Kanton Luzern weist Asylsuchende Gemeinden zu

Frist sorgt für Frust

Das Asylzentrum «Sonnenhof» in Emmenbrücke. (Bild: cha)

Der Kanton Luzern nimmt die Gemeinden bei der Unterbringung von Asylsuchenden in die Pflicht. 67 Gemeinden bleibt ein Zeitraum von zehn Wochen, um ihr «Soll» zu erfüllen. Vor Ablauf der Frist zeigt sich: Viele Gemeinden können der Forderung des Kantons nicht nachkommen. Daneben werden auch Methodik und Kommunikation des Kantons harsch kritisiert.

Der achte Paragraf in der Asylverordnung macht’s möglich: Wenn der Kanton selbst nicht mehr in der Lage ist, genügend Plätze zu schaffen, kann er den Gemeinden Asylsuchende zuweisen. So geschehen Anfang September dieses Jahres. Allen Luzerner Gemeinden werden insgesamt 1’533 Asylsuchende zugewiesen.

67 der 83 Gemeinden erhielten einen Zuweisungsentscheid. Betroffen sind Gemeinden, die gemäss kantonalem Verteilschlüssel ihr Aufnahme-Soll nicht oder nur ungenügend erfüllen. Dieser schreibt vor, dass pro 1’000 Einwohner vier Asylsuchende aufgenommen werden müssen.

Eigentlich eine machbare Aufgabe, glaubt man den Aussagen des Regierungsrates Guido Graf: «Für einige Gemeinden liegt die Lösung eigentlich auf der Hand. Viele können ihre Zivilschutzanlagen für den Betrieb von temporären Asyl-Notzentren zur Verfügung stellen.»

Frist wird nun verlängert

Doch vor Ablauf der zehnwöchigen Frist zeigt sich ein anderes Bild. Viele Gemeinden bekunden Mühe, dem Verteilschlüssel gerecht zu werden. Weil bis Ende Jahr noch etliche Wohnplätze geschaffen werden müssen, verlängert der Kanton Luzern nun diese Frist.

Regierungsrat Guido Graf erklärt in einer Mitteilung von Montagmorgen: «Ich bin mir bewusst, dass die Wohnraumsuche aufgrund des Wohnungsmarktes in einigen Gemeinden nicht einfach ist. Darum wird die Frist jetzt verlängert.» So wird das Gesundheits- und Sozialdepartement Ende Jahr Bilanz ziehen und den Verteilschlüssel neu berechnen.

Wikon lässt kein gutes Haar am Kanton

«Irritiert» über das Vorgehen ist die Gemeinde Wikon. Gemeinderätin Michaela Tschuor erklärt: «Wir wurden, wie alle anderen Gemeinden auch, darüber informiert, dass der Kanton vor allem Unterkünfte für Familien sucht.»

Zwei Liegenschaften seien anschliessend in Frage gekommen, um die sechs Asylsuchenden unterzubringen. «Der Kanton hat nach sehr langer Wartezeit beide Gebäude mit dem Kommentar abgelehnt, dass man nun doch keine Familienunterkünfte suche.» Somit hat Wikon noch keinen Platz zur Verfügung stellen können, obwohl Liegenschaften in Aussicht gewesen wären. Tschuor kritisiert: «Der Wikoner Gemeinderat ist sehr irritiert über dieses Vorgehen. Insbesondere über die Art und Weise der Kommunikation des Kantons.»

Nach anfänglicher Zuversicht sei der Gemeinderat heute der Ansicht, dass das Ziel wohl kaum erreicht werden könne. Michaela Tschuor nennt mehrere Gründe: «Die Gemeinde hat keine Liegenschaften, die frei sind. Zudem wurden die angebotenen Liegenschaften ohne ausreichende und nachvollziehbare Begründung seitens des Kantons abgelehnt.» Besonders die Kommunikation mit dem Kanton habe die Gemeinde als äusserst mangelhaft erlebt. «Ansprechpersonen waren nicht erreichbar und die mangelhaften Entscheide kamen erst nach mehrmaligem Nachfragen.»

Ebikon unter Zeitdruck

Unter Druck ist die Gemeinde Ebikon. 49 Unterkunftsplätze muss die Agglo-Gemeinde zur Verfügung stellen – lediglich zwei sind momentan besetzt. «Bisher haben wir noch keine zusätzlichen Plätze zur Verfügung stellen können», erklärt der Ebikoner Gemeindepräsident Daniel Gasser. Die Abklärungen seien am Laufen. «Wir suchen aktiv Liegenschaften, die sich eignen. Wir führen Gespräche mit Liegenschaftsbesitzern. Der Kanton und die Caritas müssen schliesslich evaluieren, welche Liegenschaften in Frage kommen», so Gasser. Obwohl die Zeit drängt, ist der Gemeindepräsident optimistisch: «Ich gehe davon aus, dass wir das Ziel erreichen können.»

