«Ein Stein flog mir am Kopf vorbei»

Paul Winiker tritt ab – so erlebte er seine Amtszeit

Lässt das Regierungsgebäude hinter sich: der abtretende Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker. (Bild: mst)

Der SVP-Regierungsrat Paul Winiker tritt nach acht Jahren als Luzerner Sicherheitsvorsteher zurück. Im Interview blickt er auf seine Amtszeit zurück, und er spricht über den FCL und seinen inoffiziellen Spitznamen «Apéro-Päuli».

Paul Winiker ist noch einen Monat im Amt, dann ist Schluss. Der 67-jährige SVP-Regierungsrat aus Kriens wird Ende Juni seinen letzten Arbeitstag als Vorsteher des Luzerner Justiz- und Sicherheitsdepartements haben. Er empfängt zentralplus in seinem Büro im Regierungsgebäude, wo er Bilanz zu seiner achtjährigen Amtszeit zieht.

zentralplus: Paul Winiker, nach acht Jahren im Amt treten Sie ab. Freuen Sie sich oder fürchten Sie den Abschied?

Paul Winiker: Man sagt ja, so ein Amt bringt Bürde und Würde. Die Last, gerade als Sicherheitsverantwortlicher, gebe ich gerne wieder ab. Das darf ich auch, ich bin gerade 67-jährig geworden. Aber selbstverständlich: Die schönen Begegnungen und die Freude, die das Amt mit sich bringen, werde ich vermissen.

zentralplus: Was war die Hauptlast, die Sie schultern mussten?

Winiker: Grundsätzlich ist man ab dem Tag, an dem man ins Amt eintritt, in der Verantwortung. Gerade im Bereich der Sicherheit ist aber nicht alles kontrollierbar. Beispielsweise hatten wir Naturkatastrophen. Auch eine Pandemie kann die Sicherheit betreffen. Für das bin ich politisch verantwortlich, auch wenn ich nicht immer alles steuern und beeinflussen kann. Das ist kein Zuckerschlecken, ebenso nicht für meine Mitarbeiter, welche bei Einsätzen die Hauptlast tragen.

zentralplus: Mit den Ausschreitungen nach dem FCL-Spiel am vergangenen Samstag haben die Luzerner Polizisten, die Sie führen, einen Grosseinsatz hinter sich. Gehört der FC Luzern zu einer dieser Belastungen?

Winiker: In der Öffentlichkeit wird das immer etwas verzerrt wahrgenommen. Grundsätzlich sind der Kanton Luzern und die Polizei nicht verantwortlich für Veranstaltungen wie Fussballspiele, sondern die Vereine und die Liga. Diese sind dafür zuständig, dass sie sich von Kundengruppen – die nenne ich jetzt mal so –, die Krawall machen und Unruhe stiften, trennen. Die Vereine und die Liga könnten nicht einfach sagen, was ausserhalb des Stadions passiere, gehe sie nichts an. Aber immerhin: Von dem sind sie jetzt auch weggekommen. Sie wollen mehr Verantwortung übernehmen, vor allem bei den Gästesektoren und beim Fantransport.

Als Sicherheitsdirektor ist Paul Winiker unter anderem verantwortlich für die Polizei. (Archivbild) (Bild: lwo)

zentralplus: Aber zuvor musste es zu den Ausschreitungen am Bundesplatz kommen.

Winiker: Für diesen Einsatz habe ich mich auch bei den Polizisten bedankt, der war hochgefährlich. Sie befanden sich beim Bundesplatz in einem Sandwich, das ist unzumutbar. Deshalb habe ich mich bei ihnen bedankt, dass sie verhältnismässig reagiert haben. Zwei Polizisten sind gar leicht verletzt worden. Das darf nicht so hingenommen werden.

zentralplus: Von der Fanszene hört man im Gegenzug, die Polizei habe nicht verhältnismässig reagiert. Mehr noch: Sie habe die Eskalation befeuert.

Winiker: Diesen Vorwurf kann ich absolut nicht akzeptieren. Die Chaoten waren unverhältnismässig. Ich war beim ganzen Einsatz dabei. Die Polizisten haben erst Gummischrot eingesetzt, nachdem die Fanlager sich gegenseitig mit Raketen beschossen hatten. Vor allem von St. Galler Seite sind Steine, Stühle und Container geworfen worden. An meinem Kopf ist ein faustgrosser Stein vorbeigeflogen. Das war eine Rücksichtslosigkeit von Beginn weg. Völlig unbeteiligte Passanten sind miteinbezogen worden. Bereits nach der Ankunft am Bahnhof hatten die Fans Böller und andere Mittel eingesetzt, noch bevor die Polizisten etwas eingesetzt haben. Wenn sie die reine Präsenz der Polizei bereits als Provokation anschauen, ist das ein Missbrauch des Begriffs Provokation.

zentralplus: Kommen wir zu etwas Angenehmerem. Was war der schönste Moment Ihrer Amtszeit?

Winiker: Die freundschaftlichen Kontakte mit der Bevölkerung. Aber auch die Solidarität während der Pandemie und der schweren Unwetter. Viele Frauen und Männer haben dafür gesorgt, Schlimmeres zu verhindern. Das hat mir gezeigt, dass unsere Gesellschaft sehr gut zusammenhält.

zentralplus: Und was waren im Gegenzug die schlimmsten Momente?

