge. Nicht aber nach Bern. Und das, obwohl es sich bei der Strecke Luzern–Bern um eine der am meisten ausgelasteten Strecken der Schweiz handelt.

Halbstundentakt kommt frühstens 2036

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat den Bedarf längst erkannt. Im Ausbauschritt 2025, der Ausbauten und Verbesserungen im ganzen Schweizer Schienennetz vorsieht, ist die Einführung des Halbstundentakts zwischen Bern und Luzern enthalten. Das Parlament hat dem Ausbauschritt im Jahr 2013 zugestimmt, die Schweizer Bevölkerung bejahte eine damit verbundene Vorlage ein Jahr später.

«Wir rechnen damit, dass der Halbstundentakt in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre kommen wird.»

Michael Müller, Sprecher Bundesamt für Verkehr

Doch anders als der Name vermuten liesse, kommt der Ausbauschritt auf der Strecke Bern–Luzern erst nach 2025. Und zwar deutlich. Erst liess der Bund verlauten, dass der Halbstundentakt 2030 kommt. Vor zwei Jahren teilte das BAV mit, dass der Ausbau 2033 erfolgt (zentralplus berichtete). Und nun wird der Halbstundentakt nochmals um drei Jahre nach hinten verschoben.

So heisst es in einer jüngst verabschiedeten Botschaft des Bundesrats zum Ausbau des Bahnnetzes, dass die für den Halbstundentakt notwendigen Bauarbeiten in Zofingen frühestens 2036 abgeschlossen sein werden. Was das für den Ausbau des Angebots genau bedeutet, geht aus der Botschaft jedoch nicht hervor. Auch auf Anfrage von zentralplus will das BAV kein konkretes Datum nennen. BAV-Sprecher Michael Müller stellt jedoch in Aussicht: «Wir rechnen damit, dass der Halbstundentakt in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre kommen wird.»

Baustellen verzögern den Halbstundentakt

Seit dem Parlamentsbeschluss werden dann 23 Jahre vergangen sein. Wie ist das möglich? Müller erklärt, dass es für doppelt so viele Direktzüge zwischen Bern und Luzern zusätzliche Infrastrukturmassnahmen braucht. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Ausweichstrecken oder Überholmöglichkeiten. Und: «Insbesondere muss dafür der Knoten Bern fertig ausgebaut sein. Hier gibt es beträchtliche Verzögerungen», so Müller.

Zudem brauche es in Zofingen zusätzliche Wendegleise. Diese wiederum stehen in Abhängigkeit vom Ausbau des Güterbahnhofs in Dagmersellen. Erst wenn alle diese Baustellen umgesetzt sind, werde der Halbstundentakt zwischen Luzern und Bern möglich. Fast kriegt man den Eindruck, der Bund zögert das Projekt bewusst hinaus, um es womöglich gar nie zu realisieren. Dem widerspricht Müller jedoch klar: «Der Halbstundentakt zwischen Bern und Luzern ist ein klarer Auftrag des Parlaments im Rahmen des Ausbauschritts 2025. Dieser wird umgesetzt.»

Luzern auf dem Abstellgleis

Doch in Luzern sorgt die erneute Verzögerung des Projekts für saftige Kritik. Diese kommt von Verkehrspolitiker Michael Töngi (Grüne), der als Luzerner Nationalrat selbst regelmässig nach Bern pendeln muss. Er schreibt auf Anfrage: «Man bekommt den Eindruck, das halbe Schweizer Schienennetz müsse umgebaut werden, damit es auf dieser Strecke einen Halbstundentakt gibt.»

«So etwas habe ich noch nie erlebt. Man kommt sich echt wie auf dem Abstellgleis vor.»

Michael Töngi, Grünen-Nationalrat Luzern

Töngi könne zwar nachvollziehen, dass die Einführung eines Halbstundentakts mit infrastrukturellem Aufwand verbunden sei. «Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Man kommt sich echt wie auf dem Abstellgleis vor», empört sich der Nationalrat.

Er sucht die Schuld für die Misere aber nicht beim Bund alleine. Auch das Parlament trage eine Verantwortung, indem es Beschlüsse fasse, die schlecht geplant seien. «Dieses Problem ist nur ein besonders krasses Beispiel für die Verzögerungen und Neuplanungen, die momentan nötig sind.»

Die Bahn ist am Limit

Tatsächlich ist die Liste der Versäumnisse beim Bahnausbau lang – und sie wird immer länger. Die ebenfalls im Ausbauschritt 2025 beschlossene Reduktion der Fahrzeit zwischen Bern und Lausanne ist beispielsweise vom Tisch. Der beschlossene Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen in Zürich verspätet sich um Jahre – ebenfalls der Bau des Zimmerberg-Basistunnels II. Beides sind Schlüsselprojekte für das Schweizer Bahnnetz. Und auch der Durchgangsbahnhof Luzern wird vermutlich in Etappen gebaut, weil das Schienennetz kaum noch neue Baustellen verträgt (zentralplus berichtete).

Aus Luzerner Sicht ist die Planungsmisere besonders ärgerlich. «Der Halbstundentakt nach Bern ist wichtig, da es auf keiner anderen ähnlich frequentierten Strecke in der Schweiz noch einen Stundentakt gibt», so Töngi. Hinzu kommen die Verwirrungen um den Bau des Durchgangsbahnhofs oder zuletzt die Kritik am vorübergehend gestrichenen Direktzug von Luzern zum Flughafen Zürich (zentralplus berichtete).

Die Zentralschweizer Bundespolitiker werden sich darum in den nächsten Wochen mit den SBB und dem BAV zum Austausch treffen. «Es gibt dabei genügend Gesprächsstoff», meint Töngi. Den Halbstundentakt nach Bern wird dieses Treffen aber trotzdem nicht erzwingen können.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Michael Müller, Mediensprecher des Bundesamts für Verkehr
  • Botschaft des Bundes zum Bahnausbau
  • Schriftlicher Austausch mit Michael Töngi, Luzerner Nationalrat
  • Informationen zu den Ausbauprogrammen des Bundes
  • Aktueller Stand der Ausbauprogramme
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