Jetzt mal ganz langsam

Die Tempo-30-Diskussion in Luzern nimmt wieder Fahrt auf

Mehr Fakten, weniger Meinungen – das strebt die Luzerner Regierung in der Tempo-30-Diskussion an. (Bild: ewi)

Nach Monaten des Schweigens hat die Luzerner Regierung zu Tempo 30 wieder Stellung bezogen: Sie will die hitzige Thematik versachlichen und einem Faktencheck unterziehen.

Sie kommt wieder ins Rollen, die Tempo-30-Diskussion im Kanton Luzern. Zuletzt war das Thema wortwörtlich im politischen Stau stillgestanden. Denn aufgrund mehrerer Vorstösse zum Thema hat sich die Luzerner Regierung kurzerhand entschieden, sämtliche laufenden Tempo-30-Projekte auf Eis zu legen (zentralplus berichtete).

Bei den betroffenen Gemeinden, die beim Kanton ein Gesuch für eine Temporeduktion eingereicht hatten, sorgte der Entscheid für Stirnrunzeln (zentralplus berichtete). Quartiere in der Stadt Luzern sowie Umweltverbände kritisierten das vorübergehende Moratorium ebenfalls. Die teils widersprüchliche und dann gänzlich ausbleibende Kommunikation der Baudirektion verkomplizierte die Situation zusätzlich.

Doch nun bezieht der Luzerner Regierungsrat Stellung. Er hat zwei hängige Vorstösse zum Thema beantwortet. Damit beendet er gleichzeitig die monatelange Blockade. Die Tempo-30-Frage im Kanton ist aber noch lange nicht gelöst.

Regierung will eine sachliche Diskussion zu Tempo 30

Denn die Regierung will sich erst noch eine Übersicht verschaffen. Sie will einen Planungsbericht zum Thema erarbeiten, wie mit Tempo 30 auf «verkehrsorientierten» Strassen – also Hauptstrassen im weitesten Sinn – umzugehen ist. So hatte sie eine Motion von FDP-Kantonsrat Georg Dubach gefordert. Der Planungsbericht soll zahlreiche Fragen zu Tempo 30 beantworten, unter anderem die Auswirkungen einer Temporeduktion auf die Verkehrssicherheit und den Lärm, aber auch auf die Bildung von Staus und den wirtschaftlichen Folgekosten.

Die Regierung will einen Planungsbericht zu Tempo 30 erstellen. (Bild: ewi)

Der Regierungsrat begrüsst dieses Anliegen. In einer Mitteilung schreibt er: «Damit kann die Diskussion versachlicht werden und dazu beitragen, eine breit abgestützte, rechtlich gesicherte Praxis für Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen zu entwickeln.» In einem Planungsbericht können demnach alle rechtlichen Grundlagen, Rahmenbedingungen und Auswirkungen von Temporeduktionen aufgearbeitet werden.

Temporeduktion als Pflichtaufgabe

In gewissen Fragen hat der Regierungsrat bereits vorgegriffen. Denn im Zusammenhang mit der Beantwortung der beiden Vorstösse hat die Regierung ein juristisches Gutachten zu Temporeduktionen erstellen lassen. Darin wird auch die Frage gestellt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Temporeduktionen gelten.

Die Gutachter – eine Kanzlei aus Bern – kommen zu einer klaren Antwort: Der Handlungsspielraum für den Kanton ist relativ klein. Denn Bundesrecht steht über kantonalem Recht. Und die Rechtsprechung des Bundes legt die Anforderungen für eine Temporeduktion relativ tief. Sie ist bereits dann zulässig, wenn sie entweder die Verkehrssicherheit erhöht, den Verkehrsfluss verbessert oder den Strassenlärm reduziert.

«Nach unserer Auffassung ist es denkbar, dass die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit wegen der Sanierungspflicht zur Pflicht werden kann.»

