Zweisprachige Matura an der Kantonsschule Zug

Will die Kanti Kinder von Expats anlocken?

(Bild: tog)

Die Kantonsschule bietet seit einigen Jahren die zweisprachige Matura an. Etwa ein Drittel der Lektionen werden dabei auf Englisch gehalten. Ist das ein Konkurrenzangebot zu den International Schools in Zug? Und wer nutzt dieses Angebot? Vermehrt auch Kinder von Expats, sagt der zuständige Lehrer. Wer kein Deutsch spricht, hat aber keine Chance.

Vor dem Unterricht sprechen die Schülerinnen und Schüler noch Mundart miteinander. Es kommen leise Zweifel auf, ob die folgende Geschichtslektion die Schüler nicht überfordern wird. Denn die Stunde wird nicht wie üblich in Deutsch, sondern in Englisch abgehalten. Sie ist Teil der zweisprachigen Matura an der Kantonsschule Zug.

Als Lehrer Lorenz Gerber die Lektion startet, wird aber rasch klar: Die Schüler der vierten Maturaklasse sind keineswegs überfordert. Im Gegenteil: Wie sie mit Gerber in Englisch über die Industrialisierung sprechen, erstaunt. Sie weisen bereits ein beachtliches Niveau auf. Für den Lehrer ist das allerdings wenig überraschend: Es handle sich bei den 13 Schülern dieser Klasse um leistungsstarke Schüler. Seit vergangenem Sommer besuchen sie den immersiven Unterricht. Immersiv bedeutet: Etwa ein Drittel der Lektionen werden in Englisch abgehalten (siehe Box).

Vorbereitung auf die Uni

Dass Gerber von «leistungsstarken Schülern» spricht, hat einen bestimmten Grund: Die zweisprachige Matura ist nicht für alle geeignet. Die interessierten Schüler brauchen einen guten Notenschnitt. Bei der provisorischen Aufnahme eine 5, bei der definitiven Aufnahme eine 4,9.

Wird dadurch einfach eine Elite gefördert? Aus Gerbers Sicht ist der Notenschnitt wichtig, weil die meisten Schüler den Anforderungen sonst nicht genügen würden. «Diese Qualifikationskriterien haben dazu geführt, dass es kaum Aussteiger gibt, die den zweisprachigen Lehrgang frühzeitig verlassen.»

«Es gibt nicht viel mehr Aufwand. Den Stoff müssen wir ja sowieso lernen.»

Olivier Schneider, Absolvent der zweisprachigen Matura in Zug

Der 45-jährige Geschichtslehrer ist an der Kantonsschule Zug für das Angebot verantwortlich und hat es mit aufgebaut. Er gewinnt der zweisprachigen Matura nur Positives ab: «Das macht die Schule attraktiver, gibt ihr ein internationales Flair.» Zudem erhöhe es die beruflichen Chancen der Schüler beziehungsweise bringe ihnen Vorteile an der Uni. Gerade in naturwissenschaftlichen Bereichen werde heute an Unis erwartet, dass Studenten problemlos englische Literatur lesen oder Vorlesungen besuchen könnten, sagt Gerber.

Bio und Mathe in Englisch ist gewöhnungsbedürftig

Die beiden 15-jährigen Schüler Mari Perrig und Olivier Schneider berichten nur Gutes über die zweisprachige Matura. «Der englischsprachige Unterricht ist interessant», sagt Schneider. Aus seiner Sicht bedeutet es nicht viel mehr Aufwand als bei der herkömmlichen Matura. «Den Stoff müssen wir ja sowieso lernen», sagt er gelassen. Er wolle möglichst früh Englisch lernen respektive es rasch verbessern. Schliesslich sei es die Weltsprache.

Mari Perrig lebte mit ihrer Familie neun Jahre in London. Jetzt redet sie zwar nur noch mit der Schwester Englisch, ihr ist aber anzuhören, dass sie bereits ein sehr gutes, akzentfreies Englisch spricht. Sie habe die Sprache nach dem Umzug in die Schweiz weiter nutzen wollen und denke, dass es für die berufliche Zukunft wichtig sei, erklärt Perrig ihre Beweggründe für die zweisprachige Matura.

Im englischsprachigen Unterricht werde alles gut erklärt, man könne bei den Lehrpersonen zudem jederzeit nachfragen, wenn man etwas nicht verstehe. In Bio und Mathe sei der Unterricht in Englisch allerdings gewöhnungsbedürftig, gibt sie zu. Schneider ergänzt: «Wir sind hier, um zu lernen. Fehler sind erlaubt.» Er habe bisher nur gute Erfahrungen mit den englischen Lektionen gemacht.