Schötz: Erreichen des Solls sei unrealistisch

Mühe hat die Gemeinde Schötz, die 16 Plätze zur Verfügung stellen muss. Gemeindepräsidentin Ruth Iseli-Buob erklärt: «In der Gemeinde leben zurzeit zwölf Flüchtlinge. Da deren Status kurzfristig auf «vorläufig Aufgenommene» geändert wurde, müssen wir bis Ende Jahr 16 Flüchtlinge aufnehmen.»

Vom Entscheid ausgenommen

16 Gemeinden trifft der Zuweisungsentscheid nicht. Diese erfüllen nämlich ihren Aufnahme-Soll an Asylsuchenden. Ausnahme bilden die Gemeinden Malters und Kriens. Obwohl diese das Soll nicht erfüllen, betrifft sie der Entscheid nicht. Ruedi Fahrni, Asyl- und Flüchtlingskoordinator des Kantons, erklärt: «Malters hat sich schon in vergangenen Jahren immer für die Aufnahme von Asylsuchenden stark gemacht.» Kriens sei entlastet, weil dessen Regierung ihre Bereitschaft zum Bau eines Erstaufnahme-Zentrums für Asylsuchende südlich des Grosshofs signalisiert hat.

Dies stellt die Gemeinde jedoch vor Probleme. «Schötz verfügt über keine Wohnhäuser. Auch der Leerwohnungsbestand ist in der Gemeinde äusserst gering und öffentliche Einrichtungen stehen keine zur Verfügung.» Zwar sei die Bevölkerung schriftlich um Mithilfe gebeten worden – bisher erfolglos. «Die Gemeinde ist bemüht. Es ist aber unrealistisch, dass wir diese 16 Plätze in den nächsten ein bis zwei Wochen schaffen können», schätzt Iseli-Buob.

Rothenburg sucht noch Platz für 18 Personen

«Gemäss des Verteilschlüssels muss die Gemeinde Rothenburg 29 Asylsuchende aufnehmen», erklärt Gemeindeschreiberin Jasmin Schwarz. «Aus Mangel an freien öffentlichen Unterkünften haben wir einen Aufruf an die Bevölkerung gestartet.» Derzeit hielten sich elf Asylsuchende in der Gemeinde Rothenburg auf. «Wir sind gefordert, Plätze für 18 weitere Personen zu finden. Das erweist sich jedoch als schwierig», so Schwarz.

Weggis stolpert Richtung Ziel

Das Ziel ebenfalls noch nicht erreicht hat die Gemeinde Weggis. 17 Asylsuchende müssen aufgenommen werden – deren fünf wohnen bereits dort. «Ein paar wenige Mietangebote konnten an die Caritas, die für die Unterbringung beauftragt ist, vermittelt werden», sagt Gemeinderätin Beatrix Küttel. Zwölf weitere Asylsuchende müssen jedoch noch untergebracht werden. «Die Gemeinde ist noch immer auf der Suche und ist dankbar für weitere Angebote», so Küttel.

Eschenbach: Überhöhte Mietzinsen bereiten Mühe

Dass das vorgeschriebene Ziel erreicht wird, «davon gehen wir zurzeit nicht aus», sagt Anton Christen, Gemeindeschreiber von Eschenbach. «Momentan sind in Eschenbach acht Plätze für Asylsuchende bereitgestellt.» Die Vorgabe für Eschenbach liegt bei 14 Plätzen, weshalb innerhalb der Frist noch sechs Plätze gefunden werden müssen. Diverse Abklärungen und der Kontakt mit Liegenschaftsbesitzern habe bisher noch keinen Erfolg gebracht. «Besonders Mühe bereitet uns die Situation, wenn Wohnungen zu überhöhten Mietzinsen angeboten werden, was schliesslich zu Abklärungen aber keinem Abschluss führt», so Christen.

Gettnau auf gutem Weg

In einer angenehmeren Position ist die Gemeinde Gettnau, die etwas mehr als tausend Einwohner hat. Die vier zu organisierenden Plätze für Asylsuchende wurden bereits Ende September gefunden. «Die Gemeinde hat einen Aufruf publiziert und mit verschiedenen Wohnungsvermietern Kontakt aufgenommen», sagt der Gettnauer Gemeindeschreiber Hans Christen. Bis Ende Jahr soll die Wohnung für die vier Asylsuchenden zur Verfügung stehen.

Grossdietwil hat Soll schon erfüllt

Auch Grossdietwil war bisher erfolgreich. «Wir mussten Platz für drei Personen suchen und konnten schnell einen Vermieter finden, der eine Viereinhalbzimmerwohnung zur Verfügung stellt», erklärt Gemeinderätin Sibylle Wyss. Es sei Zufall gewesen, dass eine Wohnung gefunden werden konnte. Denn: «In Grossdietwil hat es derzeit keine leere Wohnungen» so Wyss. Es wäre zum Problem geworden, die Asylsuchenden unterzubringen, auch wenn es nur drei sind.

