Rebbaufläche seit 2003 verdoppelt

Luzerner Wein: Grössere Mengen mit besserer Qualität

Winzer Toni Ottiger im neuen Rebberg von Kriens am Sonnenberg. Dort wachsen nicht nur Reben, sondern auch viele Blumen wie die blaue Phazelia. (Bild: ben)

Der Zentralschweizer Weinbau boomt. Jährlich wächst die Anbaufläche um rund zehn Prozent. Ab 2017 sollen jährlich bis zu 15’000 Flaschen Bio-Wein aus Kriens dazu kommen. Die Qualität sei in den letzten Jahren bereits deutlich besser geworden, weiss Winzer Toni Ottiger. Beim Luzerner Rotwein sieht Weinkenner René Gabriel aber noch Potential.

Die Wümmet hat begonnen. Die Winzer aus unserer Region sagen nicht nur mengenmässig, sondern auch qualitativ eine hervorragende Ernte 2013 voraus. Toni Ottiger ist einer der bekanntesten Winzer der Zentralschweiz. Normalerweise ist er jetzt auf seinem Weingut Rosenau in Kastanienbaum anzutreffen. Wir treffen ihn aber am Krienser Sonnenberg, im neuen Rebberg. Diesen hat die Gemeinde Kriens an die 2009 gegründete Rebbaugenossenschaft Kriens verpachtet. Toni Ottiger ist quasi der «Götti» und beaufsichtigt den Rebberg als Fachmann. Er wird es auch sein, der die ersten Krienser Biotrauben dereinst in seinem Betrieb zu Wein veredelt.

Der Rebberg verdeutlicht den wachsenden Erfolg des Weinbaus in der Zentralschweiz: Er ist die grösste neu angebaute Rebbaufläche der letzten Jahre. Zudem hat Kriens durch den gefunden Kompromiss nach einem längeren Rechtsstreit einen mustergültigen Bio-Rebberg mit ökologischen Ausgleichsflächen mitten im Siedlungsgebiet erhalten.

Bio-Reben mitten im Siedlungsgebiet

Der rund 1,7 Hektaren grosse Rebberg steht noch ganz am Anfang. Im Frühling haben Mitglieder der Rebbaugenossenschaft Sonnenberg 6500 Reben gepflanzt. Etwa die Hälfte davon sind Rebstöcke der weissen Traubensorte Johanniter, die andere Hälfte die rote Traubensorte Cabernet-Jura. «Wir haben für Biowein diese Traubensorten gewählt, weil sie mehltau-tolerant sind», erklärt Ottiger. Es seien Kreuzungen von Reben amerikanischen und europäischen Ursprungs. Der Winzer: «Diese sind nicht nur robust, sondern geben auch einen sehr guten Wein».

Weinkritiker: «Man darf keine Boliden erwarten»

René Gabriel* zieht für zentral+ ein durchzogenes Fazit der Zentralschweizer Tropfen: «Ein Blick in die Weinkarten der regionalen Spitzengastronomie zeigt auf, das auch diese die Innerschweizer Weine entdeckt haben. Das spricht für die Akzeptanz dieser Winzer. Das Rezept ist einfach. Von diesen Produzenten erwartet man keine Boliden, sondern in erster Linie sehr gute Essenbegleiter oder auch einen spritzigen Aperitiv», so Gabriel.
Aus seiner Sicht wurde in den letzten Jahren genau in diese Richtung gearbeitet. «Man hat im Rotweinbereich eingesehen, dass die Pinot Noirs eher schlank, filigran, dafür sortentypisch und fruchtig daher kommen müssen und ein Vergleich mit den burgundischen Vorbildern nicht ganz ausreicht. So versucht man es zunehmend mit Assemblagen oder diversesten Rebsorten. Da sucht man noch ein bisschen. Doch wie heisst es so schön: Der Weg ist das Ziel.»

*Der Schweizer Weinkritiker René Gabriel war von 1990 bis 2005 Chefeinkäufer der Mövenpick-Weinhandelsgruppe. Seitdem hat er sich als Autor und Weinhändler selbständig gemacht. Er schreibt regelmässig für den Online-Newsletter von www.WeinWisser.com und hat einen Blog.

Die Reben sind mittlerweile rund einen Meter hoch. Toni Ottiger schaut sich die Pflanzen genauer an. Er bindet eine Rebe, die nicht richtig aufgebunden ist, wieder ordentlich fest. Ausserdem bemerkt er, dass einige Reben bräunlich verfärbte Blätter haben. «Das nennt man Wiesenbrand, das wächst später wieder hinaus.»

Die Rebstöcke werden von Hand gejätet. Auf den Böschungen der Terrassenbepflanzung wachsen auch viele andere Pflanzen, ganz im Sinne der Biodiversität. Ottiger: «Es hat sich bereits eine grosse Vielfalt an Blumen und Insekten entwickelt.» Zwischen den Reben spriesst zum Beispiel Buchweizen, Boretsch, Mohn, Spitzwegerich und Phazelia. Im Untergrund tummeln sich Schädlinge wie die Spinnmilben. Diese werden wiederum von «Nützlingen» wie Marienkäfern oder Raubmilben gefressen.

Geht es nach Plan, findet die erste Weinlese im Herbst 2016 statt. Der erste Bio-Wein aus Kriens, desen Name noch nicht feststeht, wird voraussichtlich im Sommer 2017 verkauft werden. Man schätzt die Menge auf 12’000 bis 15’000 Flaschen.