Wer kein Deutsch kann, schafft’s kaum

Zweisprachige Matura ist eidgenössisch anerkannt

Die Möglichkeit der zweisprachigen Matura gibt es an diversen Kantonsschulen in der Schweiz. Die Kantonsschule Zug bietet den Immersionsunterricht, wie die zweisprachige Matura genannt wird, seit 2007 an.
In Englisch unterrichtet werden die Grundlagenfächer Geschichte, Mathematik, Biologie, Wirtschaft & Recht sowie Medienunterricht. Zudem wird die Maturaarbeit in Englisch verfasst und präsentiert. Gemäss Lorenz Gerber, an der Kanti Zug Fachverantwortlicher Immersion, dauert der Unterricht in Englisch drei Jahre. Insgesamt werden etwa 820 Lektionen immersiv unterrichtet.
Die zweisprachige Matura ist eidgenössisch anerkannt und wird entsprechend im Maturazeugnis eingetragen.

Das Angebot stosse in letzter Zeit auf immer mehr Interesse, erklärt Gerber. Er habe in der Klasse Schüler mit schwedischem, russischem oder ägyptischem Hintergrund. «Es kann sein, dass Kinder von Expats wegen der Möglichkeit zur zweisprachigen Matura vermehrt die Kantonsschule besuchen und nicht mehr nur auf Privatschulen ausweichen.»

Er verneint jedoch, das Angebot sei eine Konkurrenz zu den International Schools in Zug. Die Qualität der staatlichen Schulen sei in Zug generell ein Standortfaktor. «Insbesondere deshalb, weil die Matura aus der Sicht von Expats einen unproblematischen Zugang zu Schweizer Universitäten erlaubt.»

Gerber stellt zudem klar: «Wer nur Englisch spricht, kann die Matura bei uns kaum absolvieren. Denn immerhin werden zwei Drittel der Fächer auf Deutsch unterrichtet.» Wer dort nicht mitkommt, wird die Matura deshalb nicht schaffen. «Es handelt sich also nicht um ein Expats-Programm.»

Man kann es auch als Begabtenförderung sehen

Wichtig sei auch, dass sich die Schüler ihrer Aufgabe bewusst seien. Denn der Aufwand ist gemäss Gerber schon etwas grösser als sonst – vor allem was die Maturaarbeit betrifft. Diese verfassen die Schüler auf Englisch. Da die Maturanden den immersiven Unterricht freiwillig wählen, besteht aber kaum das Problem, auf unmotivierte Schüler zu treffen. «Sie wissen, was auf sie zukommt und sind interessiert an der Sprache.»

Die Kantonsschule habe bei Abgängern der zweisprachigen Matura eine Umfrage durchgeführt, weshalb sie das Angebot gewählt haben. «Es wurde die Lust an Fremdsprachen erwähnt, die nebenbei gelernt werden könnten. Auch wurde der Wunsch nach zusätzlicher Förderung genannt.» Die zweisprachige Matura könne denn auch als Begabtenförderung betrachtet werden, sagt Gerber.

Es braucht dafür auch fähige Lehrkräfte

Um die zweisprachige Matura anbieten zu können, braucht es auch entsprechendes Personal. «Denn man darf nicht vergessen: Wir müssen den herkömmlichen Lehrplan eins zu eins umsetzen», sagt der Geschichtslehrer. Die Lektionen müssen auf dem gleichen Niveau stattfinden wie auch sonst im Maturitätsunterricht.

Bei der Auswahl der Fächer für die zweisprachige Matura müsse deshalb geschaut werden, ob es die nötigen Lehrpersonen gebe. Die Lehrer müssen also nebst den üblichen fachlichen Kenntnissen auch zusätzliche Englischkenntnisse mitbringen. Weiter gebe es auch entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten in Immersionsdidaktik.

Andere Kantonsschulen in der Schweiz bieten die zweisprachige Matura auch in Französisch an. Daran sei in Zug ebenfalls schon gedacht worden. «Es ist aber eine Frage der Ressourcen», so Gerber. Denn es braucht wie erwähnt Lehrpersonen, die ihr Fach einwandfrei in Französisch lehren können. Zudem sei die Hemmschwelle bei den Jungen in der Schweiz wohl etwas höher, Französisch zu lernen als Englisch. «Aber manche Maturanden haben schon bedauert, dass wir dieses Angebot in Französisch nicht haben.»

Irgendwann wird Englisch zum Alltag

Die Geschichtsstunde ist zu Ende. Die Maturanden haben also nicht nur etwas über die Zeit der Industrialisierung gelernt, sondern auch ihre Englischkenntnisse verbessert. «Sie machen grosse Fortschritte», sagt der Lehrer. Nach einer gewissen Zeit in der zweisprachigen Matura stelle er manchmal fest, dass die Schüler auch vor der Lektion oder in Pausen miteinander Englisch reden. Die Jugendlichen machen damit einen wichtigen Schritt hin zur heutzutage immer gefragteren Internationalität.

Was denken Sie? Nutzen Sie die Kommentar-Funktion und schreiben Sie jetzt Ihre Meinung!

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon