Luzern: Quartier-Knatsch bleibt ungelöst

Stadtrat verteidigt Bade-Schikane am Schönbühlstrand

Stadtrat Adrian Borgula verteidigt das Renaturierungsprojekt und spricht von einem ökologischen Erfolg. (Bild: ewi/zvg)

Der beliebte Badestrand beim Luzerner Matthof-Quartier ist mit tonnenweise Schotter überschüttet worden. Das sorgt bei den Quartierbewohnerinnen und der SP für Kritik. Der Stadtrat spricht hingegen von einem Projekt mit Vorbildcharakter.

Zugegeben, Badewetter herrscht jetzt Anfang Februar definitiv nicht. Dennoch muss sich der Luzerner Stadtrat aktuell mit dem Thema Baden auseinandersetzen. Grund dafür ist ein Quartier-Knatsch sowie ein politischer Vorstoss der SP-Fraktion im Grossen Stadtrat.

Konkret geht es um den Schönbühlstrand im Luzerner Matthof-Quartier. Der Badestrand erfreut sich bei den Quartierbewohnern grosser Beliebtheit – oder besser gesagt: Er erfreute sich grosser Beliebtheit. Denn während der vergangenen zwei Jahre wurde im Wasser vor dem Strand tonnenweise, teils scharfkantiger Schotter angehäuft. Der Zugang zum Wasser ist erschwert und die Badefreudigen schneiden sich an den Kanten der Steine die Füsse auf (zentralplus berichtete).

Steinhaufen dienen als Wellenbrecher

Hintergrund der Aktion ist ein Naturprojekt am Seeufer. Die Parzellen südöstlich des Badestrands sind in privatem Besitz. Die Grundeigentümerinnen haben in Absprache mit dem Kanton Luzern und der Stadt die Renaturierung eines 200 Meter langen Uferabschnitts umgesetzt.

Ziel ist die Förderung von naturnahen Schilfbeständen am Seeufer, wie sie früher entlang des Luzerner Seebeckens weit verbreitet waren. Von mehr Schilf im Uferbereich sollen Wasservögel und Fische profitieren. Doch damit das Schilf wachsen kann, muss es vor Wellenschlag geschützt werden – darum die Steinhaufen im Wasser, sogenannte Buhnen, die als Wellenbrecher dienen.

Gelb der kleine Badeplatz, rot die Uferzone, die von den Grundeigentümern renaturiert wurde.

Nun reklamiert die SP üblicherweise ein relativ grosses grünes Bewusstsein für sich. Warum also stört sie sich an dieser ökologischen Aufwertung des Seeufers? Die Begründung ist der Interpellation zu entnehmen, welche die SP im vergangenen Herbst eingereicht hat.

Darin kritisiert die Partei die Verletzungsgefahr durch die Steinbuhnen. Es gehe zudem «wertvolle Flachwasserfläche» verloren, die in den letzten 20 Jahren gerade auch von Kindern stark genutzt wurde. Und: Die Steinbuhne verhindere den Zugang zum Bereich rechts des Einstiegs ins Wasser, der insbesondere bei älteren Menschen beliebt sei (zentralplus berichtete).

SP und Quartierbewohnerinnen sind skeptisch

Zusätzliche Brisanz erhält die Geschichte, weil hinter den Renaturierungsmassnahmen nicht nur ökologische, sondern auch private Interessen der Grundstückbesitzer vermutet werden. «Die privaten Seeanstösser erhalten dadurch mehr Ruhe, da der Zugang zu der Wasserfläche vor den privaten Villen sehr stark erschwert wurde», heisst es in der Interpellation. Im Namen der Quartierbevölkerung befürchtet die SP darum, «dass die Macht des Geldes einmal mehr über dem Allgemeinwohl stand».

«Steine gehören zu einem natürlichen Gewässer und bergen immer auch eine gewisse Verletzungsgefahr.»

Stellungnahme des Luzerner Stadtrats

Diesen Vorwurf lässt der Stadtrat nicht gelten. Er rechtfertigt die Entscheide mit der Abwägung verschiedener Interessen. Dabei spielen nicht nur diejenigen der privaten Grundeigentümer und der Quartierbewohner eine Rolle, sondern eben auch die Bestimmungen der dortigen Uferschutzzone. Das Schwimmen im See soll darum in einer «extensiven, naturverträglichen Form» erfolgen.

