Russische E-Commerce-Firma in Luzern

Konkurrent von Google mischt den Markt auf

Chef Bernard Lukey (hinten) mit seinen Mitarbeitenden Nikita Yampolski und Nodira Sadykova im Yandex-Büro Luzern. (Bild: ben.)

Von Luzern aus verkauft Yandex, die grösste Suchmaschine Russlands, Online-Werbung an europäische Kunden. Der Westschweizer Bernard Lukey leitet das kleine Verkaufsbüro, in dem Russischkenntnisse Pflicht sind und wo man ungeniert an die Wände schreiben darf. Ein Besuch bei Yandex.

«Unser Hauptsitz in Moskau ist sehr stolz, ein Büro in Luzern zu haben», sagt Bernard Lukey. Und die Luzerner Hoteliers freuten sich ebenso über die Kundschaft, die er ihnen manchmal bringe. Yandex ist eingemietet im «Citybay Business Center», einer Büroetage mit gemeinsamem Empfang im Gebäude der Hochschule an der Werftestrasse 4. Der Sitz der «Yandex Europe AG» ist überschaubar: zwei Büros. Im einen sitzt der Chef, wenn er nicht gerade auf Reisen ist und Kunden besucht. Das andere Büro teilen sich zwei Mitarbeitende.
Die Standortwahl fiel laut Lukey auf die Zentralschweizer Metropole, weil Zürich bei den Mieten und den Löhnen teurer und Luzern nicht zuletzt auch steuerlich attraktiv sei. «Wir sind zwar noch kein wichtiger Steuerzahler, könnten es aber noch werden», fügt er hinzu.

Spezielle Arbeitszeiten wegen Zeitunterschied

Lukey wirkt dynamisch, redet schnell, und er ist augenscheinlich gerade ein wenig müde. «Das ist wegen des Zeitunterschieds zwischen Russland und der Schweiz», sagt er. Dieser beträgt drei Stunden. Wenn die Kollegen in Moskau zu arbeiten beginnen und mit Luzern etwas besprechen wollen, ist es also erst 5 oder 6 Uhr morgens in der Schweiz. Man gewöhne sich schnell daran, lacht er.

Zur Firma Yandex

Yandex ist der führende Provider Russlands und nach eigenen Angaben eine der grössten Internetfirmen Europas. Ausserdem ist der Provider nach der Anzahl der Suchabfragen weltweit Nummer 6, nach Google, Baidu, Yahoo, Alibaba und Microsoft.

Die Reise-Website TripAdvisor hat kürzlich beschlossen, die Onlinekarten von «Yandex Maps» zu verwenden. Und zwar für Russland, Weissrussland, Ukraine, Kasachstan und die Türkei. Bisher verwendete TripAdvisor die Russland- und Türkeikarten von Google Maps. Yandex Maps seien detailreicher, aktueller und hätten eine umfassende Abdeckung, erklärte ein Yandex-Sprecher.

Der Markt des grössten Landes der Erde gilt als attraktiv: Russlands 61 Millionen User sind nach Deutschland die grösste Internet-Gemeinde Europas. Der Online-Werbemarkt wächst seit 2008 rasant. 53 Prozent der russischen Online-Werbung läuft über Yandex. 2012 erzielte die NASAQ-börsenkotierte Firma einen Umsatz von 947 Millionen Dollar (+44%).

Die expandierende Firma hat 17 Büros weltweit. Der Hauptsitz in Moskau beschäftigt rund 3500 Personen. Ähnlich wie bei Google sind die Arbeitsplätze modern und unkonventionell eingerichtet. Die Luzerner Delegation, die kürzlich die russische Hauptstadt besuchte, besichtigte Yandex und erhielt eine Führung – durch den Schweizer Bernard Lukey.

Der Romand aus Montreux, der zumeist Englisch, aber auch, weniger gern, Deutsch spricht, leitet den Europasitz des russischen Internet-Riesen. «Yandex suchte jemand, der eine Zweigstelle in der Schweiz aufbaut und die Werbekunden betreut», erklärt Lukey. Früher hätten Firmen, die Online-Werbung in Russland schalten müssen, dort anrufen und Geld nach Russland schicken müssen, was mit «gewissen Komplikationen» verbunden sei. «Heute läuft das Geschäft über die Schweizer Firma, und man schliesst einen Vertrag nach hiesigem Recht ab und nicht nach dem komplizierten russischen Recht», erklärt der Schweizer Yandex-Chef.

Yandex wächst rasant und ist mittlerweile die sechstwichtigste Suchmaschine weltweit mit 21 Millionen Besuchern täglich (siehe Box). Dennoch buchten die meisten Firmen zuerst bei Google, wenn sie Yandex noch nicht kennen, erklärt Lukey.

Russland ist neben China, Tschechien und Südkorea eines der wenigen Länder, wo Google nicht marktbeherrschend ist und es starke nationale Provider gibt. Yandex spricht Firmen und Private an, die den russischen Markt bewerben wollen. Lukey: «Wir kratzen noch an der Oberfläche des Marktes, legen aber zu.»

Internet-Werbung wächst

Das Startup-Unternehmen hat bereits rund 500 Kunden, viele kleine Firmen, aber auch grosse Player. Werbung auf Yandex buchen primär Unternehmen der Tourismusbranche, Fluggesellschaften, Kliniken, oder die Luxusgüterbranche mit Uhren und Autos.

