Durchgangsbahnhof droht Verspätung

Vollbremse beim Bahnausbau: Ständerat Wicki ist irritiert

Dass der Bund ankündigt, bis 2033 Bahnprojekte auf Eis zu legen, stösst Hans Wicki vor den Kopf. (Bild: Emmanuel Ammon/Aura / zvg)

Baustellen legen das SBB-Netz lahm: Würden alle geplanten Projekte umgesetzt, würde das Zugfahren für Pendlerinnen zur Hölle. Hier erfährst du warum – und was das Ganze für den Durchgangsbahnhof bedeutet.

Ausgedünnte Fahrpläne und ständige Verspätungen: Die SBB warnen davor, dass die zahlreichen geplanten Bauprojekte dem öffentlichen Verkehr einen Bärendienst erweisen. Das Bahnnetz werde instabil und das Angebot müsste auf gewissen Strecken stark eingeschränkt werden. Die steigende Unpünktlichkeit vergraule die Passagiere.

Überspitzt gesagt, ist der Fahrpan für das Jahr 2035 angeblich Makulatur. Sofern alles so umgesetzt wird, wie es bislang geplant ist. Die SBB könnten sich schon bald den Ruf der Deutschen Bahn einhandeln.

Zehn Jahre Stillstand?

Vollbremse lautet deshalb die Devise. Wie das Bundesamt für Verkehr (BAV) in einem Blog schreibt, wird der Bundesrat das Angebotskonzept 2035 überarbeiten. Geplante, aber noch nicht beschlossene Projekte werden wohl verschoben. Das Netz lasse bis «mindestens 2033 keine zusätzlichen Arbeiten» mehr zu, so das BAV.

Zehn Jahre Stillstand. Das klingt im Hinblick auf den geplanten – aber noch nicht beschlossenen – Durchgangsbahnhof Luzern nach einer Hiobsbotschaft. Gemäss dem aktuellen Zeitplan sollte 2030 mit der rund 10-jährigen Bauphase begonnen werden.

Erst klare Worte, dann wird zurückgerudert

Das Bundesamt für Verkehr äussert sich unverbindlich auf die Frage, mit welchen Verzögerungen aufgrund der hohen Netzauslastung zu rechnen ist. In einem Bericht vom Juni 2022 ist von drei bis fünf Jahren die Rede. «Der Zeitpunkt der Fertigstellung beziehungsweise Inbetriebnahme hängt von den Finanzierungsentscheiden des Parlaments ab», schreibt Sprecher Michael Müller – und reicht die heisse Kartoffel damit an National- und Ständerat weiter.

«Dass der Bund diese Dringlichkeit plötzlich nicht mehr sieht, kann ich nicht nachvollziehen.»

Hans Wicki

Auch der Kanton Luzern verweist auf die politischen Entscheidungsgremien. Wie die zahlreichen Projekte zu priorisieren sind, werde das nationale Parlament mit der Botschaft 2026 entscheiden. Klar ist: «Wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein», so Joana Büchler, die für die Kommunikation in Sachen Durchgangsbahnhof zuständig ist. Sie räumt aber ein: «Die hohe Auslastung des Schweizer Schienennetzes ist eine schwierige Ausgangslage für grosse Infrastrukturprojekte.»

Kanton Luzern bleibt zuversichtlich

Auch wenn sich SBB und BAV für einen Baustopp einsetzen, ist also noch nichts entschieden. In der Konkurrenz zu anderen Grossprojekten werden ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie ein enstprechender Beitrag an die Klimaziele entscheidend sein. Und die Klärung der Frage, wie stark der Durchgangsbahnhof in die Gesamtstrategie des Bundes passt.

«Wir sind zuversichtlich, dass der Bundesrat den Durchgangsbahnhof in die Botschaft 2026 aufnehmen wird», meint dazu Joana Büchler. «Dies, weil das Projekt voll und ganz auf die Ziele des Strategiepapiers Perspektive Bahn 2050 einzahlt, den öffentlichen Verkehr in den Agglomerationen zu stärken.»

Luzern fürchtet die Etappierung des Durchgangsbahnhof

«Wir fordern weiterhin, dass der Durchgangsbahnhof zwar in Etappen gebaut, aber in einem Stück geplant und finanziert wird», so Büchler. Zuletzt hatte sich der Kanton Luzern in der Vernehmlassung zur Bahnperspektive 2050 dahingehend geäussert (zentralplus berichtete).

So sieht die geplante Linienführung am Durchgangsbahnhof aus. (Bild: SBB)

Die Luzerner Regierung und der Luzerner Stadtrat wollen verhindern, dass mit einer Etappierung auf längere Zeit zwei Kopfbahnhöfe nebeneinander existieren. Diese würden «sowohl im regionalen wie auch im nationalen Verkehr bei Weitem nicht den gleichen Nutzen wie ein Durchgangsbahnhof bringen». Dahingehend hatte sich der Luzerner Ständerat Damian Müller in einem Vorstoss geäussert.

