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Könige auf dem Pausenhof und zuhause

Sind unsere Kinder nur verwöhnt oder einfach überfordert?

Haben Kinder heutzutage zu viel Mitspracherecht? (Bild: Adobe Stock)

Heutzutage ist es gang und gäbe, die Kinder bei wichtigen Familienentscheidungen teilhaben zu lassen. Doch wo endet das Mitspracherecht der Kinder? Sabrina Forrer schreibt in ihrem letzten Beitrag als Elternbloggerin vom Schulalltag – und von Kindern, die denken, ihr Anliegen sei das wichtigste von allen.

Auf die Gefahr hin, mich mit meinem für zentralplus letzten Artikel als unbequeme Tante zu outen, der veraltete Werte wie Anstand, Rücksicht und ein wenig Freundlichkeit wichtig sind: Das kontroverse Thema möchte ich dennoch adressieren.

Die Kindheit ist seit jeher im Wandel, was für die Kinder bisher durchaus von Vorteil war. Schliesslich bekommen sie den Stellenwert, der ihnen längst gebührt. In jüngster Zeit jedoch – vielleicht in der vergangenen Dekade – sind zunehmend Veränderungen spürbar, denen ich einigermassen irritiert entgegenblicke.

Null-Bock-Einstellung normal

Zunächst bemerke ich die neuen Herausforderungen im schulischen Kontext während meiner Tätigkeit als Lehrerin. Habe ich ein Lernangebot vorgestellt, kommt es dieser Tage durchaus oft vor, dass Schülerinnen sagen, sie hätten leider keine Lust. Weder auf das erste noch auf das zweite und schon gar nicht aufs dritte Angebot. Im Sportunterricht kann es sein, dass ein Erstklässler «austickt», weil wir sein Wunsch-Spiel heute nicht spielen. Schreien, schlagen, spucken, alles inklusive. In derselben Lektion sind drei andere Kinder mit dem Aufwärmspiel nicht einverstanden und machen daher schlicht nicht mit.

Auch ausserhalb der Schule finde ich mich in Situationen wieder, in denen ich sehr konträr fasziniert bin. Wenn Jan-David, der gerade einem fremden Kind die Schaufel über den Kopf gezogen hat, fürsorglich auf den Arm genommen und gewiegt wird. Und er während des Treatments liebevoll ins Ohr gesäuselt bekommt, dass er wahrscheinlich müde war und deshalb keinen anderen Weg wusste, als Gewalt anzuwenden, zum Beispiel.

Das Kind ist König

Ich denke dann jeweils, dass ich wahrscheinlich alt werde. Und dass es womöglich eine gute Idee ist, so mit Kindern umzugehen. Und wenn mir dann die Schulstunden in den Sinn kommen, halte ich es vielleicht doch nicht für eine gute Sache. Ich denke, es ist für Kinder mitunter überfordernd, so unendlich viel Platz einnehmen zu müssen. In allen Belangen. Sie müssen mitentscheiden, wohin es in den Familienurlaub geht oder ihren Senf zum Kauf eines neuen Familienautos abgeben. Und so habe ich aus einem SUV-gewohnten Kindermund tatsächlich den Satz gehört «Ich will keinen Tesla! Der ist so flachgedrückt!»

Insta-Moms parodieren dieser Tage auf Social Media die Attitüde ihrer Kinder mit Clips, die die Überschrift tragen «Gründe, weshalb mein Kind heute stinksauer auf mich ist». Der Inhalt reicht von «weil ich die Sonne nicht ausknipsen kann» hin zu «weil der Osterhase heute nicht kommt».

Ein «Grüezi» wär eins zu viel

Den Primarschulkindern einer Freundin gehen konsequenterweise weder eine Begrüssung noch eine Verabschiedung über die Lippen. Auch kein Danke für ein Geschenk oder die Waffel zum Zvieri. Aus Angst vor dem kindlichen Frust wird das gern so hingenommen.

All diese Geschichten haben eins gemeinsam: Die kindliche Frustration gilt es zu vermeiden. Und so wird indessen auch deren Toleranz im Keim erstickt. Können wir das wirklich wollen?

Vielleicht wollen wir das. Kinder, die denken, ihr Anliegen sei das wichtigste von allen. Kinder, die andere Menschen nicht zu grüssen brauchen, wenn sie dies nicht wollen. Und Kinder, die ein Dankeschön nicht nötig haben. In diesem Fall wäre aber auch eine grundlegende Anpassung von Schulstrukturen notwendig. 20 Kinder mit diesem Mindset können schlicht nicht mehr von einer Person unterrichtet werden.

Mitspracherecht der Kinder überdenken

Ich persönlich glaube wirklich nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn unser Familienreich von kleinen Königinnen und Königen regiert wird. Vorerst sollten die Eltern das Zepter übernehmen und ihre Kinder als Prinzessin und Prinz in die Ausbildung gehen. Kritische Stimmen mögen sich wundern, wo denn da die – heute zu Recht gross geschriebene – Kinderpartizipation bleibt. Nun, ich bin mir sicher, dass der Alltag auch fernab von genannten Beispielen eine Fülle von Möglichkeiten zur echten Partizipation bietet, woraus die Familien sich nach ihrem Gusto bedienen können.

Adieu, es war mir eine Ehre.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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