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Restaurant-Test

Weisses Kreuz Luzern: Italien wie in den Siebziger-Jahren

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Italienisch
  • Ambiente Rustikal
Das «Weisse Kreuz» gilt als das älteste Wirtshaus Luzerns, die Häuserzeile wurde im Jahr 1260 erbaut. (Bild: hch)

Das «Weisse Kreuz» in der Stadt Luzern serviert eine italienische Küche aus der Vergangenheit – ohne den geringsten Anspruch, auch nur irgendeinen Preis dafür gewinnen zu wollen. Und das Restaurant wird immer wieder als Favorit genannt, wenn es um die beste Pizza Luzerns geht. Wir waren zum Testbesuch.

Es ist laut. Und lebendig. Das «Ristorante Pizzeria Weisses Kreuz» in der Luzerner Altstadt serviert «Pizza, Pasta e Amore» – und zwar 365 Tage im Jahr von 11 Uhr bis 23 Uhr durchgehend. Es scheint sich ganz offensichtlich herumgesprochen zu haben, dass hier in diesen altehrwürdigen Mauern «Best Pizza in Town» (Eigenwerbung) aus dem Ofen gehoben wird. Die Tische sind bis auf den letzten Platz besetzt.

Drei Jahre, nachdem Christoph Kolumbus Amerika entdeckt hat, wurde auch das Weisse Kreuz zum ersten Mal schriftlich erwähnt: Der Eintrag im Jahre 1495 dürfte das «Weisse Kreuz» tatsächlich zum ältesten Restaurant der Stadt Luzern machen. Auch wenn man annehmen darf, dass damals noch keine Pizze serviert worden sind, ist doch der Geburtstag des belegten Teigfladens erst am 11. Juni 1889.

Am Crevetten-Cocktail sollst du beurteilt werden

Aber 134 Jahre sind genug, um das Handwerk des Pizzaiolos zu lernen. Also schreiten wir zur Degustation.

Meine Begleitung an diesem Abend insistiert auf den abgekürzten klassischen Ablauf in der italienischen Küche. Wenn es schon nicht Antipasto, Primo und Secondo sein soll, dann zumindest Vor- und danach Hauptspeise. Die Menükarte bietet restlos alles, was die klassische italienische Küche zu bieten hat: Carpaccio, Calamari fritti, Insalata frutti di mare und natürlich auch Insalata «Buffalo» Pomodori e Mozzarella, den die Schweizer Fans ja liebevoll als TomMozz verkosenamt haben.

Auch ein klassischer Cocktail di gamberetti steht auf der Karte – ein Crevetten-Cocktail. Leicht besserwisserisch behauptet der eine Begleiter, nur an einem solchen Klassiker können man messen, auf welchem Niveau sich die Küche befinde. Dem wird sofort widersprochen: Und schon ist neben dem Crevetten-Cocktail auf ein Meeresfrüchte-Salat und ein Insalata Buffalo bestellt. Mir bleibt da nur der Nüsslisalat, der natürlich an einer italienischen Sauce serviert wird. Die französische Sauce gäbe es auch zur Auswahl, aber die ist beim Italiener bekanntlich tabu (zentralplus berichtete).

Bella Figura auf den ersten Blick

Die Speisen kommen rasch an den Tisch. Trotz des vollen Restaurants scheint die Küche nur auf uns gewartet zu haben. Der Kellner, wohl ein Zwillingsbruder des Luzerner Comedians Sergio Sardella, versprüht Italianità mit lockeren Sprüchen. Die Caprese, die hier Buffalo heisst, der Meeresfrüchte-Salat und der Crevetten-Cocktail wie auch der Salat sind hübsch präsentiert und machen auf dem kleinen Tisch Bella Figura.

Allerdings macht sich eine leise Enttäuschung breit nach den ersten Bissen. Aber nur eine leise. Die Speisen sind gut gemacht. Jedoch sind die drei Vorspeisen weit weg davon, als raffiniert, ausgeklügelt oder verfeinert bezeichnet werden zu können. 

Und tatsächlich: Der Crevetten-Cocktail schmeckt exakt so wie der allererste Crevetten-Cocktail damals in den Siebzigerjahren irgendwo am Strand an der Adria. Vermutlich stammt auch noch die Idee der Dekoration aus der Zeit der Ölkrise: Eine kleine Kugel geschlagener Rahm aus dem Bläser. Beabsichtigte kulinarische Wirkung? Unbekannt.

Auch das Rezept für den Meeresfrüchte-Salat hat schon seit längerem kein Update mehr bekommen. Bei den Tomaten und dem Mozzarella sind keine Fehler zu vermelden, aber: Die versprochene Amore fehlt bei den Vorspeisen.

Pizza schlägt auch Vampire in die Flucht

Zu viel Liebe kann ja manchmal auch erdrücken. Also widmen wir uns den Hauptspeisen. Mit – zumindest für uns – neuen Witzen bringt der Kellner Scaloppine al limone, das Lachs-Carpaccio mit grünen Spargelspitzen, Ravioli con Asparagi und natürlich eine Pizza, um Best Pizza in Town auch wirklich verifizieren zu können.