Der Bundesrat versicherte in seiner Antwort: «Die Arbeiten sind so aufgegleist, dass sie die Projektierung und den Bau des Durchgangsbahnhofs Luzern insgesamt und in einem Stück vorsehen.» Das BAV zählt den Knoten Luzern in seinem Blog nun allerdings zu jenen Grossprojekten, die «zeitlich und finanziell nur über mehrere Ausbauschritte hinweg umgesetzt werden können».

Nidwaldner Ständerat Hans Wicki ist vor den Kopf gestossen

Hans Wicki, Nidwaldner Ständerat und Präsident des Zentralschweizer Komitees Durchgangsbahnhof Luzern, ist irritiert über den Blog des BAV und die Ankündigung, dass bis 2033 keine neuen Bahnprojekte realisiert werden sollen. «Das Bundesamt für Verkehr hat bis anhin immer betont, dass in Luzern die zeitnahe Realisierung des Durchgangsbahnhofs angestrebt wird und nach Planungskosten von über 85 Millionen Franken unumgänglich ist», schreibt er auf Anfrage.

Die Planungsarbeiten bei Bund, Kanton und SBB würden zurzeit auf Hochtouren laufen (zentralplus berichtete). «Dass der Bund diese Dringlichkeit plötzlich nicht mehr sieht, kann ich nicht nachvollziehen. Der Bund gefährdet so eine Auflösung des Planungsteams und damit eine Vernichtung von weiteren Steuergeldern», so Wicki.

Ohne Zimmerberg-Basistunnel kein Durchgangsbahnhof

Warum wurde die Auslastung des Bahnnetzes nicht längst zum Thema gemacht, wenn die Situation so akut ist? Klar ist: Neben der Baustellendichte bringen Verzögerungen bei Grossprojekten das Bahnnetz an die Kapazitätsgrenze.

Der Zimmerberg-Basistunnel beispielsweise verzögert sich, weil noch eine Ergänzungsstudie zur Kostensenkung in Auftrag gegeben wurde. Im Bericht «Perspektive Bahn 2050» ist von einer Inbetriebnahme im Jahr 2036 die Rede. Im Eisenbahnausbauprogramm 2021 hingegen von einer Eröffnung im Jahr 2037.

Je länger es dauert, desto knapper wird der Zeitplan für den Durchgangsbahnhof. Dieser kann erst in Betrieb genommen werden, wenn das Projekt Zimmerberg abgeschlossen ist.

SBB lehnt schnelleres Fahren ab

Die Kapazitäten für Bahnausbauprojekte wird weiter durch den Entscheid der SBB beeinflusst, auf das schnelle Fahren in Kurven zu verzichten. Die SBB wollte die Wankkompensation genannte Technologie ab 2027 einsetzen, um während Bauarbeiten mehr Reserve im Fahrplan zu haben. Bei Testfahrten wurde den Passagieren jedoch schlecht, was die SBB milde mit «der Fahrkomfort war nicht zufriedenstellend» umschreibt.

Dass die Kapazitäten auf dem Bahnnetz knapp werden, hat der Bund bereits im Juni erwähnt, als die Bahnperspektive 2050 in die Vernehmlassung geschickt wurde. Das Ausmass war aber wohl auch vielen Parlamentariern nicht bewusst. Wie konnte es so weit kommen? «Verzögerungen bei grossen Projekten sind per se nicht eingeplant», meint dazu BAV-Sprecher Michael Müller. «Der Entscheid auf den Verzicht der Wankkompensation fiel erst dieses Jahr. Und: Die Auswirkungen der Baustellendichte wurden erst dieses Jahr erkannt.»

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10 Kommentare
  • Profilfoto von Hugo Ackermann
    Hugo Ackermann, 28.11.2022, 08:50 Uhr

    Die Politisierung des Sachgeschäft DBL hat zum heutigen Fiasko geführt. Mit einem Standort DBL Sentimatt (zentralplus 1/8/22), den Projekten am Kasernenplatz(zentralplus 8/10/22),der Inbetriebnahme des A2-Anschlusses Lochhof,einer neuen Strassenbrücke von der St.Karlistrasse hinüber zur Fluhmühle,einer provisorischen Catparkierungsanlage auf einem seit Jahrzehnten nicht mehr bahnbetriebsnotwendigen Teil des Bahnhofareal wären alle städtischen Mobilitätsprobleme kurzfristig zu lösen und das städtebauliche PoTential zu aktivieren. Keine Gefährdung des städtischen Wirtschaftsbetriebs (Tourismus) und weiterfunktionierender Eisenbahnnormalbetrieb während der Bauzeit. Positives Kosten-Nutzen-Verhältnis des Gesamtprojekt DBL/Städtebau Luzern.
    Von der Stadt und den städtiischen politischen Parteien sind erfahrungsgemäss keine konstruktiven Lösungsvorschläge zu erwarten. Eine städtische Volksinitiative (Bürgerinitiative) könnte für den nötigen Druck sorgen.

