Die Massentierhaltungsinitiative fordert, dass die Bio-Suisse-Richtlinien zum Standard werden. Das soll auch für alle importierten tierischen Produkte gelten. Andrea Gmür und Damian Müller – die Luzern im Ständerat vertreten – sind dagegen: Sie warnen vor einer Kostenexplosion.
Was auf unsere Teller kommt und wie das Essen produziert wird, ist seit einigen Jahren ein Politikum. Die Ernährung spielt beispielsweise fürs Klima eine wesentliche Rolle (zentralplus berichtete). Doch auch aus ethischen Gründen wird besonders der Fleischkonsum hinterfragt. So auch in der Massentierhaltungsinitiative, die am 25. September national an die Urne gelangt.
Tierhaltung nur noch zu Biostandards
Konkret fordert die Initiative, dass der Bund den Bauern Vorgaben zum Auslauf, der Anzahl Tiere und zur Schlachtung macht. Diese sollen mindestens den Standards der Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen.
Darin ist geregelt, dass Tiere grundsätzlich nicht angebunden gehalten werden. Oder dass zur Fütterung möglichst Futter aus biologischem Anbau verwendet wird. Bei Kühen, Schafen und Ziegen sind die Regeln noch spezifischer: 75 bis 85 Prozent des Futters muss aus Gras bestehen. Nur der Rest darf Kraftfutter sein.
«Die Forderung, systematisch Biostandards anzuwenden, wäre mit hohen Mehrkosten in der Produktion verbunden.»
Andrea Gmür, Mitte-Ständerätin
Hinzu kommt die Forderung, dass diese Richtlinien auch für alle importierten tierischen Produkte gelten. Besonderes an diesem Punkt scheiden sich die Geister: Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, weil die geforderte Importregel nicht mit geltenden Handelsabkommen vereinbar sei. Auch das Parlament sprach sich deutlich gegen die Vorlage aus: Der Nationalrat lehnte die Initiative mit 106 zu 77, der Ständerat mit 32 zu 8 Stimmen ab.
Ständeräte von Luzern sind gegen die Massentierhaltungsinitiative
Das letzte Wort haben die Schweizer Stimmbürgerinnen, weshalb die zwei Lager auch schon fleissig um Stimmen werben. Ganz vorne beim Nein-Komitee dabei sind die Luzerner Ständeräte Damian Müller (FDP) und Andrea Gmür (Mitte). Mit Blick auf ihren Herkunftskanton wundert das nicht. In keinem anderen Kanton gibt es so viele Nutztiere wie in Luzern. Fast ein Drittel aller Schweine in der Schweiz leben hier.
Für Andrea Gmür (Mitte) reichen die derzeitigen Tierschutzgesetze bereits aus. Diese gehören im internationalen Vergleich gar zu den strengsten. Zudem hätte die Initiative negative Folgen fürs Portemonnaie – und dies in ohnehin inflationären Zeiten. «Die Forderung der Initiative, systematisch Biostandards anzuwenden, wäre mit hohen Mehrkosten in der Produktion verbunden», so Gmür. Die Kosten davon würden in erster Linie sozial benachteiligte Menschen tragen.
«Auch in der Schweiz ist keine artgerechte Haltung garantiert.»
Michael Töngi, Grüne-Nationalrat
In FDP-Manier argumentiert Damian Müller mit dem freien Markt: Nach einem Ja zur Initiative gäbe es nur noch Biofleisch, -milch, -käse oder -eier zu entsprechend hohen Preisen. Und keine Wahlfreiheit mehr. «Angesichts der aktuellen Teuerung wäre das ein klassisches Eigengoal.» Zudem befürchtet Müller, dass die Schweiz zur Ernährungsversorgung noch stärker auf Importe angewiesen wäre. Die wiederum aus Staaten mit tieferem Tierwohl stammen könnten.
Zwei Luzerner Nationalräte befürworten die Massentierhaltungsinitiative
Anders sehen es die beiden Luzerner Nationalräte Roland Fischer (GLP) und Michael Töngi (Grüne). Roland Fischer hält fest, dass bereits ein Grossteil der landwirtschaftlichen Betriebe ökologisch nachhaltig produziere. «Handlungsbedarf besteht jedoch bei grossen, fabrikähnlichen Mastbetrieben mit vielen Tieren auf engstem Raum, wo viel Antibiotika und grosse Mengen Futtermittel eingesetzt werden.»
Gänzlich glücklich mit der Initiative ist Fischer aber nicht. Gerade die Forderung zur Importbeschränkung hält er für nur schwer umsetzbar. Lieber hätte er dem Gegenentwurf des Bundesrats zugestimmt, der einzelne Anliegen wie eine tierfreundliche Unterbringung aufnahm, die Importregeln jedoch gestrichen hat. Dieser kam jedoch nicht zustande.
Für Michael Töngi ist auch die Importklausel wichtig
Immer wieder zeigen Gerichtsfälle auch in Luzern, dass der Tierschutz teilweise nicht eingehalten wird (zentralplus berichtete). Komplett hinter der Initiative steht der Grüne-Nationalrat Michael Töngi. «Auch in der Schweiz ist keine artgerechte Haltung garantiert.»
So könnten Betriebe bis zu 27'000 Masthühner oder 1500 Mastschweine pro Stall halten. «Auf der Grösse eines Autoparkplatzes können bis zu 10 Schweine gehalten werden und die Hälfte von ihnen hat keinen Auslauf», empört er sich. Die Initiative garantiere, dass Nutztiere bedürfnisgerecht leben können.
Das Argument Damian Müllers, wonach die Schweiz so mehr importieren würde, hält er für nicht zutreffend. Denn schliesslich müssten bei Annahme auch die importierten Lebensmittel den strengen Kriterien entsprechen. Im Gegenteil verursache die Tierhaltung gerade viele Importe, nämlich im Bereich der Futtermittel. «Diese Tiere sollen sich von dem Futter ernähren können, das auf dem Hof wächst.»
Mit der Initiative müssten die Schweizer nicht auf den Fleischkonsum verzichten, argumentiert Töngi. Wohl aber sollten wir ihn reduzieren: «Nicht zuletzt auch aufgrund der weltweit knappen Ressourcen, die wir nicht unserem Vieh verfüttern sollten.»
Nun liegt der Ball bei der Bevölkerung, die ihrer Meinung am 25. September Ausdruck verleihen kann. Und damit bestimmt, ob bei dir künftig nur noch Biogeschnetzeltes auf den Tisch kommt.
- Richtlinien Bio-Suisse von 2018
- Schriftlicher Austausch mit Andrea Gmür, Luzerner Ständerätin (Mitte)
- Schriftlicher Austausch mit Damian Müller, Luzerner Ständerat (FDP)
- Informationen zur Massentierhaltungsinitiative auf der Website des Bundes
- Schriftlicher Austausch mit Roland Fischer, Luzerner Nationalrat (GLP)
- Schriftlicher Austausch mit Michael Töngi, Luzerner Nationalrat (Grüne)
- SRF-Artikel