Bauernverband ist irritiert

Stunk wegen Abstimmungs-Fahnen: In Luzern drohen Bussen

Hella Schnider vom Luzerner Bauernverband ist irritiert über den Rummel um die Abstimmungsfahnen. (Bild: zvg)

Im September stimmen die Schweizerinnen unter anderem über Massentierhaltung ab. Bereits weibeln Luzerner Bauern mit Fahnen für ein Nein. Doch die Polizei fordert unter Androhung von Strafen, dass sie entfernt werden. Was ist da los?

Eine Regenbogen-Fahne für die «Ehe für alle», ein Mahnfinger gegen das «Covid-Gesetz»: Im Vorfeld von Abstimmungen hängen viele Befürworter und Gegnerinnen ihre Meinung an den eigenen Balkon oder die Schüür. So auch die Sempacherin Angela Koch.

Im September entscheiden die Schweizer über die «Massentierhaltungsinitiative» (zentralplus berichtete). Die Argumente der Initiative haben Koch überzeugt, weshalb sie sich eine Fahne bestellt und am Küchenfenster aufgehängt hat, wie sie gegenüber «SRF» erzählt. Doch eines Abends steht unerwartet die Polizei vor ihrer Tür. Die sagt ihr, die Fahne müsse weg. Das Aufhängen der Fahne sei verboten.

«Ich habe ihn zuerst etwas belächelt», erzählt Koch in der Sendung. Doch der Polizist verweist auf die kantonale Reklameverordnung. Darin steht geschrieben, dass Abstimmungswerbung frühestens sechs Wochen vor dem Abstimmungstag ohne Bewilligung aufgehängt werden darf. Bei Verstoss droht im schlimmsten Fall eine Busse.

Luzerner Bauernverband ist irritiert über Verbot

Doch nicht nur die Befürworterinnen, sondern auch die Gegner hatten wegen Abstimmungsfahnen bereits mit der Polizei zu tun. «An verschiedenen Orten hat die Luzerner Polizei in den vergangenen Wochen dazu aufgefordert, solche Fahnen wieder zu entfernen», schildert der Luzerner Bauernverband in der neuesten Ausgabe der «BauernZeitung».

Für Hella Schnider, Vorstandsmitglied im Luzerner Bauernverband und Kampagnenleiterin des Nein-Komitees, unverständlich: «Bisher war das im Kanton Luzern kein Thema. Dementsprechend waren wir vom Bauernverband sehr irritiert, als uns ein Bauer von den Aufforderungen der Polizei erzählt hat», wie sie auf Anfrage von zentralplus erzählt. Gerade in der Stadt sehe man seit Monaten bereits Fahnen zum Bypass oder zur Gletscher-Initiative, die noch nicht mal ein Abstimmungsdatum hätten.

«Für mich persönlich ist hier die Verhältnismässigkeit nicht gegeben.»

Hella Schnider, Vorstandsmitglied Luzerner Bauernverband

Die Regelung mit den sechs Wochen vor Abstimmung sei ihr sehr wohl bekannt. «Dass man aber Fahnen mit der eigenen Meinung nicht an die eigene Schüür oder sein Haus hängen kann, war mir neu.» Der Vorstand des Luzerner Bauernverbands habe prompt reagiert und die rechtliche Lage abgeklärt.

«Gemäss Gesetz ist nicht von der Hand zu weisen, dass Strafen verteilt werden könnten. Aber für mich persönlich ist hier die Verhältnismässigkeit nicht gegeben.» Eine genaue Beurteilung sei jedoch schwer, da die Verordnung und deren Zusammenspiel mit der Meinungsfreiheit «sehr nebulös» sei.

Politische Fahnen eigentlich mit Grundrechten geschützt

Dies bestätigt auch Bernhard Waldmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Fribourg. Gegenüber der SRF-Sendung «Espresso» hält er fest, dass politische Botschaften am eigenen Balkon quasi ein Grundrecht seien. Schliesslich sei dies Ausdruck einer Meinung, womit die Fahne einerseits durch das Recht auf freie Meinungsäusserung und andererseits durch das Recht auf Eigentumsgarantie geschützt wäre.

