Luzern fährt verkehrspolitischen Zick-Zack-Kurs

Anschluss Buchrain: Mehr Strasse, weniger Autos! Geht das?

Der Kanton treibt neue Strassenbauprojekte voran. VCS-Geschäftsführer Dominik Hertach kritisiert, dass der Kanton so seine eigenen Verkehrsziele verfehlt. (Bild: Aura Fotoagentur / zvg)

Die Verkehrsplanung der Luzerner Regierung wirft Fragen auf. Sie will Mehrverkehr vermeiden, baut das Strassennetz aber munter aus. Das aktuelle Beispiel Buchrain zeigt die Widersprüchlichkeit dieser Politik auf.

«Luzern will A-14-Anschluss Buchrain früher ausbauen», titelte zentralplus vergangene Woche. An und für sich keine spektakuläre Meldung. Die Forderung aus Luzern steht im Zusammenhang mit den vom Bund geplanten Ausbauschritten der Schweizer Autobahnen. Im Rahmen der Vernehmlassung dieser Pläne verlangt die Luzerner Regierung, dass der Autobahn-Anschluss in Buchrain bereits bis 2033 ausgebaut wird. Der Bund hingegen sieht einen Ausbau erst bis 2040 vor.

Sieben Jahre Unterschied, was macht das schon? Das ist durchaus eine berechtigte Frage. Doch viel überraschender als der Inhalt der Luzerner Intervention ist die Forderung an sich. Denn sie wirft Fragen über die Verkehrspolitik des Regierungsrats auf.

Kanton setzt auf Strategie mit vier Pfeilern

Es ist nämlich erst wenige Monate her, da hat der Kanton Luzern den Bericht «Zukunft Mobilität Luzern», kurz Zumolu, vorgelegt. Der Bericht legt die Stossrichtung der Luzerner Verkehrspolitik für die Zukunft fest. Und diese Stossrichtung orientiert sich an der 4V-Strategie: Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern, Verkehr vernetzen und Verkehr verträglich gestalten. In der Vernehmlassung gab es für diese Strategie von den allermeisten Parteien und Verbänden viel Lob (zentralplus berichtete).

Das bedeutet in anderen Worten: Mehrverkehr ist nicht erwünscht und statt im Auto sollen die Luzernerinnen in Zukunft zu Fuss, per Velo oder mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) von A nach B reisen. Der verbleibende Autoverkehr wiederum soll auf der bestehenden Infrastruktur abgewickelt werden. Für neue Strassen müsse der Nutzen insgesamt grösser sein als die Kosten.

Ausbau Buchrain sei notwendig

Insofern ist es überraschend, dass die Regierung nur wenige Monate später den ohnehin schon geplanten Ausbau des Autobahn-Anschlusses Buchrain sogar forciert. Der Kanton begründet die Forderung damit, dass der Anschluss bereits heute regelmässig überlastet sei. Das führe zu erheblichen Rückstaus, welche nicht nur den Auto-, sondern auch den öffentlichen Verkehr beeinträchtigen. Regelmässige Zeitverluste für alle Verkehrsteilnehmer sind die Konsequenz.

Es sei darum insbesondere für den ÖV wichtig, argumentiert der Kanton weiter, dass der Verkehr auf der Autobahn sowie den Ein- und Ausfahrten fliessend verläuft. Zudem betont Joana Büchler, Sprecherin des Baudepartements, auf Anfrage: «Es geht bei diesem Anschluss in Buchrain denn auch ausschliesslich um eine Optimierung dieses Anschlusses, was nicht vergleichbar ist mit einem neuen Anschluss.»

«Ohne flankierende Massnahmen besteht die Gefahr, dass die geschaffenen Kapazitäten letztlich mehr Verkehr erzeugen.»

Vernehmlassungsantwort Kanton Luzern

Anders sieht das der VCS Luzern. Der Verkehrsclub hatte den Kanton für die Stossrichtung des Zumolu-Berichts und die 4V-Strategie noch gelobt. Dass die Regierung wenige Monate danach ein grosses Strassenbauprojekt forciert, ist für den Verband daher unverständlich: «Nicht mehr Strassen für noch mehr Autos sorgen für weniger Stau, sondern weniger Autos auf der Strasse sorgen für einen flüssigeren Verkehr – auch in Buchrain», sagt Geschäftsführer Dominik Hertach auf Anfrage.

