Gesundheitswesen

In Luzern braucht es mehr Hausärzte

Hausarzt Josef Wey (50) praktiziert in Sursee. (Bild: buf)

Josef Wey ist Präsident der Luzerner Hausärzte. Er setzt sich vehement und mit viel Herzblut für seine Berufsgruppe ein. Im Interview mit zentral+ nimmt der 50-Jährige Stellung zur Hausarzt-Initiative und sagt, wo die Stolpersteine liegen.

Die Hausarztmedizin verliert zusehends an Verbreitung, Einfluss und Gewicht. Davon ist der Berufsverband Hausärzte Schweiz überzeugt. Er hat deshalb die Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» lanciert und diese im April 2010 mit über 200’000 Unterschriften in der Bundeskanzlei eingereicht. Verlangt wird eine gezielte Förderung der Berufsgruppe.

In der Zwischenzeit haben National- und der Ständerat das Volksbegehren beraten; beide Räte empfehlen dem Stimmvolk, die Initiative abzulehnen und setzen auf einen direkten Gegenvorschlag. Doch wie dieser genau auszugestalten sei, darin ist man sich noch nicht einig.

In diesem Kontext führen die Hausärzte derzeit die Diskussion, ob sie ihre Initiative zurückziehen wollen. Noch ist darüber kein Entscheid gefallen. So oder so: Für Josef Wey – der 50-Jährige ist Präsident der Vereinigung Luzerner Hausärzte und führt eine Praxis in Sursee – ist klar: Soll der Hausarzt auch in Zukunft die Verantwortung für eine gute ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung übernehmen, dann müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden.

zentral+: Die Hausärzte wollen eine Aufwertung ihres Berufes und beklagen den Mangel an Ärzten und Ärztinnen. Wie steht es mit diesen Zahlen im Kanton Luzern?

Josef Wey: Von den aktuell 270 Hausärzten und Hausärztinnen im Kanton Luzern sind 76 im Alter zwischen 60 und 65 Jahren, Stand 2012. Diese Hausärzte und Hausärztinnen gehen also in den nächsten fünf Jahren in Pension. Und der Nachwuchs reicht bei weitem nicht, um diese Praxen wieder zu besetzen. Zudem besteht ein hoher Frauenanteil mit reduzierten Pensen, was den Bedarf von der Zahl her noch steigert.

zentral+: Vor vier Jahren ist die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» mit über 200’000 Unterschriften eingereicht worden. Mit ihr soll die Stellung der Hausärzte verbessert werden. Die Initiative war die Antwort des Verbandes Hausärzte Schweiz auf Tarifkürzungen durch Bundesrat Pascal Couchepin. Es gibt einen Gegenvorschlag des Parlaments und einen Masterplan von Bundesrat Alain Berset, der wichtige Forderungen der Initiative aufnimmt. Spielt die Politik da auf Zeitgewinn, oder was steckt hinter den Verzögerungen?

Wey: Die Verhandlungen mit allen Beteiligten brauchen Zeit und dauern an, aber sie laufen im Sinn der Hausärzte. Wir sind dankbar um den Masterplan, wo nach Lösungen gesucht wird.

zentral+: Welches sind die Pferdefüsse, welche National- und Ständeräte hindern, dem Volksbegehren den Weg zur Abstimmung oder zum Rückzug zu ebnen?

Wey: Das ist ganz klar die Finanzierung im Bereich des Tarifs und der Laboranalysenliste. 

zentral+: Im Begleittext zur Initiative gibt es konkrete Forderungen. Zum Beispiel die Vertretung der Hausärzte in gesundheitspolitisch relevanten Kommissionen, die Schaffung von universitären Instituten für die Hausarztmedizin, einen eigenen Tarif für Hausärzte. Können diese Anliegen durchgesetzt werden?

Wey: Die Vertretung in den Kommissionen und die Schaffung der universitären Institute sind umgesetzt. Es gibt jetzt solche an den Universitäten von Bern, Basel und Zürich. Ab 2018 sollen mehr Medizinstudenten ausgebildet werden; es wird 300 neue Studienplätze geben.

zentral+: Von den 300 wird sich eine Mehrheit aus Prestigegründen zum Spezialarzt ausbilden lassen, wie Erfahrungen zeigen. Die Hausärzte sind da wieder benachteiligt.

