So fieberte das Publikum beim Fussballspiel der Frauen mit
Nicht an vielen Orten in der Stadt Luzern werden die Fussballspiele der Schweizer Frauenfussball-Nati gezeigt. zentralplus hat das erste Spiel der Schweizerinnen in der Allmend besucht.
Fussball sei die schönste Nebensache der Welt, sagt ein Sprichwort. Genau das schien das erste Fussballspiel der Schweizer Frauen an der diesjährigen Fussball-EM zu sein – nebensächlich. Während es bei männlicher Beteiligung an grossen Turnieren über die ganze Stadt verteilt gut besuchte Public Viewings gibt, muss man sie während der Frauen-EM suchen (zentralplus berichtete).
Immerhin hat sich die Schüür nach der Berichterstattung von zentralplus dazu entschieden, die Spiele der Frauen doch noch zu zeigen (zentralplus berichtete). Und auch im Bourbaki sowie auf dem Vorplatz des Neubads finden Public Viewings statt.
«Kick 'n' Rush» auf der Allmend zeigt das Spiel auf dem Fernsehbildschirm
Doch statt bei schönstem Wetter draussen, zeigten die Kulturzentren Schüür und Bourbaki das Spiel drinnen, in einem Saal oder einer Ecke hinter der Bar. Statt einer grossen Leinwand wurde das Spiel auf einem Fernsehbildschirm übertragen.
«Würden die Männer jetzt spielen, wäre ich nicht hier.»
Nicolas
Auch am traditionellen «Kick 'n' Rush»-Grümpeliturnier auf der Allmend wurde das Spiel zwischen der Schweiz und Portugal gezeigt – auch hier nur auf einem Fernsehschirm, auch hier nur als Beiwerk im Hintergrund. Jedoch dauert es bis 20 Minuten vor Anpfiff, bis überhaupt etwas davon zu sehen ist, weil der Bildschirm noch nicht steht.
Währenddessen dröhnt aus den Platz-Speakern musikalische Begleitung für die Fussballspielenden auf den Plätzen. Und in der Scheune neben dem Feld spielt kakofonische Livemusik. Es ist ein akustisches Kuddelmuddel und diejenigen, die zum Spiel dazukommen, wissen nicht, wo es zu sehen ist.
Erahnbare Ekstase in Luzern
Als der Fernseher steht und das Spiel eingeleitet wird, schaut ein gutes Dutzend Leute auf den Bildschirm. Insgesamt hätte es bis zu 80 Sitzplätze an den Tischen vor dem Fernseher. Mehr als die Hälfte der Anwesenden schaut zu Spielbeginn nicht hin, sondern spricht, trinkt und redet über Anderes.
Das Interesse für die Fussballfrauen hält sich anfangs also stark zurück. Als Coumba Sow die Schweizerinnen früh in Führung schiesst, klatschen ganze vier Leute in die Hände. Ein paar Weitere stossen ein fröhliches Lachen aus – doch die Stimmung scheint anzuziehen. Nach drei Minuten schauen schon knapp 20 Augenpaare dem Spiel zu.
Frauenfussball: Entweder ganz oder gar nicht
Wenige Minuten später das 2:0 – die Ekstase ist fast zu erahnen. Ein halbes Dutzend Leute klatscht ausgiebig, einzelne Jubelschreie sind zu hören. Freude ist spürbar, die Euphorie hält sich jedoch noch in Grenzen. Während den nächsten Minuten bleibt die Zuschauerzahl stabil.
Diejenigen, die das Spiel verfolgen, tun dies mit ihrer vollen Aufmerksamkeit. Für den Rest ist das Spiel Hintergrundrauschen. «In den Staaten gibt es so etwas nicht», sagt Kevin, «dort interessieren sich die Leute nicht für Fussball.» Kevin ist Tourist und eher zufällig da. «Ich finde es schön, dass es das gibt. In den USA gäbe es das nur bei einem grossen Football-Spiel».
Unterstützenswerte Idee
Was schnell klar zu sein scheint: Nur die wenigsten Anwesenden sind explizit wegen des EM-Spiels hier. Eine davon ist Anina: «Ich finde es sehr wichtig, dass die Frauen-EM dieselbe Aufmerksamkeit erhält wie die Turniere der Männer», sagt sie uns. Sie fände es schade, dass dies allgemein im Sport nicht der Fall sei.
