Nach 16 Jahren verlässt er Luzerner Regierung

Schwerzmann: «Einen Skandal hatte ich glücklicherweise nie»

Marcel Schwerzmann verlässt seinen Platz im Regierungsratszimmer per Ende Juni. (Bild: mst)

Bildungsdirektor Marcel Schwerzmann (58) verlässt nach 16 Jahren den Luzerner Regierungsrat. Im Interview spricht der Parteilose über den Amoklauf in Menznau, die Pandemie und die Spuren, die das Amt hinterlässt.

zentralplus: Marcel Schwerzmann, Sie treten nach 16 Jahren als Luzerner Regierungsrat Ende Juni ab. Freuen Sie sich oder fürchten Sie den Abschied?

Marcel Schwerzmann: Ich habe mir den Rücktritt lange und gut überlegt und vor einem Jahr bekannt gegeben. Es war also kein Schnellschuss. Jetzt, so kurz vor meinem Abschied, kann ich sagen, dass ich diesen wichtigen Schritt bewusst gehe und mich auf die Zeit danach freue.

zentralplus: 16 Jahre muss man erst mal schaffen, gerade als Parteiloser. Haben Sie das erwartet?

Schwerzmann: Hinzu kommen noch die vier Jahre zuvor, die ich beim Kanton als Leiter der Steuerverwaltung gearbeitet habe. Von meinen rund 30 bisherigen Arbeitsjahren habe ich auf den Tag genau 20 Jahre für den Kanton Luzern und seine Bevölkerung gearbeitet. Natürlich konnte ich das dazumal nicht erahnen. Aber es freut mich und macht mich stolz, dass sich das so ergeben hat.

zentralplus: Sie waren durch Ihre Parteilosigkeit gewissermassen der «Einzelkämpfer» der Regierung. Hätten Sie sich ab und zu eine Partei im Rücken gewünscht?

Schwerzmann: Nein. Denn am Ende hatte ich immer die politische Unterstützung für meine Geschäfte. Es ist aber so, dass ich als Parteiloser fachlich gute und ausgewogene Vorlagen bringen musste, sonst wären meine Geschäfte abgestürzt. Man muss auch sehen: Das Volk wählte mich mehrere Male deutlich, und das immer als Parteiloser. Meines Erachtens steht einem die fehlende Parteizugehörigkeit dann im Weg, wenn man in einen Skandal gerät, da einem niemand den Rücken stärkt. Einen solchen hatte ich aber glücklicherweise nie.

Marcel Schwerzmann nach seiner letzten Wiederwahl 2019. (Bild: Emanuel Ammon)

zentralplus: Was waren die schönsten Momente Ihrer Amtszeit?

Schwerzmann: Die Breite an Themen, die ich bearbeiten, und die Vielfalt von Personen, die ich treffen konnte, ist ein Privileg. Das hätte ich in einem anderen Beruf so nicht erlebt. Es gibt viele Leute im Kanton Luzern, die den Kanton weiterbringen, obwohl man sie gar nicht stark wahrnimmt. Solche Begegnungen waren immer interessant und lehrreich. Aber Sie wollen ja auch konkrete Beispiele. Ich durfte herausragende Persönlichkeiten kennenlernen, beispielsweise den Astronauten Claude Nicollier oder die russische Primaballerina Maja Plissezkaja. Nicollier weiss genau, was er will und wie er sein Ziel erreicht. Maja Plissezkaja stand auch im hohen Alter noch auf der Bühne, wo sie als Balletttänzerin körperliche Schwerstarbeit verrichtete. Beides sind faszinierende Persönlichkeiten.

zentralplus: Was waren die schwierigsten Augenblicke?

Schwerzmann: Der Vorfall in Menznau 2013. Er hat mit dem gesamten Kanton auch die Regierung stark beschäftigt. Dazu gehörten auch die Beerdigungen, an denen wir Regierungsratsmitglieder teilgenommen haben. Und dann hat uns die Pandemie natürlich ausserordentlich gefordert. Da gab es schwierige Momente. Denn niemand legt gerne Massnahmen fest, welche die Bevölkerung so stark einschränken. Ich fand auch nicht alle gut, aber sie waren notwendig. Uns als Gremium half es, dass wir uns bereits gut kannten und lange zusammengearbeitet hatten. So konnten wir rasch und präzise arbeiten.

zentralplus: Was macht ein Regierungsratsamt mit einem, physisch als auch psychisch?

