Nach Missbrauch-Studie

Klares Zeichen an den Bischof: Luzern sperrt die Hälfte des Geldes

Am Mittwoch tagte im Kantonsratssaal die Synode, das Kirchenparlament von Luzern. (Bild: kok)

Wegen des Missbrauchsskandals in der Katholischen Kirche haben einige Luzerner Kirchgemeinden Gelder ans Bistum gesperrt. Nun hat das Kirchenparlament klar Haltung bezogen. Es hat rund eine halbe Million Franken vorläufig gesperrt.

Die Herbstsitzung des Luzerner Kirchenparlaments wird historisch: Daran bestand seit Wochen kein Zweifel. Denn im katholischen Luzern regt sich unter den Kirchgemeinden Widerstand gegen den Bischof. Viele sind nicht mehr einverstanden mit den «Lippenbekenntnissen» des Bistums Basel und fordern einen grundlegenden Systemwandel.

Hintergrund sind die Ergebnisse einer neuen Studie zu Missbräuchen in der Katholischen Kirche. Sie zeugt von 1002 Missbrauchsfällen seit 1950, wobei drei Viertel der Übergriffe an Minderjährigen geschahen (zentralplus berichtete). Die Forscherinnen sprechen von der «Spitze des Eisbergs», eine Folgestudie ist angekündigt.

Der Boykott startete in Luzern

Was kann Luzern in dieser Situation unternehmen? Darüber hat die Synode, das 100-köpfige Kirchenparlament des Kantons, am Mittwoch diskutiert. Die Frage ist nicht aus der Luft gegriffen, denn in den letzten Wochen haben einige Kirchgemeinden einen regelrechten Boykott gegen den Bischof gestartet.

In der Sitzung wurde kontrovers diskutiert. (Bild: kok)

Als Erstes verkündete die Kirchgemeinde Adligenswil, die Beiträge ans Bistum auf ein Sperrkonto einzuzahlen (zentralplus berichtete). Wenig später schlossen sich Gemeinden aus dem Raum Willisau dem Boykott an (zentralplus berichtete). Sie alle hielten fest: Die Gelder werden erst freigegeben, wenn das Bistum ihre Forderungen nach Aufklärung und Prävention erfülle.

Doch bevor der Boykott Fahrt aufnehmen konnte, schaltete sich der Synodalrat ein und sprach ein Machtwort (zentralplus berichtete). Die Regierung der Katholischen Kirche Kanton Luzern forderte ein koordiniertes Vorgehen des Kirchenparlaments. Diesen Mittwoch hat die Synode nun getagt und beschlossen, wie es weitergeht.

Selten sorgte eine Sitzung des Kirchenparlaments für so viel Aufsehen

Selten hat eine Sitzung des Kirchenparlaments für so viel Wirbel gesorgt. Unter Applaus begrüsste eine Menschenmenge die Mitglieder schon frühmorgens auf der Strasse zwischen Jesuitenkirche und Ritterschen Palast.

Eine lange Menschenschlange begrüsste die Mitglieder der Synode nach dem Morgengottesdienst in der Jesuitenkirche. (Bild: kok)

Im Gebäude, auf den Rängen des Kantonsratssaals, tummelten sich Journalistinnen aus der ganzen Schweiz. Auch der Regierungsrat Armin Hartmann schaute während der Debatte vorbei. Das für die Öffentlichkeit wichtigste Geschäft folgte gleich zu Anfang: Die Abstimmung über zwei dringliche Motionen zum Vorgehen in der Missbrauchsthematik.  

Kontroverse Debatte über zwei Motionen

Die erste Motion sah vor, eine Sonderkommission der Synode zu schaffen, die künftig dem Bischof auf die Finger schaut. Ausserdem soll der Synodalrat dem Bischof eine Reihe von Forderungen überreichen, die er zu erfüllen habe. Kommt er dieser Pflicht nicht nach oder hält sich nicht an die Fristen, der Kommission Bericht zu erstatten, kann Luzern Teile des Bistumsbeitrags einbehalten.

«Wir wollen mithelfen, unterstützen, kontrollieren, Mitverantwortung tragen.»

Urs Ebnöther, Präsident Fraktion Pilatus

Die Forderungen: Unabhängige Untersuchungen, eine externe Meldestelle für Opfer, die Verhinderung von Aktenvernichtung und die Öffnung der Akten des Nuntius, dem Vertreter des Papstes in der Schweiz. Auch das Zölibat gehöre abgeschafft.

Die Anhänger der ersten Motion betonten in der Debatte, selbst das Ruder in die Hand nehmen zu wollen. «Wir wollen mithelfen, unterstützen, kontrollieren, Mitverantwortung tragen», sagte Urs Ebnöther, Präsident Fraktion Pilatus. Fast alle Fraktionspräsidenten hatten im Vorfeld die Motion unterschrieben. Mit einer Ausnahme: Die Fraktion Entlebuch scherte aus.

Die Fraktion Entlebuch hatte andere Pläne. (Bild: kok)

Die Entlebucher hatten kurzfristig eine eigene Motion eingereicht. Darin lehnten sie die Drohung ab, Gelder ans Bistum zu blockieren. Und setzten stattdessen auf eine enge Zusammenarbeit mit der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).

