Grümpelturniere der Zentralschweiz

Wackliger Europarekord und «trömmliges» Jubiläum

Bitterer Ernst beim Penaltyschiessen vor dem Abschuss an der Afterparty: Grümpelturniere vereinen Sport und Spass fast schon kongenial. (Bild: Sam Aebi)

In der Zentralschweiz stehen zwei grosse Fussballfeste an – und für einmal ist der FC Luzern höchstens in der Nebenrolle als Talentjäger involviert. Stattdessen werden Tausende Hobbyfussballerinnen die Rasen in Unterägeri und Luzern stürmen.

Verbogene Schienbeinschoner und zerknitterte Stulpen aus der hintersten Schrankecke hervorkramen, Noppenschuhe in die Sporttasche und ein paar dicke Schichten Sonnencreme ins Gesicht: Die morgendliche Routine dürfte am Samstagmorgen von Tausenden Hobbyfussballerinnen durchbrochen werden.

Auch in Luzern und Unterägeri wird am Wochenende gekickt. Doch wer gedenkt, sich sowohl am Kick’n’Rush als auch am Grümpi des FC Aegeri blicken zu lassen, dürfte einen zünftigen Kulturschock erleben. Denn die beiden Zentralschweizer Grümpelturniere haben nur wenig gemeinsam.

Das Aegeri Grümpi und sein wackliger Europarekord

Während das Kick’n’Rush mehr als nur ein Fussballturnier sein möchte, machen beim Aegeri Grümpi so viele Fussballer mit wie sonst nirgends in Europa. Auch bei der diesjährigen 69. Ausgabe dürfen die Veranstalter in Unterägeri mit den ganz grossen Zahlen auftrumpfen. Fast 200 Teams sind mit dabei. Aus der ganzen Schweiz, aber auch aus dem benachbarten Ausland reisen sie an, um sich auf den Fussballplätzen des FC Aegeri zu messen.

Doch die beeindruckenden Zahlen täuschen. Denn im Gespräch mit OK-Präsident Michael Schwarzenberger stellt sich heraus: Die besten Zeiten hat das Aegeri Grümpi hinter sich – zumindest quantitativ. Um die Jahrtausendwende herum habe das Turnier – auch dank Social Media – einen regelrechten Boom erfahren. Über 300 Teams pilgerten zeitweise nach Unterägeri. «Es war jedoch nie das Ziel, das grösste Grümpi in Europa zu werden», sagt Schwarzenberger. Doch hätten sich die ausgelassene Stimmung, das umfassende Festprogramm und das hübsche Ägerital als Austragungsort wohl herumgesprochen.

Corona hat reingegrätscht

Dass das Turnier geschrumpft ist, verortet Schwarzenberger in einem generellen Phänomen: dem Grümpisterben. «Dies ist wohl dem geschuldet, dass heutzutage an jedem Wochenende gleich mehrere Feste stattfinden und die Leute viel spontaner entscheiden, wo es hingehen soll», vermutet er. Zudem habe die Coronapandemie eine Zäsur zur Folge gehabt. So nahmen vergangenen Sommer 30 Teams weniger am Aegeri Grümpi teil als 2019.

Dafür machen bei einem beliebten Gesellschaftsspiel aus der Daheimbleibezeit, dem Beerpong, ganze 30 Teams mit. Es ist die Kategorie für diejenigen, die den grossen Durst mit kleinen Bällchen löschen wollen. Während beim Beerpong die Wurftechnik ausschlaggebend ist, spielt bei der Tombola das goldene Händchen die Hauptrolle. Wer Losglück hat und sich am Grümpi das Bein bricht, kann sich zum Trost vor einen der Hauptpreise setzen und sich Fussballspiele der Profis ansehen.

Doch es scheint, als wären die Teilnehmerinnen des Aegeri Grümpi alles andere als Stubenhocker. Denn die einst lancierte Gaming-Lounge ist schon wieder Geschichte. Dafür fahren die Veranstalter mit den ganz grossen Boxen auf. Die pumpenden Bässe des Technobunkers dürften insbesondere auch das jüngere Publikum beglücken. «Die Festzelte füllten sich jeweils besonders gut, wenn elektronische Musik lief», haben Michael Schwarzenberger und sein OK beobachtet. Darum dürfen die Ägeri Valley Boyz bis in die frühen sonntaglichen Morgenstunden Party machen.