Schwerzmann: Die vielen Apéros hinterlassen durchaus körperliche Spuren (lacht). Aber sonst: Mir machte das Amt immer viel Spass, darum belastete es mich nicht. Ich konnte auch schwierige Momente gut wegstecken. Aber in meiner Amtszeit hatten wir zum Glück auch nie jemanden, der uns oder mich bedroht hat. Klar haben mir manchmal Leute auf der Strasse gesagt, dies oder jenes gehe so nicht. Aber es war immer im anständigen Rahmen. Wichtig ist wohl: Wenn das Amt zur Belastung wird, darf man es nicht mehr machen. Glücklicherweise belastet es mich bis heute wenig.

zentralplus: Wie konnten Sie schwierige Momente verarbeiten?

Schwerzmann: Ich bin einfach so ein Typ, der sich nicht davon belasten lässt und mit Druck gut umgehen kann. Als ich zu Beginn meiner Berufslaufbahn im Treuhandbereich tätig war, regte ich mich in einer Situation einmal wahnsinnig auf. Das prägte mich stark und ich nahm mir vor, mich künftig weniger aufzuregen. Seither gelingt mir das ziemlich gut, und mein Motto lautet: «In der Ruhe liegt die Kraft.» Im Parlament habe ich mich in all diesen Jahren nur ein- oder zweimal aufgeregt, eine ziemlich gute Quote.

zentralplus: Sie gelten als der Erfinder der Luzerner Tiefsteuerstrategie, da Sie als damaliger Finanzdirektor die Unternehmenssteuern in Luzern stark senkten. Mittlerweile sind mehr als zehn Jahre seit der Einführung vergangen. Wie beurteilen Sie die Strategie heute?

Schwerzmann: Nicht nur die Unternehmenssteuern sind gesunken, sondern auch die natürlichen Personen konnten stark von Steuersenkungen profitieren. Es gibt eine Statistik von Lustat, welche exakt die Zeit beleuchtet, in welcher ich Finanzdirektor war. Sie beweist mehr als deutlich, dass die Tiefsteuerstrategie aufgegangen ist. Ich stehe entsprechend nach wie vor hinter ihr. Dies, auch wenn sich die positive Wirkung später als erwartet zeigte. Durchhalten hat sich gelohnt.

zentralplus: Sie mussten gerade wegen der Tiefsteuerstrategie immer wieder sparen. Das kam nicht überall gut an.

Schwerzmann: Ja, wir mussten Gegensteuer geben und in einer Übergangsphase Sparmassnahmen einführen. Aber ich stehe dazu: Es war nötig, das zu machen, um die Handlungsfreiheit des Kantons wieder herzustellen. Je mehr Unternehmen wir ansiedeln konnten, desto mehr Arbeitsplätze konnten geschaffen werden. Selbstverständlich haben die bereits angesiedelten Unternehmen ebenfalls Arbeitsplätze geschaffen. Arbeitsplätze sind die beste Sozialpolitik. Ich hoffe entsprechend, dass ich dereinst nicht nur als der Sparer gesehen werde, sondern auch als Finanzdirektor, der wesentlich mehr Steuereinnahmen eingebracht hat.

Die Jungen Grünen 2019 an einer Protestaktion gegen die Finanzpolitik von Marcel Schwerzmann. (Bild: zvg)

zentralplus: Scharfe Kritik mussten Sie sich unter anderem wegen der verkündeten Zwangsferien zu Sparzwecken anhören.

Schwerzmann: Wir mussten uns ein paar mässig originelle Massnahmen überlegen. Rückwirkend gesehen war diese Massnahme politisch schwierig, aber trotzdem verteidige ich sie auch heute noch. Denn wir haben nicht einfach die Schulen geschlossen, sondern die zahlreichen Überstunden der Lehrpersonen abgebaut.

zentralplus: Sie wechselten vor vier Jahren von der Finanzdirektion unfreiwillig ins Bildungsdepartement. Bis heute schweigen Sie sich zu den Vorgängen aus. Jetzt, da Sie abtreten, können Sie es ja sagen: Wie haben Sie die damalige Rochade erlebt, als Sie vom Regierungsrat quasi zwangsversetzt wurden?

Schwerzmann: Ich werde auch jetzt nicht sagen, was damals in der Regierung diskutiert worden ist. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass ich diesen Wechsel nicht wollte. Trotzdem habe ich mich immer an den Entscheid gehalten und mich im Bildungs- und Kulturdepartement wohl gefühlt. Das hat die Öffentlichkeit auch so wahrgenommen.

zentralplus: In zwölf Jahren als Finanzdirektor mussten Sie viel Kritik einstecken, seit Sie Bildungsdirektor sind, ist es um Sie ruhiger geworden. Geniessen Sie das oder mochten Sie den Rummel um Ihre Person?

