Gibt es Verschärfungen?

Luzerner und Zuger Ständeräte im Kampf gegen Pressefreiheit

Die Ständeräte Andrea Gmür (von oben links im Uhrzeigersinn), Damian Müller, Matthias Michel und Peter Hegglin. (Bild: zvg)

Andrea Gmür, Damian Müller, Matthias Michel und Peter Hegglin wollen prüfen lassen, ob die Veröffentlichung illegal erhobener Daten künftig unter Strafe gestellt werden soll. Damit würde die Pressefreiheit eingeschränkt, kritisieren Journalisten.

Der Ständerat behandelt in der aktuellen Wintersession gleich zwei Vorstösse, in denen es im Kern um die Pressefreiheit in der Schweiz geht. In einer Motion wird die Berichterstattung von geheimen Schweizer Bankdaten thematisiert. Heute droht Journalisten eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren, wenn sie über solche Daten von Schweizer Banken berichten. Der Nationalrat und der Bundesrat wollten diese Regelung lockern, da sie auch international für Kritik gesorgt hatte, etwa bei einer UNO-Berichterstatterin.

Im zweiten Vorstoss, einem Postulat, geht es um illegal erworbene Daten. Der Bundesrat soll einen Bericht dazu vorlegen, wie sensible Daten vor Veröffentlichung durch private Medien besser geschützt werden können und gleichzeitig einem «legitimen öffentlichen Interesse der Aufklärung von systematischen Gesetzesverletzungen Rechnung getragen werden kann». Dabei sei zu prüfen, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden solle.

Medienrechtler und Journalisten kritisieren Absichten

Medienexperten und Journalisten machten zuvor klar, was sie von diesen für sie wichtigen Vorstössen halten. Erstgenannter Vorstoss gehöre angenommen, letzterer abgelehnt. Sonst sehe es schlecht aus für die Pressefreiheit in der Schweiz. Würde das Parlament ein Verbot wie im zweiten Vorstoss beschrieben beschliessen, «dann dürften Journalisten künftig nur noch mit Daten recherchieren, die der Datenherr freigibt», erklärte der Anwalt und Medienrechtler David Zollinger gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Bislang könnten Journalisten in den meisten Fällen straffrei über «rechtswidrig erhobene Daten» berichten, sofern ein öffentliches Interesse bestehe, schreibt die Zeitung. «Wenn es nun aber auch für die Medien ein Verbot gäbe, über solche geleakten Daten zu berichten, wäre das letztlich das Ende des Investigativjournalismus in der Schweiz. Der Journalismus wäre oft auf das reduziert, was der Staat, die Wirtschaft oder andere Akteure in der Gesellschaft offiziell bereit sind zu sagen», sagt David Zollinger dem «Tagi».

Kritik kommt auch von Branchenvertretern. Statt die Pressefreiheit zu stärken, wolle der Ständerat das Gegenteil, schreibt Dominique Strebel, Chefredaktor des «Beobachters» und Mitgründer von investigativ.ch. «Seien Sie ehrlich», schreibt Strebel direkt an den Ständerat gerichtet, «Sie misstrauen unserer Branche.»

In einem offenen Brief hatten schon Anfang Dezember Hunderte Journalisten «keinen Maulkorb für Investigativjournalismus» gefordert. Die Arbeit von Medienvertretern dürfe nicht kriminalisiert werden. Für den «Tages-Anzeiger» ist klar: Die Ideen seien gefährlich für den Journalismus. In Russland laufe ein ähnlicher Vorstoss.

Auch Luzerner und Zuger mit an Bord

Doch mittlerweile ist klar: Der Ständerat will eine härtere Gangart. Am vergangenen Mittwoch beschloss eine Mehrheit, das Postulat anzunehmen. Massgeblich verantwortlich dafür war die bürgerliche Seite. Darunter auch die Vertreter der Stände Zug und Luzern: Peter Hegglin (Mitte, Zug), Damian Müller (FDP, Luzern) und Andrea Gmür (Mitte, Luzern). Matthias Michel befand sich zum Zeitpunkt der Stimmabgabe laut eigenen Angaben in der Wandelhalle, weswegen er an der Abstimmung nicht teilnahm.

Bereits eine Woche zuvor, am 14. Dezember, beschloss eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat, die erstgenannte Motion abzulehnen. Sie will die aktuelle Gesetzgebung mit der Möglichkeit von Gefängnisstrafen also trotz UNO-Kritik nicht aufweichen. Dies, obwohl der Bundesrat wie auch der Nationalrat das Anliegen im Februar noch befürwortet hatten. Auch hier stimmten die Zuger und Luzerner Ständeräte gleich wie ihre bürgerlichen Kollegen – dieses Mal auch Matthias Michel.

«Mit Überweisung des Vorstosses wird die Pressefreiheit nicht eingeschränkt»

zentralplus hat bei den vier Politikern nach ihren Beweggründen gefragt. Der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin schreibt: «Das Parlament verlangt vom Bundesrat einen Bericht und keine Verbote oder Einschränkungen.» Erst nach Vorliegen des Berichts werde das Parlament befinden, ob Handlungsbedarf bestehe. «Mit Überweisung des Vorstosses wird die Pressefreiheit nicht eingeschränkt.»

Der Zuger FDP-Ständerat Matthias Michel schreibt: Das Postulat rechtfertige sich auch deshalb, weil der Ständerat die erstgenannte Motion abgelehnt habe. «Diese hätte sich nur auf Finanzplatzfragen bezogen, das Postulat ist ganzheitlicher.»

Gemäss Michel ist es «allen einleuchtend und auch strafrechtlich verboten, gestohlene Gegenstände weiterzuverwerten. Dasselbe muss im Grundsatz auch für sensible persönliche Daten gelten; unter dem Vorbehalt berechtigter öffentlicher Informationsinteressen». Journalisten würden sich selbst auch die Verpflichtung auferlegen, sich gegenüber Betroffenen vom Prinzip der Fairness leiten zu lassen und sich bei der Informationsbeschaffung keiner unlauteren Methoden zu bedienen. «Die Stossrichtung des Postulats ist dieselbe».

Michel: Noch kein Entscheid gefällt

Es könne zudem nicht sein, dass ein Medium von Quellen profitiere, welche auf illegale Weise Personendaten erhalten hätten und diese ans Medium weitergäben, «und damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Medien erhalten, die sich legaler Quellen bedienen», schreibt Michel weiter. Zudem gehe es um eine Abwägung der Werte des Persönlichkeitsschutzes, der Rechtsstaatlichkeit, des öffentlichen Interesses und der Medienfreiheit. «Darüber sollen eine Auslegeordnung und ein Bericht erstellt werden.» Entscheide seien damit noch nicht gefällt.

Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller hält sich kurz und verweist auf seinen Parteikollegen und FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkart, der im Rat Voten hielt. Er sei der Auffassung, dass ein Bericht die nötigen Grundlagen für eine gesetzliche Grundlage liefern könne.

Hinweis: Andrea Gmür, Luzerner Mitte-Ständerätin, antwortete am Donnerstag nicht auf die Anfrage von zentralplus. Am Freitagvormittag, nach Veröffentlichung dieses Artikels, enervierte sie sich dann allerdings auf X/Twitter.

Verwendete Quellen
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