Ihr Argument: Die Kirche tue bereits viel zur Verhinderung und Aufklärung von Missbrauch. «Wir vertrauen unserem Bischof, dass er weiterhin hilfreiche Massnahmen umsetzt, und unterstützen ihn dabei», sagte Peter Unternährer von der Fraktion Entlebuch. Das Gros der Synode liess sich davon nicht überzeugen.

Mit 76:12 Stimmen bei 3 Enthaltungen erklärte das Kirchenparlament die erste Motion für erheblich. Und lehnte die zweite Motion mit 44:39 Stimmen bei 8 Enthaltungen knapp ab. Am Nachmittag ging es dann um die Bistumsbeiträge für das kommende Jahr. Und um die Frage, ob die Synode dem Bistum nur drohen sollte, Geld zurückzuhalten. Oder tatsächlich Gelder sperren sollte.

Wie viel Druck auf den Bischof ist nötig?

Die Frage des Bistumsbeitrags ist heikel. Oder wie Michael Zeier-Rast von der Fraktion Luzern sagte. «Wir kommen jetzt zu des Pudels Kern.» Am Vormittag habe man entschieden, dem Bischof Forderungen zu unterbreiten. Nun kläre sich, welchen finanziellen Druck Luzern aufbaue. Dabei standen drei Anträge zur Debatte.

Der Synodalrat wollte den Bistumsbeitrag von 884’500 Franken wie gewohnt dem Bistum übergeben. Mit der Annahme der Motion gäbe es genug Druckmittel, damit die Forderungen erfüllt werden, lautete sein Argument.

Wie viel Kirchensteuer bleibt in Luzern?

Im vergangenen Jahr haben die Kirchgemeinden in Luzern 127 Millionen Franken Steuereinnahmen eingenommen. Davon wurden 9,3 Millionen Franken an die Landeskirche, 1 Million Franken ans Bistum und 1,1 Millionen an die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) abgeliefert. So gesehen bleiben 93 Prozent der Kirchensteuer in den Gemeinden.

Manuela Käch, Vizepräsidentin der Kirchgemeinde Adligenswil, schlug gemeinsam mit Gregor Erni vor, die Gesamtsumme auf ein Sperrkonto einzuzahlen, bis die Forderungen erfüllt sind. «Unser Kirchenvolk will nicht länger tatenlos zuschauen. Wenn nur noch die Sprache des Geldes hilft, ergreifen wir das Mittel.»

Zudem gab es noch einen Antrag der Fraktionen Sursee, Pilatus, Willisau, Hochdorf und Luzern. Sie schlugen vor, den halben Betrag, also 442’250 Franken, jetzt gutzuheissen und die andere Hälfte nach der Herbstsession. Also dann, wenn sich abschätzen lasse, ob der Bischof den Forderungen nachkomme. Die darauffolgende Debatte verlief turbulent.

Die Hälfte des Geldes wurde genehmigt

Während Vertreter der Fraktion Entlebuch beide Anträge als «Machtmissbrauch» bezeichneten, sagte Susanna Bertschmann von der Fraktion Luzern: «Wenn weiter so viele Menschen aus der Kirche austreten, müssen wir gar nicht mehr über Bistumsbeiträge diskutieren – wir können sie uns dann schlicht nicht mehr leisten.» Viele Luzerner haben sich in den letzten Wochen dazu entschieden, der Kirche den Rücken zu kehren (zentralplus berichtete). Es brauche jetzt endlich konsequentes Handeln, so Bertschmann.

Anders sah das der anwesende Bischofsvikar, der Stellvertreter des Bischofs in Luzern. Hanspeter Wasmer sagte: «Wir von der Bistumsleitung waren stets bemüht in der Aufklärung und Prävention von Missbräuchen. Und wir sind es immer noch.» Dabei verwies er darauf, dass das Bistum eine Anwaltskanzlei für kirchenrechtliche Voruntersuchungen und die Vergabe von Genugtuungen beauftragt habe (zentralplus berichtete).

Der Bischofsvikar Hanspeter Wasmer ist einer der zwei Stellvertreter von Bischof Felix Gmür. (Bild: zvg)

Dem Bistum vorzuwerfen, nicht gehandelt zu haben, sei unrecht. Und ihm finanziell zu drohen, gefährde Stellen beim Bistum. Auch die Jobs von «Müttern mit Kindern», sagte Wasmer. Doch die Synode konnte er mit diesen Argumenten nicht überzeugen.

Den Vorschlag mit Sperrkonto schossen die Mitglieder zwar ab. Doch die Halbierung des Bistumsbeitrags nahm die Synode mit 59:30 bei einer Enthaltung an. Das katholische Kirchenparlament des Kantons Luzern hat somit nur den halben Bistumsbeitrag gutgeheissen. Wenn der Bischof die andere Hälfte will, muss er jetzt aktiv werden und der künftigen Sonderkommission Bericht erstatten.

Verwendete Quellen
  • Medienarchiv von zentralplus
  • Besuch an der Synode-Sitzung
  • Website der Synode Luzern
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