Bund untersucht Idee

Luzern als Testfeld: So verschwinden Autos aus Schweizer Städten

Die damalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga präsentierte die Vision im September 2021 auf dem Seetalplatz in Emmenbrücke. (Bild: ios)

Mit Verkehrsdrehscheiben will der Bund das Land revolutionieren. Die Idee: Autos bleiben vor den Zentren – Züge, Busse und Velos fahren hinein. In der Region Luzern hat er die Idee untersucht.

«Geld ist vorhanden», versicherte Simonetta Sommaruga auf dem Seetalplatz im September 2021. Sie war in die Zentralschweiz gereist, um die «Erklärung von Emmenbrücke» zu unterzeichnen. Für den Bund eine bedeutende Vereinbarung, versicherte die damalige Bundesrätin. Denn die Erklärung zeigt auf, wie sich Menschen in Zukunft zwischen Stadt und Land bewegen sollen (zentralplus berichtete).

Heute läuft das – nett gesagt – nämlich suboptimal. Die Autoströme aus den ländlichen Regionen fluten die Innenstädte. Als Folge gibt es Lärm, Stau und Busse, die im Verkehr stecken bleiben. Damit sich das künftig ändert, wollen Bund, Kantone und Gemeinden zusammenspannen. Ihr Ziel ist der Aufbau eines Netzes an Verkehrsdrehscheiben, die so attraktiv sind, dass Autofahrer das Fahrzeug gerne stehen lassen.

Was ist eine Verkehrsdrehscheibe?

Eine Verkehrsdrehscheibe (VDS) ist ein Knotenpunkt mit überregionaler Bedeutung. Hier steigen Reisende zwischen den Verkehrsmitteln um. Also vom Zug in den Bus oder vom Velo und Auto in die Bahn. Künftig will der Bund diese Knotenpunkte stärken. Er hofft, dass mehr Menschen das Auto ausserhalb der Städte lassen und auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. So stellt er sich das vor:

(Bild: Grafik: Bundesamt für Raumentwicklung)

Als Testfeld hat sich das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) den Handlungsraum Luzern inklusive der Zentralschweizer Kantone ausgesucht. Und eine grosse Studie durchgeführt. Die Ergebnisse hat das Amt vergangene Woche veröffentlicht. Sie könnten «als Blaupause für alle zwölf Handlungsräume in der Schweiz» dienen, schreibt das ARE.

Diese regionalen Orte sind wichtig für Verkehrsdrehscheiben

117 Seiten – so lang ist der Bericht, den das ARE gemeinsam mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) und dem Bundesamt für Verkehr (BAV) erarbeitet hat. zentralplus hat sich durchgekämpft und das Wichtigste zusammengetragen. Die Kernaussage: Zu wenig Menschen wechseln zwischen Verkehrsmitteln, auch wenn es sinnvoll sein würde.

Um das zu ändern, braucht es Verkehrsdrehscheiben nicht nur nahe der Städte, sondern auch im ländlichen Raum. In der Wichtigkeit führen die Bahnhöfe Luzern und Zug die Liste der Verkehrsdrehscheiben an, gefolgt von nahen Städten wie Baar und Kriens. Danach listet das Bundesamt Sursee, Stans oder Schwyz auf, also Städte auf dem Land. Zuletzt kommen dicht besiedelte Ortschaften wie Malters oder Zentren wie Engelberg. Auf jeder dieser Ebenen müsse es attraktive Verkehrsdrehscheiben geben, so das Bundesamt.

(Bild: Bundesamt für Raumentwicklung)

Neben dem Umstieg zwischen verschiedenen Bussen oder Bahnen ist vor allem der Umstieg zwischen dem Auto und öffentlichen Verkehr wichtig. Denn dieser Wechsel kann die Innenstädte von den Autokolonnen befreien. Das Ziel des Bundesamts ist simpel: Jeder Einwohner sollte in maximal 15 Minuten mit dem Auto einen strategischen Knotenpunkt erreichen. Und dort auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen können. Neu ist die Idee nicht.

Park+Ride und Bike+Ride nicht ausgelastet

Denn es gibt bereits 50 Park+Ride-Anlagen an Bahnhöfen in der Region. Hier können Autofahrer ihr Fahrzeug abstellen und auf den Zug umsteigen. Doch die Auslastung sei schlecht, zeigt der Bericht des Bundesamts. Nahe der Zentren sind die Anlagen zu zwei Drittel ausgelastet, im kantonalen Mittel nicht einmal zu 50 Prozent. Dazu kommen die 35 Bike+Ride-Anlagen. Jeder dritte Stellplatz bleibt dort zurzeit leer.

Warum ist das so? Das Bundesamt schreibt, die Rolle von Park+Ride sei heute «unscharf». Mit den Verkehrsdrehscheiben will das Amt den Begriff daher präzisieren. Und ein Konzept vorlegen, das gezielt Standorte im ländlichen Raum definiert, an denen Knotenpunkte Sinn machen. Das zeigt: Der Bund will weg von Verkehrsplanung im Klein-Klein und setzt stattdessen auf strategische Lösungen.

Damit die Menschen die Verkehrsdrehscheiben nutzen würden, müsse der öffentliche Verkehr aber attraktiver werden – oder das Autofahren unattraktiver. Auch das benennt der Bericht des Bundesamts. Einige Ideen sind Buspriorisierung im Verkehr, mehr Tempo-30-Zonen, Dosierung von Autoverkehr und Mobility Pricing. Bis die Verkehrsdrehscheiben heiss laufen, haben Bund, Kantone und Gemeinden also noch einiges zu tun.

Verwendete Quellen
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