Über 300 Millionen Franken aus OECD-Mindeststeuer

Ein wahrer Geldregen wartet auf den Kanton Zug

Die Mindeststeuer spült laut der eidgenössischen Finanzkontrolle 2,5 Milliarden Franken in die Schweizer Kassen. (Bild: Symbolbild Adobe Stocks)

Schon bald könnten wegen der OECD-Steuerreform über 300 Millionen zusätzlich in die Zuger Staatskasse sprudeln. Finanzdirektor Tännler will den betroffenen Firmen Kompensationen zukommen lassen. Auf linker Seite weckt dieser Plan mit den zusätzlichen Steuereinnahmen jedoch Widerstand.

Diesen Mittwoch steht in Bundesbern ein Geschäft auf der Traktandenliste, welches im Kanton Zug ganz speziell interessiert. Gemäss Sessionsprogramm wird der Ständerat nämlich am 28. September über die Umsetzung der OECD-Steuerreform debattieren. Schon bald – voraussichtlich ab dem 1. Januar 2024 – sollen die grossen multinationalen Konzerne zu mindestens 15 Prozent besteuert werden. Betroffen von der neuen Regelung sind nur Konzerne mit einem jährlichen Umsatz von über 750 Millionen Euro.

Der OECD-Mindeststeuersatz hat in verschiedenen Kantonen eine Erhöhung des Steuersatzes der Unternehmensgewinnsteuern zur Folge. So auch in Zug. Das eidgenössische Finanzdepartement schätzt, dass die Reform gesamtschweizerisch Mehreinnahmen zwischen 1 und 2,5 Milliarden Franken zur Folge haben wird.

Die SP Schweiz hat auf eigene Kosten ebenfalls zu ermitteln versucht, wie viel zusätzliches Geld der Fiskus durch diese Reform einnehmen wird. Um dies herauszufinden, hat sie extern eine Studie in Auftrag gegeben. Diese Studie wurde von der BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG Basel verfasst. Gesamtschweizerisch rechnet diese Studie mit Mehrerträgen von rund 1,6 Milliarden Franken. Die Schätzung der SP-Studie bewegt sich demnach ungefähr in der Mitte der vom EFD genannten Minimal- und Maximalzahlen.

Der Kanton Zug als einsamer Spitzenreiter

Was auffällt: Die erwarteten Mehreinnahmen sind sehr unterschiedlich zwischen den Kantonen verteilt. Auf den Kanton Zug dürften gemäss der SP-Studie jährlich rund 322,7 Millionen Franken brutto entfallen. Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler bezeichnet  diese externe Schätzung als «einigermassen plausibel». Und fügt an: «Nicht berücksichtigt ist dabei, ob und in welchem Ausmass die OECD-Mindeststeuer dazu führt, dass Unternehmen abwandern und ob sich im Kanton Zug die Zahl der Neuansiedlungen reduziert.»

Mit 322,7 Millionen Franken würde der Kanton Zug gemäss der SP-Studie hinter Basel-Stadt am meisten zusätzliches Steuergeld generieren. Zum Vergleich: Im Falle des Kantons Jura würde die Reform gemäss dieser Studie überhaupt keine Mehrerträge bewirken.

Fast noch interessanter ist der Pro-Kopf-Vergleich: Der Kanton Zug liegt hier ganz deutlich an der Spitze. Pro Kopf der Bevölkerung betragen die Mehrerträge gemäss der SP-Studie im Kanton Zug rund 2500 Franken pro Jahr. Basel-Stadt liegt mit 1700 Franken an zweiter Stelle. Extrem gross ist der Vorsprung auf den auf Platz drei angeführten Kanton Aargau (363 Franken). Der zu erwartende Pro-Kopf-Mehrertrag beträgt für den Kanton Aargau 300 Franken. Für den Kanton Luzern rechnet die Studie mit 174 Franken je Einwohner.

«Sozialisierung» der Gewinne

Dass dieses viele Zusatzgeld nicht einfach so tel quel im Kanton Zug verbleiben soll oder kann, scheint in Zug den wohl meisten politischen Akteuren klar zu sein. Bereits im Februar berichtete die NZZ, dass der Zuger Finanzdirektor Tännler in einem Brief an die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren vorgeschlagen hatte, dass jene Kantone, die wegen der OECD-Reform Zusatzsteuern einnehmen, einen Teil dieser Gelder «sozialisieren» sollten – dies durch Einlage in einen nationalen Fonds. Dass der Absender dieses Briefes der Kanton Zug war, bezeichnete die NZZ damals als besonders überraschend.