Stadtrat lobt Projekt als ökologischen Erfolg

Zudem betont der Stadtrat die ökologische Bedeutung der Renaturierungsmassnahmen, welche die privaten Eigentümer entlang ihrer Grundstücke umgesetzt haben: «In seiner Art ist das Vorhaben vermutlich bislang einzigartig am Vierwaldstättersee.» Das Projekt habe darum Vorbildcharakter und solle weitere Grundeigentümerinnen dazu motivieren, ähnliche Massnahmen umzusetzen.

«Wir haben darauf gepocht, dass die Bestimmungen der Uferschutzzone streng umgesetzt werden.»

Adrian Borgula, Umwelt- und Mobilitätsdirektor Stadt Luzern

Der Stadtrat erklärt weiter, wieso sich eine Buhne gleich rechts neben dem Zugang zum Wasser befindet, obwohl die Parzellen der Grundeigentümerinnen erst weiter südlich beginnen. Grund dafür ist, dass in diesem Bereich noch ein kleiner natürlicher Schilfbestand vorhanden ist. «Mit einem vor einigen Jahren ins Wasser gestürzten Uferbaum bildet dieser Restbestand ein ökologisch wertvolles Element.» Mit der Buhne neben der Zugangstreppe soll dieser Schilfbestand geschützt und weiter gefördert werden.

Dass sich die Eigentümer unter dem ökologischen Deckmantel schlicht mehr Privatsphäre verschaffen wollten, will Umweltdirektor Adrian Borgula (Grüne) auf Nachfrage nicht kommentieren. Der Stadtrat habe die Fragen der Interpellation beantwortet – der erwähnte Verdacht sei nicht Teil davon gewesen. Borgula hält fest: «Die Aufgabe der Stadt bei diesem Projekt war es, dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen der Uferschutzzone umgesetzt werden. Dabei haben wir auf eine strenge Umsetzung der entsprechenden Massnahmen gepocht.» Aus ökologischer Perspektive sei das Projekt darum ein Erfolg.

Diese Argumentation lässt bei SP-Grossstadträtin Tamara Celato Fragen offen. Sie hat die Interpellation im Namen der SP-Fraktion unterzeichnet. Dass der Stadtrat auf die Realisierung des Projekts offenbar kaum Einfluss hatte, sei für sie irritierend: «Die Kommunikation zum Projekt war lange inexistent. Gerade weil das Projekt als Vorbild dienen sollte, müsste es der Öffentlichkeit breiter kommuniziert werden», kritisiert Celato. Sie schlägt vor, dass die Stadt beispielsweise eine Infotafel zum Projekt hätte aufstellen sollen.

Kein Bedarf für Nachbesserungen

Aus dem Stadthaus gibt es derweil kein Mitleid für aufgeschürfte Knie und zerschnittene Füsse. So betont der Stadtrat, dass es sich beim Schönbühlstrand um keinen öffentlichen Badeplatz handle. Den Anwohnerinnen müsse daher bewusst sein, dass dort das Baden auf eigene Gefahr hin erfolgt. «Steine, Äste oder Muschelschalen [...] gehören zu einem natürlichen Gewässer und bergen immer auch eine gewisse Verletzungsgefahr.»

Der Stadtrat sieht entsprechend keinen Bedarf für eine Nachbesserung der Renaturierung. Er beantragte bei den Grundeigentümern einzig, die Buhne neben der Treppe optisch zu markieren, damit man sie auch bei hohem Wasserstand wahrnimmt. Die Eigentümerinnen haben dies mittlerweile umgesetzt. Ansonsten findet der Stadtrat, dass Schwimmer die Buhne mit «minimalem Aufwand» umgehen können. Der grösste Teil des Badestrands sei durch das Renaturierungsprojekt sowieso nicht betroffen.

Zuletzt sieht er auch einen Vorteil darin, dass sich der Badeplatz gleich neben der renaturierten Zone befindet. Vom Rand der Buhne aus biete sich die Chance für «einmalige Naturbeobachtungen», zum Beispiel von Blässhühnern, Haubentauchern oder Schwänen. Für den nächsten Besuch am Badestrand empfiehlt sich demnach, nicht nur ein paar Pflaster für die zerschnittenen Füsse, sondern auch einen Feldstecher zur Vogelbeobachtung einzupacken.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Adrian Borgula
  • Antwort des Stadtrats zur Interpellation
  • Interpellation der SP
  • Gespräch mit SP-Grossstadträtin Tamara Celato
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8 Kommentare
  • Profilfoto von D.K.
    D.K., 04.02.2022, 16:10 Uhr

    Bananenrepublik!