«Business to Business»-Werbung ist ebenfalls ein wichtiger Geschäftszweig. «Wenn eine russische Firma zum Beispiel eine Pumpe in Europa gekauft hat, gibt sie bei uns den Namen des Produkts ein und kommt auf eine Werbung des europäischen Herstellers.» Beliebt ist Search Engine Marketing (SEM); das sind die Werbungen ganz oben in der Suchresultateliste. Mancher Kunde investierte nur 100 Franken, andere buchten grosse Kampagnen, erklärt der Yandex-Chef.

Ein Romand, der in Russland lebte

Werbekampagnen organisieren, die Kundenbetreuung und die Fakturierung sind Aufgaben des Teams in Luzern. Bernard Lukey kommt dabei zupass, dass er beide Kulturkreise kennt, den westlichen wie den östlichen. «Ich hatte eine russische Grossmutter, die in der Zeit der russischen Revolution von Odessa nach Berlin auswanderte», erklärt er. Später flüchtete die Familie vor den Bomben des Zweiten Weltkriegs über Wien in die Schweiz, wo Lukey 1969 in Blonay geboren wurde. Kennen gelernt hat er die Grossmutter nicht, aber die Sprache und die Kultur Russlands haben ihn immer fasziniert. Der studierte Politikwissenschaftler lernte früh Russisch und hat 13 Jahre im Land von Tolstoi gelebt.

Bei Nestlé begonnen

Lukey arbeitete von 1996 bis 2002 für Nestlé Russland und lernte Yandex in dieser Zeit bereits kennen. Später kam der Manager mit seiner schwedischen Frau zurück in die Schweiz, die Kinder verbrachten ihre ersten Lebensjahr in der Heimat und er war in dieser Zeit für Nescafé tätig.

2005 ging es erneut nach Russland, wo Lukey mithalf, den grössten russischen Online-Commerce-Shop «Ozon.ru» aufzubauen, der sich rasch zum russischen Pendant von Amazon entwickelte. Der Grund für den Boom lag in den speziellen Bedingungen des russischen Markts: Die Post gilt als sehr langsam und die Russen zahlen nicht gerne mit Kreditkarten; der Online-Shop baute deshalb ein eigenes Vertriebssystem auf und die Kunden zahlen bei Erhalt der Ware (Cash delivery).

Der Erfolg blieb nicht aus. Das russische Magazin «Kommersant» nahm Bernard Lukey 2010 als einzigen Ausländer in die Liste der 100 einflussreichsten Patrons Russlands auf. 2012 kam das Angebot von Yandex. Heute lebt Lukey wieder in der Schweiz. «Meine Familie wollte wieder zurück, weil es schwierig war, geeignete Schulen für unsere Kinder zu finden», sagt er.

2012 wurde das Büro in Luzern eröffnet, im selben Jahr ein technisches Entwicklungsbüro von Yandex in Zürich. Die Mitarbeiter in Luzern fungieren als Schnittstelle zwischen den Kunden und der Technik in Moskau. «Bedingung war bei der Anstellung der ersten Mitarbeiter, dass man die russische Sprache beherrscht, denn wir müssen viel mit unserem Hauptsitz kommunizieren», erklärt der Yandex-Chef. Seine Mitarbeiter stammen aus der Ukraine und Russland. Lukey will aber in Zukunft auch Einheimische anstellen. Die Firma bemüht sich auch sonst um Integration. Yandex unterstützt zum Beispiel mit einem Sponsoringbeitrag «Zaubersee», das russische Musikfestival 2014.

Corporate Design in allen Yandex-Büros

An der Wand des Chefbüros, wo auch der Konferenztisch steht, prangt mit grossen Lettern der Firmenname Yandex. In lateinischer, nicht etwa in kyrillischer Schrift. Nur einige Utensilien wie ein kyrillischer Kalender, einige Babuschkas und ein Diplom auf Russisch an einer Wand erinnern an den internationalen Charakter des Unternehmens.

Auffallend sind die farbigen Möbel, eine gelbe Wand und die sternförmigen Wanduhren. «Alle Yandex-Büros auf der Welt sind hell und freundlich gestaltet», erklärt Lukey. Man solle sich wohl fühlen bei Yandex, Ideen generieren und verbreiten. Für die Kommunikation stehen an jedem Arbeitsplatz mehrere Telefonapparate, ein normaler und einer für die IP-Telefonie, um über vier Nummern mit den Yandex-Mitarbeitern weltweit zu kommunizieren.

Ausserdem gibt es wie bei allen Internet-Firmen einige Besonderheiten: «Bei uns darf man ungeniert mit Filzstiften an alle Wände schreiben», erklärt Bernard Lukey. Mit einem Spezialschwamm geht das Ganze wieder weg wie von Zauberhand. So spart man Papier – und erstaunt die Besucher.

Klischees über Russland

Bernard Lukey kennt natürlich alle Klischees über die Russen. «Russland hat immer noch ein Reputationsproblem. Ausgeblendet wird dabei, dass das Land technologisch eine Spitzenposition einnimmt», sagt er. Und der Markt ist riesig. Wie sind die Menschen aus dem Osten? «Der Russe», sagt Lukey, «ist nicht oberflächlich». Am Anfang wirkten die Russen distanziert und kalt. «Aber wenn man ihr Vertrauen gewonnen hat, hat man einen russischen Freund fürs ganze Leben. Zudem sind sie halt nicht immer so perfekt organisiert und improvisieren viel in letzter Minute.»

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