Der Zuger Abstimmungskampf ist eröffnet

Zuger Stadttunnel: Der vielleicht letzte Akt hat begonnen

Das Nadelöhr Zug ist von der 24. Etage des Park Towers gut sichtbar. Rechts der See, links der «Berg». (Bild: wia)

Am 3. März stimmt die Zuger Bevölkerung über die Umfahrung Zug ab. Es handelt sich um einen relativ überschaubaren Stadttunnel, der – gemäss Stadtrat – grosse Erleichterung bringen wird. Die Kritiker sehen das jedoch ganz anders.

Park Tower, 24. Etage: Es ist kein Zufall, dass der Zuger Gesamtstadtrat diesen Standort für die Medienkonferenz zur «Umfahrung Zug» gewählt hat. Blickt man von hier aus auf die Stadt, wird rasch sichtbar, wo zumindest eines der grossen Probleme betreffend Verkehr liegt. Zug, insbesondere die Altstadt, liegt eingepfercht zwischen einem grauen Zugerberg und einem grauen See. Viel Platz für neue Verkehrswege ist hier nicht.

«20’000 Fahrzeuge fahren täglich die Strecke zwischen Casino und Metalli. Zum Vergleich: Im Gotthard-Tunnel verkehren täglich 17’000 Autos», gibt Stadtpräsident André Wicki zu bedenken. «In der schönen Stadt Zug sind wir in einem Nadelöhr. Das führt leider dazu, dass wir zu wenig Platz für den öffentlichen Verkehr, für Velos und Fussgänger haben.»

Stadtrat sieht die nachhaltige Lösung im Umfahrungstunnel

Die Lösung auf dieses bei weitem nicht neue Problem liege in der «Umfahrung Zug», ist sich der Stadtrat einig. Über diese stimmt die kantonale Bevölkerung am 3. März ab.

Nennen wir das Kind beim Namen: Die «Umfahrung Zug» ist nichts anderes als ein Stadttunnel. Das neue Wording dürfte auch mit dem bis heute nachhallenden Trauma der 2015 glorios gescheiterten Abstimmung zusammenhängen (zentralplus berichtete).

Mit dem neuen Stadttunnel sollen Autofahrerinnen die Stadt Zug künftig zwischen Gubelloch und Frauensteinmatt elegant um- oder eher unterschiffen können. Damit werde das akute Verkehrsproblem auf Generationen hinaus gelöst, die Lebensqualität im Zentrum könne nachhaltig gesteigert werden. Dessen sind sich jedenfalls die Exekutivmitglieder sicher. Sie sind überzeugt, dass sich der Verkehr mit der Umfahrung um 75 Prozent verringert.

Heute befinden sich Kanton und Stadt Zug in einer finanziell ganz anderen Situation wie noch 2015. Die Abstimmung vor acht Jahren kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt (zentralplus berichtete). Um die Kantonsfinanzen stand es schlecht, Sparpaket folgte auf Sparpaket und benachteiligte mitunter auch die sozial Schwachen. Die Mehrheit sah nicht ein, warum man da 890 Millionen Franken in ein vierarmiges Tunnelsystem mit unterirdischem Kreisel investieren sollte. Und das erst noch mit Geld, das der Kanton nicht hatte. Die Motorfahrzeugsteuer hätte langfristig um 50 Prozent angehoben werden müssen.

«Nur» 150 Millionen Franken günstiger als das Mega-Projekt 2015

Der nun geplante Tunnel ist, mit seinen knapp zwei Kilometern sowie nur einem Ein- und einem Ausgang, deutlich weniger komplex als das Mega-Projekt von 2015. Sonderlich günstiger ist es dennoch nicht. Die Umfahrung Zug schlägt mit 747 Millionen Franken zu Buche, also mit «nur» 150 Millionen weniger als der Stadttunnel damals.

Wie kommts? Dazu erklärt Eliane Birchmeier, die städtische Bauchefin: «Der Preis für Bauprojekte hat sich in den letzten Jahren stark erhöht. Der damalige Tunnel wäre mit den heutigen Preisen deutlich teurer. Das macht den grössten Unterschied. Dazu kommen neue Brandschutzvorschriften und ähnliches.»

Das Gubelloch. Hier soll dereinst das Nordportal des Stadttunnels zu stehen kommen. (Bild: wia)

Für die Stadt ist der Tunnel ein Schnäppchen

Dass der Stadtrat derart begeistert ist vom Projekt, liegt zum einen natürlich an der Verkehrsentlastung in der Innenstadt sowie der Chance, die Vorstadt entlang des Sees in Richtung Altstadt vom Verkehr zu befreien. Das Ziel sei unter anderem, mehr Grünräume zu schaffen sowie den Seezugang bei der Katastrophenbucht neu zu gestalten. Damit dürfte sich die Aufenthaltsqualität für Fussgänger und Velofahrerinnen massiv steigern.

«Wir erhalten nun eine Entlastung der Innenstadt, ohne selbst einen Rappen investieren zu müssen.»

Urs Raschle, Zuger Finanzchef

Es gibt jedoch auch einen anderen Grund, warum der Stadtrat Feuer und Flamme ist für das Projekt. Während die Stadt beim 890-Millionen-Projekt von 2015 selbst 100 Millionen Franken hätte hinblättern müssen, «erhalten wir nun eine Entlastung der Innenstadt, ohne selbst einen Rappen investieren zu müssen», sagt Finanzchef Urs Raschle. «Das ist einmalig», findet er.