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  • Profilfoto von Gusti Brösmeli
    Gusti Brösmeli, 04.02.2022, 16:07 Uhr

    Steilvorlage für den «Knallfrosch»!

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  • Profilfoto von Jakob
    Jakob, 04.02.2022, 09:28 Uhr

    Mer esch glich

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  • Profilfoto von Tell
    Tell, 04.02.2022, 06:45 Uhr

    Der abtretende Ornithologie-Stadtrat setzt sich ein weiteres Denkmal. Zeit dass er endlich geht. Dann hat er Zeit, Vögeli zu beobachten. Und kann uns Badende und Hundehaltende nicht mehr belästigen.

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 03.02.2022, 18:34 Uhr

    „Buhne, dammartiges, quer zur Uferlinie angelegtes Regelungsbauwerk, womit der durchflußwirksame Querschnitt eines Gewässers eingeschränkt wird. Buhnen werden angelegt, damit für die Schiffahrt in Niedrigwasserzeiten eine ausreichende Wassertiefe entsteht (Niedrigwasserregelung). Darüber hinaus dienen Buhnen zum Schutz des Ufers vor Erosion. Buhnen werden als Steindamm gelegentlich auch als Faschinendamm (Faschine) oder als Doppelspundwand mit einer Stein- oder Betonfüllung hergestellt.“ Buhnen sind also künstliche und somit im Luzernersee völlig fremde Elemente. Im Luzernersee gibt es ausserhalb des Würzenbachdeltas meines Wissens nur Schlamm und Sand, somit ist der eckige Kies ein weiteres völlig fremdes Element. Hoffen wir, dass es sich wenigstens nicht um eine unzulässige Deponierung von chemisch belastetem Bahnschotter handelt. Und dass der Schilf mit Buhnen vor Wellenschlag geschützt werden muss, ist ebenfalls ein Märchen: Wenn das stimmen würde, dürften die Schilfbestände in der „Sündenbucht“ bei Altstad oder der Trottlibucht gar nicht vorhanden sein. Mein Urteil: Absolut fehlendes Naturverständnis, reiner Kniefall vor den betuchten Anwohnern und eine komplette Verschandelung eines bislang einigermassen natürlichen Uferstreifens.

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  • Profilfoto von Autsch
    Autsch, 03.02.2022, 17:38 Uhr

    Zur Bildfolge:
    Auf Bild 1 ist die Hafeneinfahrt erkennbar (ca. 6 Pfähle im See); Projekt wird dem Publikum als Renaturierung verkauft, von der privaten Hafeneinfahrt ist im Text kein Wort zu lesen; diese private Hafeneinfahrt wird tunlichst verschwiegen (oder habe ich etwas übersehen; ich meinte nicht).
    Zu Bild 3 zeigt eindrücklich den scharfkantigen Eisenbahnschotter, der meiner Meinung nach im See nichts verloren hat; schauen Sie mal, welche Steine in Flüelen mit der Reuss in den See gelangen; die sind alle rund, Herr Borgula, RUND!
    Zu Bild 6: «Immerhin den Wasservögeln gefällt die neue Buhne»; spaziere ab und zu da vorbei; soviele Wasservögel auf der Buhne wie auf dem Bild habe ich noch nie angetroffen; mit «die meisten Wasservögel machen einen grossen Bogen um diese Buhne», würde ich die Sache eher beschreiben. Für Schwäne absolut verboten, wegen dem Eigengewicht; für Enten ebenfalls; Blässhühner vielleicht; für «leichte» Möwen passabel.
    Aber Danke für den Artikel und dass Zentralplus das Thema nochmal bringt.

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  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 03.02.2022, 17:37 Uhr

    Was nicht alles durchgeht unter dem grünen Mäntelchen???

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  • Profilfoto von Paul
    Paul, 03.02.2022, 17:37 Uhr

    Schotter im see = vorbildcharackter
    Ist ja sehr natürlich! Meine güte heer borguka bleiben die bei ihren bäumen

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