Rechtsgutachten zu Tempo 30 auf Hauptstrassen

Und gerade beim Strassenlärm attestiert das Bundesgericht Tempo 30 ein grosses Potenzial. Denn die Kantone sind verpflichtet, ihre Strassen regelmässig so zu sanieren, dass die Anwohnerinnen weniger Lärm ausgesetzt sind. Die Gutachter schliessen daraus: «Nach unserer Auffassung ist es denkbar, dass die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit wegen der Sanierungspflicht vorgenommen werden muss und damit zur Pflicht werden kann.»

Auch im Fall, dass Tempo 30 zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit beiträgt, kann eine Temporeduktion gemäss Bundesgericht zur Pflichtaufgabe für die Kantone werden.

Kanton arbeitet wieder an den Gesuchen für Tempo 30

Derweil nimmt der Luzerner Regierungsrat die Arbeit an den hängigen Gesuchen von Gemeinden für eine Temporeduktion wieder auf. Damit lehnt er eine weitere Forderung Georg Dubachs sowie eine ähnliche Forderung von Ex-SVP-Kantonsrat Daniel Keller ab. Beide sprachen sich dafür aus, die hängigen Gesuche vorerst zu sistieren. Dubach empfahl der Regierung, bis zum Vorliegen des gewünschten Planungsberichts zu warten.

Keller wiederum nahm mit seiner Forderung Bezug auf die hängige Volksinitiative zu Tempo 30, welche die SVP gemeinsam mit mehreren Verkehrsverbänden erfolgreich eingereicht hat. Diese Initiative fordert, dass Tempo 50 auf Hauptstrassen innerorts gesetzlich festgehalten wird (zentralplus berichtete). Keller ist zwar optimistisch, dass die Initiative angenommen wird, befürchtet aber, dass der Kanton zuvor weitere Temporeduktionen im Eilverfahren bewilligt. Darum soll der Kanton bis zur Abstimmung keine weiteren Temporeduktionen mehr bewilligen.

Von den beiden Forderungen nimmt der Regierungsrat Abstand. Denn das Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass eine Sistierung nicht zulässig ist. Die Gemeinden hätten einen Rechtsanspruch darauf, dass ihr Gesuch zeitnah behandelt und darüber entschieden werde, so die Gutachter.

Regierung empfiehlt, keine weiteren Gesuche einzureichen

Allerdings besteht Personalmangel – sowohl beim Kanton Luzern als auch bei den externen Verkehrsbüros. Darum schreibt der Regierungsrat in seiner Mitteilung abschliessend: «Namentlich mit Blick darauf wird den Gemeinden empfohlen, davon abzusehen, neue Gesuche einzureichen.» Neue Planungen werden demnach nur noch in Einzelfällen gestartet.

Eine fragwürdige Empfehlung, zumal die Dauer für die Bearbeitung eines Gesuchs nicht mit dem grundsätzlichen Anliegen einer Temporeduktion zusammenhängt. Der Kanton begründet auf Anfrage von zentralplus mit einem knappen Statement: «Der Fokus soll aktuell bei den Anträgen liegen, die bereits vorliegen.»

Die Tempo-30-Diskussion nimmt in Luzern also wieder Fahrt auf. Vorerst aber nur in gemächlichem Tempo. Damit sich die hitzige Debatte etwas abkühlen kann, mag das vielleicht sogar hilfreich sein.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Markus Rotzbeutel
    Markus Rotzbeutel, 26.09.2023, 06:40 Uhr

    Höchste Zeit vorwärts zu machen. Für die Kinder und für uns. Weniger Kindersterben, weniger Lernbeeinträchtigung durch Lärm und andere Emissionen. Nur ein Kindshasser kann dagegen sein.

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    • Profilfoto von James' Meinung
      James' Meinung, 26.09.2023, 15:49 Uhr

      Kindersterben…? Jetzt aber…
      Wenn Sie schon so einen Stumpfsinn von sich geben wollen, müssen Sie den Kommtar bei einem der beiden Käseblattätter verfassen. Dort finden Sie sicher eine Mehrheit.

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