«Vergleichbar mit einer schweren, aus fünf Akten bestehenden Wagner-Oper», bezeichnet der Stadtpräsident André Wicki die Historie rund um einen möglichen Zuger Stadttunnel, die sich bereits 1985 politisch zu entspinnen begann. Nur: Opern haben längst nicht immer die Tendenz, positiv zu enden. Warum also glaubt André Wicki, dass es nun mit dem Stadttunnel gut kommen werde?

«Ich bin schon überzeugt, dass wir mit dieser ‹Wagner-Oper› zum Abschluss kommen. Wir konnten in den letzten Jahren viel Erfahrung sammeln», sagt Wicki. Topografisch werde sich zwar nichts ändern, die Nadelöhr-Situation an der Grabenstrasse, aber auch der Neugasse, werde immer bestehen, sofern man den Verkehr nicht «eine Etage nach unten verlegt». Es gehe dabei in erster Linie darum, dass eine Aufwertung für ÖV, Velos und Fussgänger entstehe. «Ich gehe davon aus, dass wir in diesem letzten Akt auf einen guten Abschluss kommen. Das nicht nur für uns, sondern auch für die kommende Generation», so Wicki.

Stadtpräsident André Wicki ist überzeugt von der «Umfahrung Zug». (Bild: wia)

Vehemente Kritik flammt auf

Längst nicht alle finden die Idee der «Umfahrung Zug» so prickelnd wie der Zuger Stadtrat. Ein Komitee stellt sich vehement sowohl gegen die «Umfahrung Zug» sowie gegen den geplanten Ägeri-Tunnel.

Unter anderm bemängeln die Mitglieder, dass die Tunnel-Portale am falschen Ort stünden und somit lediglich eine Verlagerung des Verkehrs entstünde. Ebenfalls seien die flankierenden Massnahmen aufgrund des «Express-Vorgehens» noch gänzlich unbekannt.

Ebenfalls werde in der Vorlage zwar auf vorgesehene Mitwirkungsverfahren verwiesen, «die Begleitmassnahmen können jedoch durch den Kanton im Rahmen der Planung jederzeit geändert oder weggelassen werden». Nach dem 3. März habe die Bevölkerung demnach nichts mehr zu entscheiden.

Philipp Kissling vom Nein-Komitee erklärt: «Abgesehen davon, dass wir das einstufige Verfahren kritisieren, bei dem die Bevölkerung kaum mitreden kann, bemängeln wir auch die Tunnel-Idee per se.» Diese würde zwar auf der Grabenstrasse und an der Seepromenade zu einer Entlastung führen, andernorts jedoch zu deutlichem Mehrverkehr führen, ist VCS-Mitglied Philipp Kissling sicher.

Statt 850 Meter Fahrt rund 3,6 Kilometer?

Dies insbesondere, weil nur 20 bis 25 Prozent der Automobilisten lediglich die Stadt passieren möchten. Die restlichen 75 bis 80 Prozent des Verkehrs blieben auch weiterhin in der Stadt. Automobilistinnen müssten zudem deutlich längere Wege auf sich nehmen. «Wer von der Ägeristrasse runterfährt, müsste zum Südportal und von dort durch den Tunnel bis zum Nordportal. Von dort gehts via Kreisel Aabachstrasse zurück in die Stadt und beispielsweise zum Metalli.»

Dies, weil das direkte Abbiegen vom Portal in die Innenstadt wohl nicht möglich sei. Kissling weiter: «Statt der heute 850 Meter müssen Autofahrer demnach 3,6 Kilometer zurücklegen.» Zudem würden die Gubelstrasse und der Aabachkreisel dadurch massiv überlastet.

Die Tunnelgegner glauben, dass sich die Wege durch den Tunnel für viele deutlich verlängern. (Bild: zvg/Philipp Kissling)

Kissling, der einst die Zuger Sektion des Schweizer Ingenieur- und Architektenverbands leitete, sieht die Lösung des Problems ganz woanders. Nämlich in der Idee «Promenade», die der VCS Zug vorschlägt. Das Konzept sieht vor, dass die Vorstadt autofrei und die Post- und Industriestrasse zu Einbahnstrassen werden. Kissling betont, dass die Idee ohne grossen baulichen Aufwand umgesetzt werden könnte (zentralplus berichtete).

Wie geht es nun weiter?

Am 3. März stimmt die Kantonsbevölkerung über die «Umfahrung Zug» ab. Sollte diese angenommen werden, werde der Stadtrat für die Ausgestaltung der verschiedenen Massnahmen mit der Politik, dem Gewerbe und der Bevölkerung in engem Austausch stehen. «Dazu gehören Mitwirkungsverfahren und Vernehmlassungen, aber auch politische Vorlagen zuhanden des Grossen Gemeinderates und der Stimmbevölkerung», so der Stadtrat. Man verfüge über genügend Zeit dafür. «Die Realisierung der Umfahrung ist von Seiten des Kantons ab 2034 und die Inbetriebnahme 2041 vorgesehen.»

Verwendete Quellen
  • Medienkonferenz und Interviews vor Ort
  • Medienmitteilung
  • Telefongespräch mit Philipp Kissling
  • Website der Tunnel-Gegner
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