Kitas kämpfen mit Personalmangel

Tagesschule: Wo zaubert die Stadt Luzern die Betreuer her?

Haben die Stadtluzerner Primarschüler am Nachmittag Schule, sollen sie künftig automatisch fürs Zmittag in der Schule angemeldet sein. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Stellen für Lehrer werden knapp besetzt, den Kitas laufen die Betreuerinnen davon. Trotzdem will die Stadt Luzern mit einem neuen Tagesschulmodell die Betreuung ausbauen.

Statt dass Schulkinder zum Zmittag oder direkt nach dem Unterricht nach Hause gehen, bleiben immer mehr in der Schule. Vor rund zehn Jahren blieb nur jedes vierte Kind in der Schule, im letzten Jahr waren es bereits 44 Prozent – Tendenz steigend.

Die Stadt Luzern stellt ob dieser Entwicklung ein neues Tagesschulmodell vor: Haben Primarschülerinnen am Nachmittag Schule, sind sie automatisch für den Mittagstisch angemeldet. Zudem will die Stadt künftig mit kurzen und «erweiterten» Mittagen arbeiten, welche die Kinder beispielsweise für Sportkurse, Musikunterricht oder den konfessionellen Religionsunterricht nutzen können.

Eltern, die ihre Kinder mittags daheim haben wollen, müssen sie abmelden (zentralplus berichtete). Für die Zeit nach dem Unterricht können Eltern weitere Betreuungsangebote buchen. Bis 18 Uhr will die Stadt künftig eine Betreuung sicherstellen – ein kostspieliger Paradigmenwechsel: 44,5 Millionen Franken beantragt der Stadtrat dafür. Darin enthalten sind die Kosten für die benötigte Infrastruktur, den Betrieb für die ersten zehn Jahre und die Kosten für die Umstellung.

Zusätzliche Betreuerinnen

Doch um die Kinder zu betreuen, benötigt die Stadt Luzern nicht nur mehr Räume, sondern auch mehr Personal: 800 Stellenprozente für Betreuerinnen, 30 Prozent zusätzlich in der Leitung der Betreuung, 170 Stellenprozente in der Aufgaben- und Lernbegleitung sowie 120 zusätzliche Stellenprozente für Musik- und Sportlehrer sind angedacht. Doch nicht nur: Auch in der Schulleitung, im Rektorat sowie im Immobilienmanagement will die Stadt Personal aufstocken. «Der Systemwechsel braucht eine zentrale Steuerung, Aus- und Weiterbildung, Leitungspensen und Administration der zusätzlichen Nutzungen», so Schuler.

Für die effektive Betreuung und den Mittagstisch sei jedoch «insbesondere das eigens dafür angestellte sozialpädagogisch ausgebildete Personal» zuständig. So beispielsweise Betreuungsfachpersonen. Doch gerade diese werden zunehmend rar. Vor rund einem Jahr schlugen Stadtluzerner Kitas Alarm, sie müssten wegen fehlendem Personal ihre Öffnungszeiten und Betreuungsangebote reduzieren (zentralplus berichtete).

Gleiches berichtete auch Kibesuisse, der Verband Kinderbetreuung Schweiz. Wie der Verband im vergangenen Dezember zudem mitteilt, rennen den Kitas gemäss einer Umfrage ihre Angestellten davon: Fast ein Drittel der Mitarbeiterinnen verlässt innerhalb eines Jahres den Betrieb.

Private Anbieter haben eingeschränktes Angebot

Die Kitas scheinen auch 2024 noch nicht über den Berg. Wie ein Leserreporter berichtet, musste seine Wunsch-Kita in Adligenswil vor kurzem die schulergänzende Betreuung streichen, da schlicht das Personal fehle. Andere Kitas bieten zwar Angebote für Schulkinder an, jedoch sehr eingeschränkt: Die Zahlen von Stadtluzerner Angeboten schwanken zwischen etwa 5 und 30.

Auf Anfrage schreibt etwa der Co-Geschäftsleiter der Kita-Kette «Small Foot», Fabian Haindl, dass sie jährlich Anfragen für schulergänzende Betreuungsplätze erhielten und nicht immer allen Platz bieten könnten. «Vor allem in Stadtteilen in Luzern, in denen die Hortstrukturen sehr voll sind oder in Gemeinden, die keine umfassende Tagesbetreuung bieten, haben wir mehr Anfragen.» Sie stellten jedoch fest, dass sich die Gemeinden in den letzten Jahren bemühten, Betreuungsstrukturen auszubauen.

Stadt Luzern nimmts gelassen

Vor dem Hintergrund der angespannten Lage bei den Betreuern: Wie will die Stadt Luzern das notwendige Personal auftreiben? Zumal der Schweizer Lehrerverband in einem Positionspapier 2021 deutlich machte, dass Lehrpersonen nicht zu Betreuungsaufgaben verpflichtet werden dürften.

Rektor David Schuler beruhigt: «Es ist nicht vorgesehen, dass Lehrpersonen für Betreuungsaufgaben verpflichtet werden.» Fügt jedoch an, dass für interessierte Lehrer die Möglichkeit bestünde, ihre Arbeit und ihr Pensum in der Betreuung zu erweitern. Anders als die Kitas habe die Stadt Luzern jedoch bisher «wenig Fachkräftemangel» in der Betreuung. «Die Anstellung ist für sozialpädagogisches Personal interessant.»

Fischen Schulen den Kitas die Betreuerinnen weg?

Gleiches bemerkt auch der Verband Kibesuisse gegenüber dem Sozial-Branchenportal «Sozialinfo»: Da Schulen mehr Geld als Kitas zur Verfügung hätten, wechselten Betreuungsfachpersonen die Seiten. Doch Rektor Schuler bestreitet, dass die Stadt Luzern mit dem Betreuungsausbau private Anbieter konkurrenziere. «Es ist kein Konkurrenzangebot, sondern eine Weiterentwicklung der bisherigen, additiven Tagesschule zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»

Auch Fabian Haindl von «Small Foot» sagt dazu: «Grundsätzlich begrüssen wir jede Entwicklung, die es Familien ermöglicht, Beruf, Ausbildung und Familie besser vereinbaren zu können.» Es sei sinnvoll, dass die Kinder kurze Wege hätten und die Betreuung in der Nähe der Schule stattfinde. Damit Schulkinder gut begleitet würden, müssten Schulen und Betreuung eng zusammenarbeiten, was bei «schulinternen» Angeboten eher möglich sei. Aus ihrer Sicht sei jedoch wichtig, dass Betreuung auch während den Schulferien angeboten werde und dass der Übergang zur Tagesschule gerade bei jüngeren Schülerinnen gut begleitet werde.

Ob das Tagesschulmodell überhaupt kommt und ob es noch Änderungen dazu gibt, wird sich frühestens bei der Sitzung des Grossen Stadtrats am 29. Februar zeigen. Voraussichtlich Anfang Juni dürfen dann die Stadtluzerner an der Urne darüber entscheiden.

Verwendete Quellen
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