Der Kanton räumt ein, dass ein Ausbau des Anschlusses in Buchrain mit Vorsicht erfolgen muss. «Flankierende Massnahmen» auf den umliegenden Kantons- und Gemeindestrassen seien notwendig, betont die Regierung in ihrem Schreiben an den Bund. «Ansonsten besteht die Gefahr, dass die geschaffenen Kapazitäten letztlich mehr Verkehr erzeugen», bestätigt der Kanton die Befürchtungen des VCS. Welche Massnahmen damit gemeint sind, lässt er allerdings offen.

Mehrere Ausbauprojekte für das Auto

Das Beispiel Buchrain ist kein Einzelfall. Dass die Regierung die 4V-Strategie verfolgt und gleichzeitig den Bau des Bypass vorantreibt, sorgte bereits im Rahmen der Vernehmlassung des Zumolu-Berichts für kritische Töne – von allen Seiten. So kritisierten sowohl der VCS als auch der TCS, dass ein Strassenbauprojekt wie der Bypass mit den Verkehrszielen der Regierung nicht vereinbar sei. Auch wenn die beiden Verbände aus dieser Erkenntnis ihren Interessen gemäss ganz unterschiedliche Schlüsse zogen.

Zudem gab der Bund im vergangenen Sommer bekannt, dass er den Autobahn-Anschluss Emmen-Nord wieder in Betrieb nehmen will. Auch diese Massnahme läuft dem Ziel zuwider, den Verkehr vom Auto auf den ÖV zu verlagern – wie der Kanton bereits selber festgestellt hat.

«Der weitere Ausbau der Strasseninfrastruktur generiert mehr Verkehr, verschärft damit das Problem und verunmöglicht so die notwendige Förderung des ÖV.»

Dominik Hertach, Geschäftsführer VCS Luzern

So schreibt der Kanton im neusten ÖV-Bericht, dass die Eröffnung der Autobahn-Anschlüsse in Rothenburg und Buchrain das Autofahren attraktiver gemacht habe. Die Attraktivität des ÖV habe hingegen darunter gelitten. Die Regierung nennt dies als einen der Hauptgründe, wieso sie ihren eigenen Verkehrszielen in der Agglomeration hinterherhinkt. Dort stagniert die Verlagerung des Verkehrs vom Auto auf den Bus und den Zug seit Jahren. Es bleibt darum fraglich, ob ein Ausbau des Anschlusses in Buchrain für den ÖV tatsächlich förderlich sein wird (zentralplus berichtete).

VCS kritisiert Kanton

Für Dominik Hertach vom VCS Luzern ist klar, dass neue Strassenbauprojekte nicht die Lösung für dieses Problem sein können: «Der weitere Ausbau der Strasseninfrastruktur – vom Ausbau des Autobahnanschlusses Buchrain über die Öffnung des Autobahnanschlusses Emmen Nord bis zum geplanten Bypass – generiert mehr Verkehr, verschärft damit das Problem und verunmöglicht so die notwendige Förderung des ÖV.»

Der Geschäftsführer des VCS attestiert der Regierung zwar, die richtigen Ansätze zu verfolgen: «Die konsequente Anwendung der 4V-Regel brächte die gewünschte Veränderung.» Doch er führt aus: «Dazu muss sich der Kanton Luzern aber nicht bloss Ziele setzen, sondern auch entsprechend handeln.» Darunter versteht er eine grundsätzliche Neuaufteilung der Strassen: Weniger Autospuren, mehr Busspuren und Velowege, so das Credo von Hertach.

Der Kanton hält diesen Ansatz für zu einseitig. «Entscheidend ist eine gesamtheitliche Perspektive auf Verkehr und Mobilität», sagt Joana Büchler vom Baudepartement. Der Kanton strebe eine Verkehrsplanung an, welche die Bedürfnisse aller Personengruppen befriedige. Beim Bypass handle es sich um ein Entlastungsprojekt, das dem regionalen Verkehr mehr Platz einräumt: «Das kommt auch dem öffentlichen Verkehr zugute», hält Büchler fest. Dasselbe gelte für die Optimierung des Anschlusses in Buchrain.

Offensichtlich will es die Regierung allen Verkehrsteilnehmerinnen recht machen. Diese Einstellung ist im Grundsatz zwar löblich – ob sie jedoch dazu beiträgt, die eigenen Verkehrsziele zu erreichen, ist fraglich.

Verwendete Quellen
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