Rebbaufläche in zehn Jahren verdoppelt

Der Rebberg in Kriens ist nicht das einzige innovative Projekt in der Zentralschweiz. «Pro Jahr wächst die Rebbaufäche durch neue Bewilligungen um rund zehn Prozent», erklärt Rebbaukommissär Beat Felder. Die Anbaufläche habe sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. «Die Luzerner Weine erleben zurzeit einen Boom. Die Nachfrage steigt dank immer besser werdenden Tropfen stetig an.»

Als Gründe für diesen Boom gibt Felder neben dem Klimawandel die Innovationskraft der Winzer an, aber auch deren fachliche Unterstützung durch die Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) des Kantons Luzern. «Luzern hat ausserdem bereits 2005, weit vor Zürich und Graubünden, eine Verordnung über die kontrollierte Ursprungsbezeichnung AOC Luzern geschaffen», sagt Felder. Mit dem AOC sind strengere Qualitätskontrollen eingeführt worden.

Mutige Winzer pflanzten neue Rebsorten

Zum Thema «Klimawandel»: Die höheren Temperaturen der letzten Jahre erlaubten die Anpflanzung von späteren Rebsorten. Toni Ottiger findet, dass die Klimaerwärmung überbewertet wird. «Die gestiegenen Temperaturen kommen uns aber sicher entgegen.» Doch dahinter stecke auch jede Menge Arbeit, Erfahrung und Leidenschaft der Winzer.

Die Entwicklung hin zu besseren Weinen habe bereits vor 20 Jahren eingesetzt. Möglich wurde dies durch den Anbau von nobleren Sorten. Diese ergänzten die Hauptsorten Pinot Noir und Riesling-Silvaner. Heute sind es über 30 Sorten. «Wir haben damit eine Weinvielfalt entwickelt, welche ihresgleichen sucht», sagt Toni Ottiger.

Voraussetzung dafür war die erfolgte Liberalisierung der Rebsorten durch den Kanton. «Vor zehn Jahren hätte ich zum Beispiel nie Merlot anbauen dürfen», erklärt der Winzer.

Die neue Entwicklung der Sortenvielfalt habe nebst sortenreinen Weinen auch einige Assemblagen (Cuvées) hervorgebracht, welche sich sehen lassen könnten. «Nicht nur die Ausweitung der Flächen und Sorten wurden vorangetrieben, auch die Weinqualität wurde verbessert.»

Bedürfnis nach nachhaltigem Wein gestiegen

Ein neues Bedürfnis ist die Nachfrage nach ökologisch hergestellten Produkten. Toni Ottiger: «Heute sind einige Weingüter nach der Bio-Knospe geführt oder andere bewirtschaften nach den Richtlinien der Integrierten Produktion Vitiswiss.»

Trotzdem bleibt der im Kanton Luzern produzierte Wein ein Nischenprodukt. Der Rebbaukommissär Beat Felder schätzt den Anteil des Direktverkaufs auf rund 50 Prozent, den Rest sicherten sich die Restaurants und der Detailhandel. «In der Touristenmetropole Luzern gibt es eine grosse Nachfrage nach einheimischem Wein, wir rennen bei den Restaurants offene Türen ein», sagt auch Robin Haug, Geschäftsführer des Branchenverbands Deutschschweizer Weine.

Weinbau: 90 Prozent im Kanton Luzern

Alle fünf Zentralschweizer Kantone zusammen haben eine Rebfläche von rund 50 Hektaren, wovon 45 auf Luzern entfallen. Im vergangenen Jahr wurden 304 Tonnen Trauben geerntet (274 t in Luzern). Den 300’000 Flaschen Wein, die daraus gewonnen worden, stehen 270 Millionen Liter Wein aus aller Welt gegenüber, welche die Schweizer jedes Jahr konsumieren. Das Motto der Zentralschweizer Winzer lautet deshalb nicht umsonst «klein und fein».
Im Kanton Luzern gibt es 30 Erwerbswinzer (und viele Hobbywinzer), die selber keltern oder keltern lassen. Speziell ist die grosse Rebenvielfalt von 35 Sorten. Die vier Luzerner Anbaugebiete sind das Seetal (18 Hektaren), der Vierwaldstättersee (14 ha), das Wiggertal (6 ha) und als jüngstes und kleinstes Rebbaugebiet der Sempachersee/Surental (5 ha).
Zu den bekanntesten Weingütern zählen Schloss Heidegg, Bisang in Dagmersellen, Ottiger in Kastanienbaum sowie die Weinmanufaktur Brunner in Hitzkirch. Daneben gibt es laut Peter Krummenacher, Präsident des Zentralschweizer Weinbauvereins, jede Menge kleine Weinbaubetriebe mit einer bis zwei Hektaren Reben, die nur einige hundert Flaschen pro Jahr produzieren.
Hauptsorten sind Blauburgunder mit 28 Prozent und Riesling-Silvaner mit 21 Prozent, dazu kommen sechs Prozent Solaris und je fünf Prozent Garanoir, Pinot Gris, Sauvignon Blanc und Zweigelt. Daraus entsteht eine Palette von über 200 verschiedenen Produkten, fruchtbetonte Weine von leichter harmonischer bis zu extraktreicher Struktur.
Mit Ausnahme der extraktreichen Rotweine sollten sie frisch und jung getrunken werden, sind also keine Lagerweine. «Alte Jahrgänge von Zentralschweizer Weinen sind selten», sagt Peter Krummenacher. (ben)

 

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