Auf Anfrage erklärt der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler, der Bund solle mit diesen Geldern die nationale Standortattraktivität fördern, beispielsweise im Bereich der universitären Forschung und Bildung. «Durch die Standortförderung wird der Fachkräftemangel gemildert und es profitieren auch Kantone, die selbst keine Mehrerträge aus der Zusatzsteuer generieren.» Der Kanton Zug stehe nach wie vor dazu, dass dem Bund 25 Prozent der Einnahmen überlassen werden sollten, um auf nationaler Ebene die entstehenden Wettbewerbsnachteile zu kompensieren.

Beschwörung der Abwanderungsgefahr

«Den Rest brauchen die Standortkantone, um vor Ort die Wettbewerbsnachteile auszugleichen.» Die Mehreinnahmen seien kein «Gratisgeld». Sollten die betroffenen Unternehmen die Schweiz verlassen, würden aus den theoretischen Mehreinnahmen schnell einmal konkrete Verluste. «Ganz wesentlich ist es, dass wir den entstehenden Standortnachteil möglichst weitgehend durch Vorteile für die betroffenen Unternehmen kompensieren, ansonsten ist die Abwanderungsgefahr sehr real.»

Dezidiert anderer Meinung ist der ALG-Kantonsrat Luzian Franzini: «In den letzten Jahrzehnten dominierte die Mär, dass alleine die Steuern entscheidend seien.» Wissenschaftlich habe sich dies nie belegen lassen, «weiche Faktoren» seien in den letzten Jahren immer wichtiger geworden.

Unterstützung der Grosskonzerne «durch die Hintertüre»

«Mittlerweile geben auch Bürgerliche zu, dass die effektive Steuerlast nur ein Faktor unter vielen ist, wenn es um die Attraktivität eines Standorts geht. Auch Heinz Tännler rechnet nicht ernsthaft damit, dass Firmen aufgrund der Mindeststeuer wegziehen werden. Dies hat er gerade kürzlich an einem Gespräch mit Wirtschaftsvertretern bestätigt.» Es stelle sich zudem die Frage, weshalb sich die Schweiz auf internationaler Ebene überhaupt gegen die OECD-Reform gewehrt hatte.

«Die Mindeststeuer spült laut der eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) 2,5 Milliarden Franken in die Schweizer Kassen. Wenn der Kanton Zug das entsprechende Geld behalten könnte, dann würde dies für den Kanton Mehreinnahmen von mehreren Hundert Millionen Franken bedeuten.»

Für die Zuger Bevölkerung würde dieses Geld aber kaum Mehrwert bringen, da die politischen Mehrheiten für Investitionen und damit für eine Rückverteilung an die Bevölkerung fehlten. «Der Plan gewisser Finanzdirektoren ist es vielmehr, dieses Geld durch die Hintertür wieder den Grosskonzernen zukommen zu lassen. So soll mittels Subventionen die effektive Steuerlast wieder unter 15 Prozent gedrückt werden,» sagt Franzini.

Höhe der Pro-Kopf-Beträge (ohne Umverteilung):

Aargau363*
Appenzell A.Rh.35
Appenzell I.Rh.30
Basel-Landschaft17
Basel-Stadt1'841
Bern42
Freiburg77
Genf0
Glarus6
Graubünden36
Jura0
Luzern174
Neuenburg282
Nidwalden262
Obwalden244
Schaffhausen144
Schwyz120
Solothurn23
St. Gallen49
Tessin38
Thurgau86
Uri81
Waadt80
Wallis12
Zug2'506
Zürich160
Quelle: (BSS Basel, Studie im Auftrag der SP Schweiz).

*Diskussionen im Anschluss der Studie haben gezeigt, dass die geschätzten Mehreinnahmen im Kanton Aargau vermutlich tiefer ausfallen.

Hinweis: Ein weitere Beitrag zum Thema erscheint heute im Verlauf des Tages.

Verwendete Quellen
  • Studie BSS, Volkswirtschaftliche Beratung AG, Basel
  • Artikel in der NZZ vom 22.2.22: «Zug will Mehreinnahmen verteilen»
  • Austausch mit BSS Basel, Heinz Tännler und Luzian Franzini

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