Das findet auch Nicolas, der sich ansonsten gar nicht für Fussball interessiert. «Würden die Männer jetzt spielen, wäre ich nicht hier.» Die Idee, am Public Viewing dabei zu sein, sei von seiner Freundin gekommen – und er fand es eine unterstützenswerte Idee.
Was auffällt: Mindestens die Hälfte der Zuschauerinnen ist weiblich. Fans vom Fussball der Frauen scheinen aber kaum welche da zu sein – zumindest sieht man keine Fanutensilien, wie beispielsweise ein Trikot. Was ebenfalls auffällt: Selbst wenn mehr als die rund zwei Dutzend Zuschauer interessiert wären, die Sicht auf den Bildschirm ist durch dessen Grösse und die Sonneneinstrahlung derart schlecht, dass nicht wirklich mehr Leute das Spiel gemütlich schauen könnten – ohne in der brütenden Sonne zu stehen und die Augen zuzukneifen.
Kein Public Viewing
Sebi findet es schade, dass es keine Leinwand gibt. Er organisiert den Antirassimus-Cup im August und war am Kick 'n' Rush aktiv am Mitspielen. Nach seinen Spielen schaut er mit seinen Kindern den Match der Frauen-EM: «Für die Kinder ist Fussball Fussball – egal, ob Männer spielen oder nicht. Sie haben Freude.» Für ihn ist es auch ein schönes Erlebnis – auch wenn der EM-Match nicht der Hauptgrund für sein Kommen war.
«Das hier ist kein Public Viewing. Wir wollten den Match zeigen, weil wir es wichtig finden, das Spiel der Frauen zu zeigen.»
Beni, Mitorganisator
Mitorganisator Beni hält fest: «Das hier ist kein Public Viewing. Wir wollten den Match zeigen, weil wir es wichtig finden, das Spiel der Frauen zu zeigen. Aber im Vordergrund steht das ‹Kick 'n' Rush› Grümpelturnier.» Eine Leinwand sei von Anfang an nie geplant gewesen.
In der Halbzeit ergreifen die Organisatoren Massnahmen und verschieben kurzerhand den Fernseher sowie Tische und Stühle einige Meter weiter in den Schatten. So wird das Seherlebnis zumindest ein bisschen verbessert. Jedoch sind die Zuschauerinnen nun mitten in der Tonschneise des Party-DJs, der immer mal wieder das Spiel übertönt. So bleibt die Atmosphäre diffus. Nichtsdestotrotz bleibt die Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Spiel. Dort gibt es auch genügend zu sehen, denn die Portugiesinnen haben mittlerweile verkürzt.
Zeichen der Solidarität
Ein Schrei der Enttäuschung hallt über den Platz, als die Portugiesinnen ausgleichen. Mittlerweile diktiert das Spiel die Gefühlslage des Publikums. Über 30 Leute schauen sich das letzte Viertel des Spiels gebannt an und das Raunen der Enttäuschung wird nochmals lauter, als die Schiedsrichterin einen Penalty für Portugal pfeift.
Genauso laut wird es, als die Schweizer Torhüterin den anschliessenden Freistoss pariert. Die Anspannung wird grösser, das Spiel der Frauen zieht immer mehr Publikum in seinen Bann. Gegen Ende hat sich die Zahl der Zuschauerinnen im Vergleich zu Beginn des Spiel fast verdoppelt.
Als zum Schluss des Spiels eine spannende Szene der anderen folgt, gibt es immer wieder Applaus für die Schweizerinnen. Für viele Zuschauer ist es ein Zeichen der Solidarität, das Spiel der Frauen zu schauen. Trotz der widrigen Umstände bereut es niemand, den EM-Match in der Allmend geschaut zu haben. Nichtsdestotrotz gibt es Ausbaufähiges – sowohl bei den Fussballerinnen der Schweiz als auch bei den Orten, die die Spiele der Frauen übertragen.