Winiker: Der Fall Malters (zentralplus berichtete). Hier haben die Medien sehr pointiert reagiert und versucht, eine Polizeikrise herbeizuschreiben. Vor allem mit der Berichterstattung der «Rundschau» des SRF hatte ich grosse Mühe. Sie hat das Vertrauen in die Polizei und ihr Vorgehen infrage gestellt. Aus einem sehr bedauerlichen Fall, der in einem Suizid endete, hat man versucht, die ganze Polizeiarbeit kaputt zu machen. Das war eine grosse Belastung, nicht nur für mich, sondern auch für den Einsatzleiter und die Polizei selbst.

zentralplus: In welches Projekt hätten Sie am liebsten mehr Zeit gesteckt?

Winiker: In die Organisationsentwicklung der Luzerner Polizei. Da waren mir lange die Hände gebunden wegen der Budgetrestriktionen und den Sparmassnahmen. Erst jetzt, gegen den Schluss meiner Amtszeit, konnten wir mit dem Planungsbericht alles für die Aufstockung der Polizei vorbereiten.

zentralplus: Für die geplanten Schliessungen von Polizeiposten gab es scharfe Kritik.

Winiker: Im Nachhinein ist klar: Wir hatten Mühe zu erklären, dass die Leistungen der Polizei nicht von den Polizeiposten erbracht werden, sondern von den Patrouillen. Die Posten sind im Prinzip Garderoben und Büros für die Einsatzkräfte. Es gibt Kantone, die nur zwei Polizeiposten haben, wir werden nach wie vor über deutlich mehr verfügen. Wichtig erscheint mir: Wir werden mit der Reorganisation der Polizei die Leistungen für die Bevölkerung verbessern, auch indem wir deutlich mehr Polizisten zur Verfügung haben werden.

zentralplus: Was sind die grössten Baustellen, die Sie Ihrer Nachfolgerin Ylfete Fanaj übergeben?

Winiker: Zum einen ist das sicher das Sicherheitszentrum in Rothenburg. In etwa vier Jahren kommt dafür die Botschaft für das Volk. Das ist also noch ein langer Weg. Beim zweiten grossen Projekt, dem Zivilschutzzentrum Sempach, ist die Botschaft nun bereit. Das dritte ist die Justizvollzugsanstalt Wauwilermoos, wo wir vor dem Wettbewerbsverfahren stehen.

zentralplus: Was halten Sie davon, dass Ihr Departement nun wieder zurück in die Hände der SP geht?

Winiker: Ylfete Fanaj ist eine sehr engagierte, offene und motivierte Person. Sie sagte mir erst kürzlich, sie habe eine grosse Affinität für die Sicherheit. Es ist gut, dass eine Frau nun dieses Amt führt, da Frauen noch mehr von der öffentlichen Sicherheit betroffen sind als Männer. Ich glaube, sie wird sich stark für die Sicherheit im Kanton einsetzen.

Paul Winiker ist selbst aktiver Fasnächtler und spielt in der Luzärner Buchelimusig. (Archivbild) (Bild: Webseite/ Luzärner Buchelimusig)

zentralplus: Ende Juni endet Ihre Zeit als Regierungsrat. Was haben Sie als Neupensionierter vor?

Winiker: Sofern die Gelenke mitspielen, freue ich mich, wieder mehr Footvolley im Lido zu spielen. Allgemein freue ich mich darauf, wieder weniger Termine in der Agenda zu haben und mehr Handlungsfreiheit. Denn als Regierungsrat ist man oft unter der Woche an Anlässen, am Wochenende hat man ebenfalls Pläne. Das ist auch belastend, es fehlen teilweise die Erholungsphasen. Diese Terminlast nicht mehr tragen zu müssen, ist eine Entlastung.

zentralplus: Haben Sie grössere Pläne?

Winiker: Mein grosses Projekt ist, kein grosses Projekt zu haben. Ich brauche wieder etwas mehr Ruhe und Rückzug. Aber meine Frau und ich haben schon immer einmal eine Velofahrt in ihre Heimat Holland machen wollen. Das schaffen wir hoffentlich nächstes Jahr.

zentralplus: Zum Ende Ihrer Amtszeit müssen wir noch etwas anderes fragen: In der Luzerner Bevölkerung sind Sie auch als «Apéro-Päuli» bekannt. Wie stehen Sie zu diesem Übernamen?

Winiker: Wenn man die Bezeichnung im Zusammenhang mit meinem Amt als Sicherheitsdirektor verwendet, finde ich sie despektierlich. Denn ich habe mich sehr im Sicherheitsbereich engagiert und viel gearbeitet, was mir auch von verschiedensten Gremien attestiert wird, in denen ich tätig bin. Aber wenn der Übernamen im Rahmen meiner geselligen Ader, beispielsweise im fasnächtlichen Treiben, verwendet wird, dann kann ich den Übernamen gut akzeptieren (lacht).

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Paul Winiker, SVP-Regierungsrat
  • Medienarchiv von zentralplus
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