Das Problem: Dies ist nicht in Stein gemeisselt. Sobald es Regelungen gebe, die diese Rechte einschränken, gelten diese Bestimmungen. Im Falle des Kantons Luzern also die kantonale Reklameverordnung. Diese habe auch ihre Daseinsberechtigung, damit beispielsweise Velofahrer und Autofahrerinnen auf den Strassen nicht abgelenkt werden.

Dennoch plädiert Waldmann für etwas «gesunden Menschenverstand». So meint er weiter: «Man muss im Einzelfall die Regelungen, die bestehen, auch vernünftig anwenden.»

Polizei verweist auf Reklameverordnung

Die Luzerner Polizei stützt sich auf Anfrage von zentralplus indes voll auf die kantonale Reklameverordnung. «Gemäss unserem Kenntnisstand finden die nächsten Volksabstimmungen am 25. September 2022 statt. Nach Adam Riese dauert es bis dahin noch mehr als 6 Wochen (gemäss kantonaler Reklameverordnung)», schreibt Mediensprecher Christian Bertschi. Seien schon heute Plakate und Fahnen aufgestellt, müssten diese entfernt werden.

«Ist das jetzt gerade wirklich eine prioritäre Angelegenheit?»

Hella Schnider, Vorstandsmitglied Luzerner Bauernverband

Zudem gebe es in einigen Gemeinden noch verschärfende Gesetzesartikel bezüglich Reklamen. So beispielsweise wegen Ortsbildschutz. Und auch in der Signalisationsverordnung im Strassenverkehrsgesetz gebe es Vorschriften rund um die Plakatierung.

Auf die Frage, wieso die Fahnen auf den Balkonen der Stadt Luzern kein Thema seien, antwortet Bertschi: «Aus polizeilicher Sicht ist es so, dass es unverhältnismässig wäre, wenn wir bei jeder Fahne ausrücken würden. Dazu fehlen uns schlicht die personellen Ressourcen.»

Politik plant, aktiv zu werden

Die Frage mit den personellen Ressourcen stellt sich auch Hella Schnider in Bezug auf die polizeilichen Warnungen auf dem Land: «Ist das jetzt gerade wirklich eine prioritäre Angelegenheit?» Damit spielt sie auf die Tatsache an, dass die Polizei diesen Sommer wegen knapper Personalressourcen kurzfristig 22 Posten schliessen musste (zentralplus berichtete).

Trotzdem hat der Luzerner Bauernverband inzwischen eine Informations-Mail mit Empfehlungen für die Landwirtinnen herausgegeben. Exponierte Fahnen sollten Bauern «sofort entfernen», Fahnen an Schüüren oder Balkonen zumindest dann, wenn die Polizei sie dazu auffordert. «Es war uns ein grosses Anliegen, dass wir Bauern mit den Fahnen nicht etwas mitgeben, womit sie nachher rechtliche Schwierigkeiten bekommen.»

Ganz so hinnehmen will Schnider die Situation jedoch nicht. Wie die Gemeindepräsidentin von Flühli weiss, seien politische Vorstösse geplant, die sich dem Thema Reklameverordnung widmen. Ziel müsse sein, klare Rahmenverbindungen zu schaffen und eine verhältnismässige Auslegung zu ermöglichen. Vor der nächsten Abstimmung sei das jedoch kein Thema mehr. Sie verspricht sich jedoch breites Interesse am Vorstoss: «Das Thema betrifft nicht nur Bürgerliche.»

Bis dahin gilt es, sich in der eigenen Gemeindeordnung über die geltende Bestimmung schlauzumachen. Und sonst die Abstimmungsfahne bis sechs Wochen vor dem Stichtag im Keller zu lassen.

Verwendete Quellen
  • SRF-Sendung Espresso
  • Artikel in der «BauernZeitung» (hinter Paywall)
  • Telefonat mit Hella Schnider, Vorstandsmitglied im Luzerner Bauernverband
  • Schriftlicher Austausch mit Christian Bertschi, Mediensprecher der Luzerner Polizei
  • Reklameverordnung des Kantons Luzern
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