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    Bea, 22.11.2022, 17:14 Uhr

    Da wollen sich einige Politiker ein Denkmal setzen.
    Dieses Projekt darf nie kommen.

    Die Bevölkerung nimmt in den nächsten 10 Jahren hier um 30% zu.Regelt den ÖV, mit S ,- Bahn

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    hombi, 22.11.2022, 16:44 Uhr

    Der Kanton Luzern ist nicht unschuldig am unklaren Start zum Baubeginn des Durchgangsbahnhofs. Die politische Unentschlossenheit der vergangenen Jahren hat zu diesem Dilemma geführt. Jetzt leiden alle anderen ÖV-Projekte darunter und das Warten für eine Mobilitäts-Verbesserung geht weiter!

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  • Profilfoto von Fritz Meyer
    Fritz Meyer, 22.11.2022, 13:23 Uhr

    Endlich gibt es wieder Zeit zum Überlegen bei diesem unnötigen Mammutprojekt. Es ist bezeichnend, dass ein Vertreter aus Nidwalden hier zitiert wird. Nicht die Stadt Luzern, sondern all die Profiteure aus der Region wollen diesen Bahnhof. Wir hätten noch zwei Regierungsmitglieder, die aus Nidwalden stammen abzugeben.
    Diese Bahnhof darf nie in Luzern am See gebaut werden. Wie schon in einem Kommentar erwähnt, wird unsere Stadt für ein Jahrzehnt kaputt gemacht um danach festzustellen, dass all die Reisenden gar nicht zum und vom Bahnhof gebracht werden können.
    Leider muss sich keiner der aktuellen Politiker je für diese Entscheidungen rechtfertigen. Das wird erst fertig, wenn die nicht mehr am Drücker sind. Alles zurück auf Feld 1, wir brauchen das nicht.

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  • Profilfoto von Alois
    Alois, 22.11.2022, 12:21 Uhr

    nur ein Beispiel ,mein Tantchen wohnt in Menziken, sehr schön dort, auch da gibt es kein SBB Netz, Beromünster wurde dicht gemacht, Stellt Euch mal vor von Beinwil gäbe es ein Tunnel nach Menziken rüber zu Sursee eine Ring Bahn, ja ich weiß ein Träumli, ich Fahre mit der Linie 50 1,STD

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    Karl, 22.11.2022, 12:03 Uhr

    Ein nicht fertig überlegten Projekt
    Durchgangsbahnhof bringt nichts, kostet aber nur sehr viel

    Es gäbe bessere Lösungen, Lösungen die bereits vor 20 Jahren auf dem Tisch waren

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    André Bachmann, 22.11.2022, 07:29 Uhr

    Wir brauchen den Durchgangsbahnhof dringend!
    In Luzern ist auf der Schiene kein ÖV Wachstum mehr möglich. Wir brauchen aber dringend die Kapazitäten für ein zuverlässiges S-Bahnnetz aus allen Richtungen. Deshalb ist auch der Durchgangsbahnhof zwingend bzw. die Reduktion „nur“ den Tiefbahnhof eine Sackgasse. Nicht die Einsparung an Reiseminuten im Intercity Verkehr sondern der Mehrwert im Regionalverkehr der ganzen Zentralschweiz ist das Ziel. Umwelt und Wirtschaft und insbesondere die kommenden Generationen werden dankbar sein, wenn wir heute weitsichtige Entscheide fällen und auch bereit sind für zweifellos anstehenden Unannehmlichkeiten während der Realisierung nicht auszuweichen sondern Verantwortung für die Zukunft zu tragen.

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  • Profilfoto von Karl Hoppler
    Karl Hoppler, 22.11.2022, 07:07 Uhr

    Völlig absurdes Projekt. Nicht nur die horrenden Kosten, die Fremdenstadt Luzern existiert 10 Jahre nicht, der See offen, keine Parkplätze beim Bahnhof. Nur um ein par Minuten schneller in Zürich zu sein. Wer kennt unser PW/ÖV in 25 Jahren?

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    Jörg, 22.11.2022, 06:58 Uhr

    Es wird nie ein Durchgangsbahnhof geben,, den eine Einfahrt mit so einem Zentralen Bahnhof ,Gotthard, Zürich, Flughafen, Bern, Basel hat nur 2 Einfahrten heisst Ein und Ausfahrt, Passiert was geht gar nix mehr, die Chance den Bahnhof wo anders Richtig von Anfang an zu Bauen wurde Schmerzlich vertan, Luzern ist nicht Zürich,

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    • Profilfoto von Samuel Kneubuehler
      Samuel Kneubuehler, 22.11.2022, 08:49 Uhr

      Natürlich wird er kommen! Alles andere wäre der Status Quo mit Gleiseimfahrten von 1899.

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