Beginnen wir mit der Pizza Fiorentina mit Spinat, Zwiebeln und Knoblauch: Der perfekt im Pizzaofen gebacke Teig ist so dünn, dass ihn auch Pizzagegner – so diese denn überhaupt existieren – mögen werden. Weniger gut gefällt uns hingegen der Belag. Der Spinat ist zwar grosszügig verteilt, es gäbe ihn um diese Jahreszeit aber auch ausserhalb des Tiefkühlers. Und weshalb wurde der Knoblauch als Massenvernichtungswaffe eingesetzt? Mein Gegenüber eilt jedenfalls nur wenig übereilt auf den Zug, und ich könnte wohl auch um Mitternacht gefahrlos durch die Altstadt schlendern.

Die Ravioli? Nothing to write home about, würden die Engländer sagen, dafür mit viel zerlassener Butter. Das wichtigste ist ja sowieso der Parmesan, und der schmeckt gut. Und das Carpaccio? Dünn geschnitten. Und angenehm diskret im Geschmack.

Grösste Hoffnung sind die Scaloppine al Limone. Können sie zur Rettung eilen? 

Ja, können sie. Auch wenn sie nicht so aussehen. Die Sauce hat eine gewöhnungsbedürftige Farbe und wurde zu grosszügig bemessen. Der Risotto war geschmacklich in Ordnung, wurde aber nicht eigens aufgerührt und hätte jetzt vielleicht noch eine Spur sämiger sein können. Das Fleisch jedoch war butterzart und allerbeste Qualität. Im Zusammenspiel mit der Zitronensauce gibt es eine gute Bewertung. Der Klassiker der italienischen Küche ist gelungen.

Glücklich wirkende Gäste

Beim guten Espresso diskutieren wir, ob wir zu anspruchsvoll sind. Ob wir in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten zu sehr von Cucina della Mamma verwöhnt worden sind. Und ob die Speisen im «Weissen Kreuz» genau die richtige italienische Küche sind für all diejenigen, die Firlefanz, die Instagramability und Food Porn vollkommen unnötig finden. Denn eines muss man dem «Weissen Kreuz» lassen: Die Gäste machen alle einen glücklichen Eindruck. Insofern lässt sich sagen: Das Konzept des «Weissen Kreuz» ist voll auf die Kundinnen und Kunden ausgerichtet – Customer Centricity at it Best.

Vermutlich waren einfach nur wir die falschen Kunden für diese Küche an diesem Abend. Der Kellner nimmt's mit Humor, wie könnte es auch anders sein.

Bewertung

Preis/Leistung
*** von *****
Die Karte ist umfassend und bietet (fast) alles, was man bei einem Italiener an der Adria suchen würde. Eine saisonale Karte umfasst Frühlingsgerichte mit Bärlauch und Spargeln. Die Preise entsprechen dem Niveau in der Luzerner Altstadt, die Portionen sind durchschnittlich. Pizze kosten zwischen 19 (Margherita) und 28 Franken, Pasta 19 bis 31 Franken. Der grüne Salat ist für 11, zwei Bruschetta für 13 Franken zu haben.
Beim Wein folgten wir der Tagesempfehlung, einem Castello Colle Massari, Rosso Riserva, aus der Region Maremma (südliche Toskana) für 59 Franken. Der Bio-Wein ist weich und mit geringer Säure und wurde mit etwa 16 Grad optimal serviert.

Ambiete
*** von *****
Das 2017 zuletzt renovierte Lokal ist zweckmässig und angemessen dekoriert eingerichtet, wie in Pizzerias üblich kommt man sich recht nahe und kämpft auf dem Tisch um etwas Freiraum. Der Innenraum ist hell, beim Eingang empfängt der Pizzaiolo vor seinem Holzofen.

Service
**** von *****
Die Wartezeit war recht kurz, die Bedienung präsent und nie um einen Witz verlegen – kann man mögen oder nicht. Die Witze waren zumindest für uns neu. Chiliöl kam unverlangt an den Tisch, die Pfeffermühle borgten wir uns am Nachbartisch.

Online-Faktor
***** von *****
Stimmige Website mit alten Bildern aus Italien, einem kurzen Abriss zur Geschichte des Lokals und aussagekräftiger Bildergalerie. Speise- und Getränkekarten sowie Online-Reservationsmöglichkeit sind ebenso vorhanden wie ein Lageplan.

Auch im «Weissen Kreuz» Luzern kommt die Rechnung ganz am Ende.
Auch im «Weissen Kreuz» Luzern kommt die Rechnung ganz am Ende.

Weisses Kreuz Luzern

Adresse:
Furrengasse 19
6004 Luzern

Telefon:
041 418 82 20

E-Mail-Adresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag von 11 bis 23 Uhr.
Karte
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So isst zentralplus – Vom Gourmet bis zum Fast-Food – der eat’n drink-Blog befasst sich mit alltäglichen und besonderen gastronomischen Erlebnissen aus den Kantonen Zug und Luzern.
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