Franz Grüter zur Zuger Eurochem-Affäre

Politik will Schlupflöcher für Firmensanktionen stopfen

Soll die Schweiz generell strenger werden betreffend Sanktionen gegen russische Firmen? Nationalrat Franz Grüter setzt sich für eine individuelle Beurteilung ein. (Bild: zvg)


Der Fall Tännler-Eurochem hat Folgen. Der Bund soll beim Vollzug der Russland-Sanktionen keine Ausnahmen mehr machen. So verlangt es die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Doch ob das Parlament den Vorstoss gutheisst, ist laut Kommissionspräsident Franz Grüter (SVP) ungewiss.

Der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler räumt ein, zwischen dem in Zug domizilierten Eurochem-Trust und der Zuger Kantonalbank vermittelt zu haben. Der Düngemittelhersteller mit einem Jahresumsatz von 10 Milliarden Euro, hinter dem das Ehepaar Melnitschenko steht, war in infolge von Blockaden der Grossbanken in Zahlungsschwierigkeiten geraten (zentralplus berichtete). Im Zusammenhang mit den Recherchen zum Fall Tännler hat sich gezeigt: Während andere EU-Länder Tochterfirmen der Eurochem hart sanktionieren, gewährt die Schweiz Schlupflöcher.

Grosser Player und löchrige Garantien

Mit der Produktion von rund fünf Prozent aller Düngemittel weltweit ist Eurochem in der Land- und Ernährungswirtschaft versorgungsrelevant. Damit kann der Trust gegenüber Blockaden von Behörden einiges in die Waagschale werfen. In der Schweiz haben von Sanktionen betroffene Unternehmen – also auch Eurochem – die Möglichkeit ein sogenanntes «ring fencing» anzuwenden. Mit dieser «Umzäunung» garantieren sie, dass keine Gelder an Personen gelangen, die von Sanktionen betroffen sind.

In diesem Fall bedeutet das: Die sanktionierte und als Begünstigte des Trusts Eurochem eingetragene Alexandra Melnitschenko kann die ihr zustehenden Dividenden nicht beziehen. Wie die «Sonntagszeitung» aufgezeigt hat, hat die ehemals als Popsängerin und Model tätige Russin einen Trick angewendet. Sie hat ihre Aktien nach Zypern transferiert. Weil sie dort nicht sanktioniert ist, kann sie trotzdem Profit aus dem Unternehmen schlagen (zentralplus berichtete). Das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) steht im Verdacht, der Eurochem ein solches «ring fencing» gewährt zu haben.

Rasche Reaktion und nun die lange Bank

Die Aussenpolitische Kommission (APK) hat nun sehr rasch reagiert. Eine von ihr am Dienstag verabschiedete – von der SP initiierte – Motion, lautet: «Der Bundesrat wird beauftragt, jegliches bekannte Schlupfloch zur Umgehung von nach Embargogesetz verhängten Sanktionen umgehend zu schliessen. Insbesondere ist dafür zu sorgen, dass sogenanntes ‹ring fencing› nicht weiter dafür benützt werden kann, um Sanktionen zu umgehen.»

«Die Mehrheitsverhältnisse zu diesem Vorstoss könnten im Parlament wieder ganz anders ausschauen.»

Franz Grüter, Nationalrat Luzern

Beschlossen ist das damit aber noch lange nicht. Der Kommissionspräsident und Luzerner Nationalrat Franz Grüter (SVP) hält auf Anfrage fest: «Der Vorstoss wurde mit neun zu acht Stimmen denkbar knapp angenommen.» Die Motion sei damit erst mal an den Nationalrat überwiesen. «Die Mehrheitsverhältnisse zu diesem Vorstoss könnten im Parlament dann wieder ganz anders ausschauen.»

Ausserdem gibt er zu bedenken, dass neben der einen Enthaltung an der Sitzung in Genf sieben vorwiegend bürgerliche Mitglieder gefehlt haben. Was die Vermutung nahelegt: Das Zünglein an der Waage hätte zu dieser SP-Motion auch anders sein können.

Grüter zeigt sich skeptisch zur Motion

Aus welchen Gründen und wie die einzelnen Kommissionsmitglieder gestimmt haben, sagt Grüter aufgrund des Kommissionsgeheimnisses nicht. Doch äussert er sich vorsichtig skeptisch: «Ich beurteile es kritisch, ob ein Grundsatzentscheid in dieser Frage angezeigt ist. Man sollte immer zuerst den Einzelfall prüfen.» Zum russischen Ehepaar hinter Eurochem sagt er: «Die Melnitschenkos leben schon lange nicht mehr in Russland. Inwiefern sie Verbindungen zum russischen Regime pflegen, ist zu klären.»

Mit seiner Vorsicht betreffend die Durchsetzung von Sanktionen, aktuell vor allem gegen russische Firmen, dürfte Nationalrat Franz Grüter nicht allein dastehen. Und die Zeit arbeitet für die Melnitschenkos. Laut Florent Tripet Cordier, dem Sekretär der APK, wird ein Parlamentsentscheid zum Stopfen von Schlupflöchern nicht vor Mai vorliegen. Auf die Frühlingssession hin müsse nun erst noch der Bundesrat seine Haltung zur Frage formulieren.

Sind Schlupflöcher erst nach Kriegsende gestopft?

Trotz schneller Erstreaktion mahlen die Mühlen der Schweizer Politik langsam. Zu langsam? Im Mai könnte der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bereits beendet sein – was wohl im Interesse aller wäre.

Von dieser politischen Auseinandersetzung völlig unberührt, kann es sich das Ehepaar Melnitschenko vorläufig gut gehen lassen. In ihrem St. Moritzer Domizil hält es sich längst nicht mehr auf. Es wird vermutet, dass das Paar auf einer Yacht vor dem Persischen Golf auf dem Hoheitsgebiet der Vereinigten Arabischen Emirate vor Anker liegt. Damit sind die beiden jeglichem Zugriff entzogen: Denn der arabische Staat trägt die Sanktionen gegen russische Firmen und Personen nicht mit.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung Aussenpolitische Kommission (APK)
  • Motion APK zur Schliessung von Schlupflöchern
  • Telefonat mit dem Luzerner Nationalrat Franz Grüter
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