Frauenfussball ist mehr als ein Hype

Stolz ist Schwarzenberger aber nicht nur auf das moderne Rahmenprogramm, sondern auch auf die Damenliga: «Frauenfussball wird vom FC Aegeri seit über 15 Jahren aktiv gefördert. Die Damen sind ein wichtiger Teil unseres Vereins.» Er findet: «Der Aufstieg des Frauenfussballs ist bemerkenswert und die Damenliga am Aegeri Grümpi eine Folge daraus.»

Dem dürften auch die Veranstalter des Kick’n’Rush zustimmen. Vergangenen Sommer organisierte der Verein auf der Luzerner Allmend, wo auch das diesjährige Grümpelturnier stattfinden wird, eins der wenigen Public Viewings zur Frauen-EM (zentralplus berichtete). Doch die 2001 ins Leben gerufene Damenliga wird heuer beerdigt. «Wir haben uns 2023 dazu entschieden, mit den geschlechterbezogenen Ligen zu brechen. Denn Können kennt kein Geschlecht», begründen die Veranstalterinnen gegenüber zentralplus ihren Entscheid. Unterschieden werde nur noch zwischen sportlicher und spassiger Liga.

Zwischen Kult und Sport

Tatsächlich haben sich aber für die sportliche Liga so wenige Teams angemeldet, dass die Kategorie ebenfalls entfällt. Was auch damit zusammenhängen dürfte, dass das Kick’n’Rush sich eher an sportliche Kulturschaffende als an kulturaffine Sportlerinnen richtet. So sei das Kick’n’Rush die Plattform für den grössten kulturellen Austausch der freien Szene Luzerns, wie auf der Website geschrieben steht. «Wer sich in der Kultur nicht findet, trifft sich unausweichlich am Kick’n’Rush.»

Im Vordergrund die Pokale des Kick’n’Rush, im Hintergrund die Bandenwerbung von «Radio 3FACH». Sollte einer dieser Preise an den Jugendsender gehen, dürften in der Kulturszene hitzige Debatten entbrennen. (Bild: zvg)

Selbst unter den Sponsoren des Turniers finden sich Kulturinstitutionen wie das «Radio 3FACH» wieder. Gleichzeitig kämpfen dessen junge Moderatorinnen auf dem Rasen um den heiss begehrten Wanderpokal. Interessenkonflikte scheinen vorprogrammiert. Darauf angesprochen, weist das Kick’n’Rush-OK den Vorwurf der sportlichen Bevorzugung einzelner Teams zwar strikte von sich. Doch folgende pikante Aussage lässt an seiner Integrität zweifeln: «Uns können alle bestechen.»

Religionsfreiheit wird grossgeschrieben

Korrupt wie die FIFA und so fromm wie der Papst: Auch in Sachen Kultus besticht das Kick’n’Rush mit Weitsicht. Während Kritiker behaupten, mit der traditionellen Segnung des Platzes mache sich das Kick’n’Rush über religiöse Riten lustig, betont das OK seine Offenheit gegenüber allen Religionen und Kulturen.

Doch die Platzsegnung ist nur ein Höhepunkt am Grümpi der selbst ernannten «Mutter aller Turniere». Auch ein Jubiläum gilt es zu feiern. Denn seit 1998 kickt sich die Luzerner Kulturszene der Kick’n’Rush-Afterparty entgegen. Diese steigt am Samstag in der Schüür. «Komme, um ihnen herablassende Fragen über Kängurus und Jetlag zu stellen. Bleibe wegen der Hits», so der Matchplan des Kick’n’Rush-OK für das Konzert der australischen Band Alien Nosejob, während der Kurzbeschrieb für das Duo Lev Tigrovich Drama-Pop auf Russisch lautet. Doch was hat es mit der Performance Power Puff auf sich? Die Veranstalterinnen weichen aus: «Ein ‹trömmliges› Programm erwartet euch – kommen lohnt sich!»

Konkreter fällt ihr Bekenntnis zum Aegeri Grümpi aus. «Wir schätzen und achten Diversität und wünschen dem Aegeri Grümpi ein unfallfreies Wochenende», lässt sich das Kick’n’Rush-OK zitieren. Aus dem Ägerital fliesst die Liebe zurück an den Vierwaldstättersee. «Das Kick’n’Rush bietet eine schöne Plattform für Kulturschaffende», weiss Michael Schwarzenberger. «Eine coole Idee!»

Verwendete Quellen
1 Kommentar
Apple Store IconGoogle Play Store Icon