Wey: Das Blatt beginnt sich zu wenden. Es gibt verschiedene Massnahmen, welche die Hausarztmedizin aufwertet; zum Beispiel über die Förderung der Praxisassistenz. Junge Ärzte oder Ärztinnen können nach dem Staatsexamen bis zu einem Jahr ihrer fünfjährigen Weiterbildung als Assistenzarzt in Hausarztpraxen verbringen. Bis vor fünf Jahren war diese Assistentenzeit ausschliesslich in den Spitälern möglich. Da findet erstmals ein wertvoller Austausch von Erfahrung und Wissen zwischen Hausarzt und Assistenzarzt statt. Und es ist offensichtlich: Die Praxisassistenten schätzen die Nähe zum Patienten.

zentral+: Welche Forderungen müssten erfüllt sein, damit das Initiativkomitee, bestehend aus Mitgliedern von Hausärzte Schweiz, die Initiative zurückziehen würde?

Wey: Es geht um die wirtschaftliche Besserstellung der Hausärzte. Mit dem vorgeschlagenen, eigenen Kapitel 40 im Tarifsystem könnten gezielt die Hausärzte besser gestellt werden. Die finanzielle Situation ist mit ein Grund, warum junge Ärzte oft die Spezialisierung vorziehen. Die Änderung des Tarifsystems zugunsten der Hausärzte wird jedoch von den Spitaldirektionen stark bekämpft.

zentral+: Warum?

Wey: Das Kapitel 40 ist ausschliesslich den Hausärzten in den Praxen vorbehalten. Die ambulant tätigen Ärzte in den Spitälern, welche nur marginal hausärztliche Tätigkeiten durchführen, würden nicht von dieser Besserstellung profitieren, was auch richtig ist.

zentral+: Wie viel Zusatzeinkommen würde dieses Kapitel 40 den Hausärzten bringen? Und entspricht dies in etwa dem Einkommensverlust bei der seinerzeitigen Einführung des Tarmed?

Wey: Der Tarmed wurde ursprünglich aufgrund der Zahlen von 1995 berechnet. Das Zusatzeinkommen würde einerseits die Teuerung in den letzten 20 Jahren berücksichtigen, die gekürzten Notfalldienstpauschalen und die Leistungen beim Besuch. Schliesslich würde damit auch die Medikamentenmarge aufgewertet und eine zusätzliche Angleichung an die Löhne der Spezialärzte hergestellt. Wie viel der einzelne Hausarzt im Detail bekommen wird, ist so in Zahlen nicht zu benennen. Die Gesamtsumme pro Jahr wird von den Hausärzten auf 350 Millionen Franken angesetzt, Bundesrat Alain Berset will aber nur 200 Millionen mit Auflagen bewilligen.

zentral+: Das heisst also, der Rückzug der Initiative erfolgt nur, wenn das Tarifsystem geändert wird?

Wey: Da ist sich das Initiativkomitee noch unschlüssig. Mit den Verhandlungen im Rahmen des Masterplanes haben wir schon einiges erreicht. Wenn die Initiative zur Abstimmung gelangen sollte, würde die konkrete Ausgestaltung wieder von vorne beginnen und vermutlich einige Jahre dauern, bis es zu griffigen Lösungen käme. Das dient den Zielen der Hausärzte gar nicht.

zentral+: Das Dilemma ist offensichtlich.

Wey: Es ist in erster Line schade um den Beruf des Hausarztes und um die bisher sehr gute ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Der Hausarzt leistet eine enorm vielseitige, effiziente und kostengünstige Arbeit. Um diese auch in Zukunft anbieten zu können, müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden.

zentral+: Wie sieht jetzt der Fahrplan für den Entscheid um die Hausarztinitiative aus?

Wey: Das Initiativkomitee will Ende September entscheiden, ob die Initiative zurückgezogen werden soll. Dann sind auch die Haltungen aus der Sommersession der National- und Ständeräte bekannt.

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