Schön ist es trotzdem, dass immerhin an einigen Orten dieser Stadt die Spiele der Fussballerinnen über die Bildschirme flimmern.
- Besuch des Public Viewings des Fussballspiels beim Kick'n'Rush
- Gespräche mit Zuschauerinnen vor Ort
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.
Martha s., 11.07.2022, 09:54 Uhr Sie gehören wohl auch zu den Menschen, die nur zwei Geschlechter anerkennen und die schöne Vielfalt in der queeren Welt nicht sehen? Wie kann man nur so ignorant sein.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runterPrima Ballerina, 11.07.2022, 09:17 Uhr Das grösste Problem des Schweizer Frauenfussballs ist, dass die Spiele nicht besser werden, je mehr die Presse darüber schreibt und die Gender-Lobby in diesem Bereich nach Gleichberechtigung schreit. Aber dadurch gibt es wieder etwas zu schreiben und so kann die Presse ihr Sommerloch perfekt selbst füllen.
👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterTrömpeterli, 11.07.2022, 08:56 Uhr Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Dieses Theater ist ja genau gleich langweilig wie bei den Männern.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterMartha s., 11.07.2022, 10:07 Uhr Ja aber bei Frauen gibt es nicht so viel Streit und Aggressionen wie bei den Männern. Deshalb sollte im TV nur noch Frauensport gezeigt werden.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
Kudi Meier, 11.07.2022, 07:54 Uhr 20 Personen, die auf einen 30-Zoll-Bildschirm starren? Das entspricht vermutlich etwa dem Niveau des gezeigten…
👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterPeter, 11.07.2022, 07:41 Uhr Der Frauenfussball ist auch in der Schweiz auf einem guten Weg. Das war auch schon vor dem krampfhaft erzwungenen Hype um die EM 2022 der Fall. Nur braucht dies auch Zeit, bis es sich in andere Sphären entwickelt. Erzwingen lassen sich Emotionen und das Interesse nun mal nicht, das sieht man auch bei U21-Europameisterschaften, oder bei Sportereignissen von Randsportarten. Man ist aktuell noch in der Phase der einzelnen Grossevents(Eröffnungsspiel, einzelne CL-Spiele, Qualispiele der Nati etc.), ohne das Interesse für die Breite entfacht zu haben.
Wenn die Frauen aber so weitermachen wie bisher, wird sich eine schöne Szene auch um den Frauenfussball entwickeln und wer weiss, vielleicht findet ja gar die EM 2025 in der Schweiz statt.
Ein weiterer nächster Schritt, der aktuell in der Region läuft: Die Integration der Frauen in die Profisport-AG des FC Luzern. Das wird kurzfristig noch keine grossen Sprünge erlauben, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung und wird mittelfristig Früchte tragen.👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎5Daumen runterprinzessin tuba, 11.07.2022, 06:31 Uhr «Würden die Männer jetzt spielen, wäre ich nicht hier.»
Was für eine homophobe Aussage!!!!!
👍5Gefällt mir👏2Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterFranz Berlusconi, 11.07.2022, 06:42 Uhr das ist tatsächlich unglaublich, und zeigt das die queere community noch einen langen, und steinigen Weg vor sich hat, und wie wichtig aufklärung ist!
👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runtermenbruendler, 11.07.2022, 07:39 Uhr ich glaube das war nicht so gemeint
👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runterDaniela Ueberklarinette, 11.07.2022, 09:31 Uhr Ich sehe nicht was daran homophop sein soll??!!
👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Roli Greter, 11.07.2022, 00:39 Uhr «Mindestens die Hälfte der Zuschauerinnen ist weiblich.»
Okidoki 🙂
👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterKurt B., 10.07.2022, 12:20 Uhr Ich wäre dafür das man die Spiele auf einer 10m breiten Leinwand zeigt und die Zuschauer*innen ankettet und alle Nati-Tshirts tragen müssen. sonst wird sich nie etwas ändern an diesem ungeheurlichen gender gap!
👍2Gefällt mir👏4Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runterFranz Berlusconi, 11.07.2022, 06:22 Uhr Ich wäre da eher skeptisch was das Anketten angeht. aber ein versuch wäre es wohl wert.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎2Daumen runter