Schwerzmann: Als Bildungsdirektor ist man in der Tat seltener in den Medien, was ich durchaus schätze. Denn so kann man Geschäfte und Projekte ruhiger ausarbeiten. Als Finanzdirektor steht man oft im Rampenlicht, einfach aufgrund der Sachlage und des hohen öffentlichen Interesses. Ich habe mich auch als Finanzdirektor bei den Medien nicht aufgedrängt, doch die Geschäfte liessen oft nichts anderes zu.

zentralplus: Wo hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger Armin Hartmann die grössten Baustellen?

Schwerzmann: Ich gab mir Mühe, die Geschäfte in meinem letzten Jahr als Regierungsrat zu Ende zu bringen. Vieles ist mir gelungen, zum Beispiel dass die Universität Luzern nun sechs Fakultäten hat. Aber es gibt noch zwei offene Projekte, welche ich gerne zu Ende geführt hätte. Die seit Jahren überfällige Fusion der zwei kantonalen Museen ist mir gelungen. Offen ist noch ein optimaler Standort und eine neu konzipierte Ausstellung. Ich sehe bis heute keinen objektiven Grund gegen das alte Zeughaus in der Luzerner Altstadt. Das Projekt Schulverwaltungssoftware für die Volksschulen ist noch nicht fertig. Hingegen an den Gymnasien und in den Berufsbildungszentren läuft die Verwaltungssoftware sehr gut.

zentralplus: Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders gut gelungen?

Schwerzmann: Im Finanzdepartement konnte ich die wichtigen Gesetze entweder stark teilrevidieren oder komplett neu aufsetzen. Beispielsweise das Steuergesetz oder das Finanzhaushaltsgesetz. Das waren wichtige Projekte, die mir, so finde ich, gut gelungen sind. Da müssen Sie aber Dritte fragen.

zentralplus: Und was ist Ihnen nicht gelungen?

Gerne hätte ich noch das Personalgesetz neu aufgegleist. Wirklich missraten ist mir aber nichts. Manchmal brauchte es für ein Geschäft einfach zwei Anläufe im Kantonsrat, beispielsweise bei der Neugestaltung des steuerlichen Veranlagungssystems. Auch die Kulturförderung benötigt einen zweiten Anlauf. Wenn am Schluss ein gutes Resultat entsteht, lohnt sich auch die Extrameile.

zentralplus: Sie sind ja auch für die Kultur zuständig im Kanton: Was sagen Sie zum neuen Luzerner Theater? 

Schwerzmann: Ich bin über zwei Organisationen involviert: Ich habe Einsitz im Zweckverband grosse Kulturbetriebe, und als Kulturdirektor bin ich auch Mitglied der Projektierungsgesellschaft und dadurch Teil der Jury. Man will ein grosses, modernes Musiktheater, das aber im heutigen Gebäude keinen Platz hat. Das Gewinnerprojekt schafft es, möglichst viel Platz auf möglichst kleinem Raum zu erschaffen. Natürlich: Der Entwurf kann einem gefallen oder nicht. Ich finde ihn toll. Mit der laufenden kleinen Überprüfung wird das Projekt noch betrieblich und städtebaulich optimiert.

zentralplus: Was machen Sie jetzt als alt Regierungsrat?

Schwerzmann: Zuerst mache ich Ferien. Ich hoffe auf mehr Zeit zum Segeln, das ich hobbymässig mache. Ansonsten möchte ich weiterarbeiten, allerdings zeitlich stark reduziert. Ich will vor allem wieder Herr über meinen Terminkalender sein. Ich werde wohl einige Verwaltungsrats- und Stiftungsratsmandate übernehmen. Vielleicht findet sich auch ein tolles Projekt im IT-Bereich. Was genau, wird sich noch zeigen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Regierungsrat Marcel Schwerzmann
  • Medienarchiv von zentralplus
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Jeremias
    Jeremias, 06.06.2023, 12:48 Uhr

    Im Herausmobben aus einer öffentlichen Bibliothek ohne Rechtsgrundlage waren Herr Schwerzmann und seine Rechtsverdreher vom Bildungsdepartement spitze.

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  • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
    Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 06.06.2023, 03:07 Uhr

    «Arbeitsplätze sind die beste Sozialpolitik» – Ein ganz wichtiger Satz, den sich jeder Politiker und jede Politikerin hinter die Ohren schreiben sollte.

    Marcel Schwerzmann hat mit seiner Steuerstrategie im Kanton Luzern sehr viele Arbeitsplätze geschaffen. Und dies gegen starken Widerstand. Siehe nur die Kampagnen und Kundgebungen der Grünen und Jungen Grünen. Diese Leute verstehen nichts von Wirtschaftspolitik. Sondern nur von hohen Steuern und Sozialleistungen an ihre Klientel.

    Marcel Schwerzmann gebührt der ganze Dank der Bevölkerung des Kantons Luzern für seine hervorragende Arbeit als Regierungsrat.

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