Ist dieses System effizient?

Für die Wikoner Gemeinderätin Michaela Tschuor stelle sich schliesslich die Frage, ob das vom Kanton gewählte System der Suche nach Asylunterkünften effizient ist. Tschuor präzisiert: «Die Gemeinde muss die Plätze bereitstellen, diese jedoch unter Umständen bei privaten Eigentümern suchen. Die Caritas eruiert danach die Liegenschaft», wobei der private Eigentümer anschliessend Informationen – wenn auch sehr spärlich – erhalte. «Die Gemeinde wird dann informiert, ob das ‹Soll› erfüllt wurde oder eben nicht», so Michaela Tschuor.

«Wünschenswert wäre eine bessere Kommunikation.» Es könne nur ein realistisches Ziel sein, wenn alle Beteiligten im Sinne einer professionellen Projektplanung rechtzeitig und auf kurzen Informationswegen die Indikatoren kennen und bearbeiten könnten, so Tschuor und resümiert: «Meilensteine können nur gesetzt und erreicht werden, wenn man die Eckdaten und Ressourcen kennt.»

Und eine Entspannung im Asylwesen ist nicht in Sicht. Das Bundesamt für Migration rechnet für das kommende Jahr mit 27’000 bis 31’000 neu ankommenden Asylsuchenden. «Wir brauchen auch im Jahr 2015 weiter jeden Monat 80 bis 100 neue Wohnplätze», erklärt der kantonale Asylkoordinator Ruedi Fahrni. Somit sind die Gemeinden auch im nächsten Jahr gefordert.

GemeindeBruttosollIst per 31.7.14Ist per 6.11.14NettosollKommentar
Adligenswil211k.A.*-20 
Aesch40k.A.-4 
Altbüron400-4Wohnung soll im Frühling bereit stehen.
Altwis20k.A.-2 
Ballwil100k.A.-10 
Beromünster2416k.A.-8 
Buchrain247k.A.-17 
Büron902-7Sehen es als unrealistisch, Soll erfüllen zu können.
Buttisholz138k.A.-5 
Dagmersellen200k.A.-20 
Dierikon60k.A.-6 
Doppelschwand300-3 
Ebersecken20k.A.-2 
Ebikon4920-49Gehen davon aus, Vorgabe zu erreichen.
Egolzwil5061 
Eich70k.A.-7 
Entlebuch1366-713 Caritas-Wohnungen. Sobald eine frei wird, werden mehr Asylsuchende untergebracht.
Ermensee30k.A.-3 
Eschenbach1408-6 
Ettiswil105k.A.-5 
Gettnau400-4Wohnung eruiert. Bis Ende Jahr wird Soll erreicht.
Geuensee105k.A.-5 
Gisikon40k.A.-4 
Greppen40k.A.-4 
Grossdietwil3030 
Grosswangen126k.A.-6 
Hergiswil702-5 
Hildisrieden80k.A.-8 
Hitzkirch201313-7 
Hochdorf362420-16Kloster Baldegg stellt 15 – 25 Plätze zur Verfügung. Soll wird erreicht.
Honau20k.A.-2 
Horw541240-2 
Inwil1000-10 
Knutwil80k.A.-8 
Luthern50k.A.-5 
Luzern312213 229 -83 
Mauensee50k.A.-5 
Meggen2711-26Zuversichtlich, im Januar die nötigen Plätze bereit zu haben.
Nebikon1000-10Sehen es als unrealistisch, Soll erfüllen zu können.
Neuenkirch250k.A.-25 
Nottwil1469-5Gehen davon aus, Vorgabe zu erreichen.
Oberkirch151k.A.-14 
Pfaffnau96k.A.-3 
Rain100k.A.-10 
Reiden2717k.A.-10 
Roggliswil30k.A.-3 
Römerswil70k.A.-7 
Romoos3030Soll erreicht.
Root187k.A.-11 
Rothenburg29111-18Schwierigkeiten, da Mangel an freien Unterkünften.
Schenkon110k.A.-11 
Schlierbach30k.A.-3 
Schongau40k.A.-4 
Schötz1600-16Sehen es als unrealistisch, Soll erfüllen zu können.
Schwarzenberg72k.A.-5 
Sursee361212-246 weitere könnten im alten ZOFJ-Zentrum untergebracht werden.
Triengen1813k.A.-5 
Udligenswil92k.A.-7 
Ufhusen30k.A.-3 
Vitznau500-5 
Weggis1755-12 
Wikon600-6Sehen es als unrealistisch, Soll erfüllen zu können.
Willisau304k.A.-26 
Wolhusen1688-8Sehen es als unrealistisch, Soll erfüllen zu können.
Zell855-3 
Total1136437483-653

 

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